Die Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte gestern Greifswald, da die Stadt in ihrem Wahlkreis liegt. Dort sprach sie mit der Rektorin Johanna Eleonore Weber über die Wissenschaftsregion Nordost und die finanzielle Ausstattung der Universitäten. Besonders eine Person hatte die Kanzlerin noch gut in Erinnerung.

„Und ist der eine hier, der immer die Aufrufe zum Bildungsstreik macht?“, fragte Angela Merkel zu Beginn ihres Gesprächs mit Studierendenvertretern. Gemeint war Erik von Malottki, der im August 2013 immer wieder versuchte, der Kanzlerin die Petition für „Bildung braucht…“ zu überreichen. Beim Gespräch der Studierendenvertreter war er allerdings nicht dabei. Hier unterhielt sich Merkel mit Vertretern aus allen Fakultäten.

Zuvor jedoch lauschte sie zusammen mit einem großen Publikum, gespickt mit Professoren der Universität, politischen Größen der Region und einigen Studenten, einem Vortrag über die Wissenschaftsregion Nordost der Greifswalder Rektorin Johanna Eleonore Weber. Sie wies neben den hervorragenden Leistungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern insbesondere auf die finanziellen Probleme hin.

Optimale Weiterentwicklung – in allen Facetten

Dass die Bundeskanzlerin, die an diesem Tag in ihrer Funktion als Bundestagsabgeordnete Greifswald besuchte, gerne in Greifswald sei, betonte sie immer wieder. Besonders liegt ihr die Universität am Herzen: „Ich möchte, dass sich die Universität optimal weiterentwickelt – in all ihren Facetten.“ Auch betont sie, dass es für sie fraglich sei, ob die Kompetenzen für Schul- und Hochschulpolitik bei der Landesregierung richtig aufgehoben seien. Denn gerade hier sieht die Bundeskanzlerin den Kern der Finanzprobleme der Hochschulen. Wenn es nach ihr ginge, wäre das Geld aus den freiwerdenden BAföG-Millionen sofort an die Hochschulen gegangen. Doch letztlich entscheidet das Land, wo die 29 Millionen Euro hingehen. Hier bremse insbesondere der Koalitionspartner SPD die Verteilung der Mittel.

Rektorin Weber fehlt es eindeutig an Repräsentation auf der politischen Ebene: „Uns fehlt nicht nur das Geld, sondern auch das politische Back-Up.“ Ihrer Meinung nach helfen den Hochschulen keine Statistiken mehr, sondern noch die Politik. Von Landesseite dürfte jedoch wenig Unterstützung zu erwarten sein: „Wir haben uns mit dem Bildungsminister [Mathias Brodkorb, Anm. d. Red.] überworfen.“

„Wir sind nicht hier um gegen sie zu demonstrieren“

Kurz vor Ende des Vortrags ergriff auch Milos Rodatos, Sprecher der Landeskonferenz der Studierendenschaften Mecklenburg-Vorpommerns, das Wort. „Wir sind nicht hier um gegen sie zu demonstrieren. Wir freuen uns, dass sie hier sind“, machte er deutlich. Er überreichte Merkel einen Hilferuf der Greifswalder Studierenden, den sie – anders als einige Male zuvor –  diesmal annahm. Der Hilferuf der Studierendenschaft kann hier als PDF eingesehen werden.

Zusammen mit Vertretern der Studierendenschaft diskutierte die Bundeskanzlerin

Zusammen mit Vertretern der Studierendenschaft diskutierte die Bundeskanzlerin über die Lage der Uni.

Nach der Übergabe des Hilferufs der Studierenden Greifswalds widmete sich Angela Merkel einem Gespräch mit Vertretern der Studierendenschaft. Von jeder Fakultät war mindestens ein Vertreter anwesend, ebenso der Präsident des Studierendenparlamentes Philipp Schulz und die Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses Therése Altenburg. Letztere wies die Bundeskanzlerin auf einige Missstände an der Universität hin: „Das Betreuungsverhältnis ist relativ gut, aber die Ausstattung ist zum Teil miserabel.“

Magdalene Majeed, Vertreterin der Philosophischen Fakultät, bemerkte, dass es durch die Vakanzhaltung eines Lehrpostens in der Internationalen Politik am Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaft eine deutliche Einschränkung im Lehrangebot gibt. Jedoch wird nicht nur Geld für das Lehrpersonal benötigt. Auch die Kosten für Sanierungen und Haltungskosten der Universitätsgebäude belasten den Haushalt, stellte Philipp dar.

Am Ende ist für die Bundeskanzlerin klar geworden, dass politischer Handlungsbedarf gefragt ist: „Ich werde mal mit dem Ministerpräsidenten [Erwin Sellering, Anm. d. Red.] reden.“ Zudem lobte sie die Studierendenschaft. „Mittlerweile kennt jedes Mitglied des Bundeshaushaltsausschuss die einsturzgefährdeten Gewächshäuser.“  Dies schrieb sie besonders dem konstruktiven Umgang mit Problemen durch die Studierendenschaft zu. Anschließend brach sie zu ihrer Stadttour auf. Die am Gespräch teilnehmenden Studenten wirkten allesamt beeindruckt. „Frau Merkel hat sich all unsere Einwände angehört und wirkte sehr verständnisvoll. Was aus dem Gespräch resultiert und nicht, bleibt abzuwarten“, sagte Magdalene nach dem Gespräch.

Fotos: Charlotte Knust