Seit März bestimmt der Bürgerkrieg im Osten der Ukraine auch hier Außenpolitik und tägliche Nachrichten. Dabei ist nicht erst seit dem Flugzeugabsturz der MH17 vor etwa zwei Wochen klar, dass es nicht nur um Macht und Gebiete geht, sondern, dass in diesem Krieg auch um die Deutungshoheit gekämpft wird. Im IKuWo konnte man sich nun selbst ein Bild davon machen. Am vergangenen Freitagabend war eine Gruppe „linker Aktivist*innen“ aus der Ukraine zu Gast.
Bei der mit etwa 60 Zuhörern gut besuchten Veranstaltung, die von IKuWo und der „Antifa Defiant“ organisiert wurde, war keineswegs eine objektive Bewertung der Situation in der Ukraine zu erwarten. Dafür konnte man sich ein Bild machen, wie ideologisch geformte Wahrnehmung aussieht. Die insgesamt 19 Personen starke Gruppe aus der Ukraine reist gerade mit Unterstützung der „Roten Hilfe“ durch zwanzig deutsche Städte, um von den „staatlichen Repressionen“ zu berichten.
Ihr Wortführer, stets mit Basecap und Sonnenbrille, stellte auf Russisch seine Sicht der Dinge dar: eine faschistische „Junta“ habe mit dem „Putsch“ am 22. Februar die Macht in der Ukraine übernommen. Rechtsradikale Kräfte würden seitdem mit den Sicherheitskräften kooperieren, kritische Journalisten und linke Aktivisten würden Opfer staatlicher Repressionen. Die gesamte ukrainische Gesellschaft befände sich in einem Prozess der „Faschistisierung“. Von „Säuberungsaktionen“ und „Denunziationsstrukturen“ ist die Rede. Eine Ausstellung mit 23 Fotos, Srceenshots und Zitate von Personen, die Opfer staatlicher oder zumindest staatlich geduldeter rechter Gewalt, von Folter, Misshandlung und Mord geworden sein sollen, diente der Illustration.
Parallelen zur russischen Propaganda
Die Parallelen zur russischen Propaganda, zumindest wie sie in hiesigen Medien dargestellt wird, war dabei offensichtlich – Putin begründet seine Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine bekanntlich ebenso mit einem „Putsch durch Faschisten“. Dass zwei Aktivisten T-Shirts mit den Abkürzungen „CCCP“ (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken) und USSR (Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik) trugen, war eine offene Sympathiebekundung, die auch im Gespräch deutlich wurde: „Ich kann mich nicht erinnern, dass die Meinungsfreiheit in der Ukraine je so unterdrückt wurde wie jetzt – nie in der gesamten Geschichte.“
Die Frage, ob man nun einen Anschluss der östlichen Gebiete an Russland befürworten würde, wollen die Aktivisten allerdings offen lassen. „Entscheidend ist, was für die Arbeiterinnen das Beste ist; wenn es der Anschluss an Russland ist, sind wir dafür. Grundsätzlich unterstützen wir aber jeden Kampf gegen das Regime aus Kiew.“ Für die Zukunft sehe man nur einen zunehmenden Faschismus oder einen kompletten Zusammenbruch – da nehme man lieber den Zusammenbruch – so einer der Aktivisten.
In der Darstellung der Gruppe, die vornehmlich aus Männern um die 30 zu bestehen schien, wird die Regierung, der „rechte Sektor“ und der Maidan über einen Kamm geschoren, die Gesellschaft in schwarz und weiß gemalt. Eine Differenzierung von nationalistisch, rechtsradikal und faschistisch gibt es nicht, ebenso wenig eine detaillierte Betrachtung innerhalb der Maidan-Bewegung oder der aktuellen Regierung. Der Glaubwürdigkeit dient das nicht. Für die Zuhörer sind die Berichte der Aktivisten über die Repressionen darüber hinaus kaum zu überprüfen.
