GustavschreibtGUStAV, wer ist eigentlich dieser GUStAV? Der Greifs­wal­der Universitäts-Studentischer