So heißt es etwa, dass der ukrainische Innenminister Arsen Awakow ein „Propagandaministerium“ eröffnen wolle. Diese Nachricht lässt sich nur in russischen Medien finden. Awakow soll das auf Facebook veröffentlicht haben, Links oder Screenshots gibt es nicht. Auf einem Foto der Ausstellung kniet eine Person vor Soldaten – es sollen ukrainische sein, Hoheitszeichen sind jedoch nicht zu erkennen.
Die Rolle der Medien
Dass die Berichterstattung in den westlichen Medien über bestimmte Themen schweigt, lässt sich naturgemäß nicht ausschließen. Doch der Vorwurf, westliche Medien schreiben nur im Sinne der ukrainischen Regierung über die „sogenannten Separatisten“ kann entkräftet werden: die Untaten des rechten Sektors waren auch hier Thema. Allerdings entsteht dabei eher der Eindruck, der rechte Sektor werde zunehmend geschwächt und folge eher einer unkontrollierten Eigendynamik, denn dem Interesse der Regierung, die letzten Beiträge liegen einige Wochen zurück. (Bsp.: DW, FAZ, taz). Über die Verfolgung von Journalisten und linken Aktivisten ist kaum etwas zu finden. Über ukrainische Journalisten wird im weiteren Verlauf des Abends erzählt, sie würden sich Nachrichten „ausdenken“ – westliche Medien wird eine „pseudo-Berichterstattung“ vorgeworfen. Doch für Instrumentalisierung und Propaganda sind vor allem russische Medien bekannt, auf ihre Rolle wird hier nicht eingegangen.
Als Zuhörer jedenfalls stand man am Ende des Abends mit dem offensichtlichen Widerspruch des Erzählten zur hiesigen Berichterstattung da, zumal die ideologische Färbung des Abends nicht zu übersehen war. Eine ganz persönliche Meinung legte auch der Übersetzer obendrauf, der technisch gesehen gute Arbeit leistete. Erst zierte er sich einen „traurigen“ Satz zu übersetzen, der nichts anderes war als die Feststellung „Damals gab es keine linke Bewegung in der Ostukraine“. Als ihm eine Antwort zu linken Aktivitäten vor dem Maidan nicht passte, ermunterte er, auch die anderen Aktivisten auf der Bühne zu befragen. Schließlich weigerte er sich von „das Volk“ zu sprechen, und nutzte lieber „the people“ und „erweitere Arbeiterinnenklasse“.
Das IKuWo selbst hatte auf Facebook schon im Vorhinein erklärt, sich nicht auf die „pro-russische oder pro-ukrainische Seite zu schlagen“. Es bleiben, versucht man die gefärbte Darstellung der Aktivisten etwas herauszufiltern, dennoch erschreckende Bilder und Berichte über rechtsradikale, gewaltbereite Gruppen in der Ukraine, die prinzipiell nicht frei erfunden sein dürften. Wie groß der Einfluss der an der Regierung beteiligten, rechten Swoboda-Partei ist, ist schwer zu beurteilen, für ein Verbotsverfahren gegen die Kommunistische Partei haben sie sich bereits erfolgreich eingesetzt.
Auch in den nächsten Wochen gibt es die Chance, sich direkt mit der Ukraine auseinander zu setzen. Verwiesen sei deshalb noch auf das vom 11. bis 23. August stattfindende „Ukrainicum“, eine Sommerakademie der Universität und des Krupp-Kollegs.
Fotos: Anton Walsch
Ich finde, hier hat der Autor in Sachen Kommentierung ein bisschen zu weit übers Ziel hinausgeschossen. Ein Bericht ist es nicht. Es handelt sich eindeutig um einen Kommentar.
Schade, dass der Autor ziemlich unverblümt unterstellt, die Aktivist_innen würden nur Märchen erzählen, anstatt einfach mal eine andere Darstellungsweise einwirken zu lassen und am Ende dem Leser die Entscheidung zu lassen, was er von der von den Aktivist_innen dargestellten Sichtweise nun halten soll, oder nicht.
Beim Lesen entsteht der Eindruck, als sei der Autor krampfhaft darum bemüht, die Ehre der sog. westlichen Medien zu retten und einmal mehr zu betonen, dass "wir" bzw. "unsere Medien" die Besseren seien. Doch das ist nicht Aufgabe des Journalisten. Aufgabe des Journalisten ist es, seriös zu berichten. Und die Berichterstattung ist, egal ob hierzulande oder in der Ukraine oder in Russland zu diesem Konflikt höchstgradig tendenziös und nicht ansatzweise seriös.
Und der Autor tritt genau in die gleichen Fußstapfen. Schade, wirklich sehr, sehr Schade.
Hier mal ein Link, in dem die "seriöse" Berichterstattung von ARD und ZDF zum Ukraine-Konflikt beleuchtet wird: https://www.youtube.com/watch?v=Z1vX2mjDPZM
(Noch ein Nachtrag:) Immerhin im letzten Absatz kommt es zu einer Wendung. Leider habe ich da schon fast aufgehört zu lesen, weil mich die Tendenziösität der ersten Absätze doch schon davon abgehalten hat, den Artikel zunächst bis zum Schluss zu lesen.
+1
Die veranstaltende Gruppe heißt übrigens Defiant.
Danke für den Hinweis, wurde geändert.
Da hat sich der Autor aber auf ein verdammt vermintes Feld begeben. Wenn man dann noch auf Kartenmaterial zurückgreift, dass „auf unserer Seite“ vom Traumpaar der Desinformation und Hetze Roth/Atei, der Talkshow-Lügenfurie Will, Klaus Kleber, … um nur einige zu nennen, gezeichnet wurde, ist die der fatale Unfall unvermeidlich.
Auch wenn es kritische Foren gibt, die sich mit den Lügen unserer Medien beschäftigen, sie stehen auf verlorenen Posten. 🙁
Wer sich auf dem anderen Ende über den deutschen Gottvater der Russophobie informieren möchte,
sollte in seine Suchmaschine „Stilstand“ eingeben. Ein Herr Jarchow betreibt dort Fäkalagitation, die eine Verlinkung verbietet.
Dass sich besonders „Die Grünen“ unter Führung von Harms und M.-L. Beck zu den Sprachrohren von Desinformation und Hetze gerieren, wäre ein anderer Aspekt in diesem Drama, aber nicht verwunderlich.
"Talkshow-Lügenfurie Will", Desinformation von Roth… haben Sie heut mal vergessen, den Alu-Hut aufzusetzen, oder was?!
Und der dicke Erzengel Gabriel erst.. Aber die deutschen Fallen auf die NATO-Agenda voll rein, wie immer. Es muss nur heftig genug gehezt werden..
Einige Anmerkungen wurde schon gemacht, hier meine Fragen an den webmoritz:
Welches journalistische Format sollte hiermit bedient werden? Bericht, Reportage, Nachricht?
Ist Storytelling ein Begriff? Auch in jeder Hausarbeit dient die Einleitung einem bestimmten Zweck: Interessantes benennen und zum Thema hinführen: was hier ist die These des Autoren? Welche inhaltliche und methodische Qualifikation ermöglicht es dem Autoren, sich an dem Abend und durch seine Mediennutzung ein Bild zu machen und dann deutlich wertende Worte zu benutzen? Stünden "Autoritäten" wie Alexander Wöll oder ein Powi-Prof. als weitere Gesprächspartner zur Verfügung?
Warum werden die vom Autoren gestellten Fragen so formuliert, als wenn es nur Gut/Böse, Schwarz/Weiß gäbe? Welche weiteren Quellen des Abends hat der Autor befragt, beobachtet?
Welche Mittel des Onlinejournalismus nutzt ihr hier noch nicht? Links, Links, Links bzw. Linklisten? Videos wie von Tilo Jung? CC Bildmaterial aus der Ukraine? Welchen Mehrwert haben die drei Bilder aus dem Ikuwo?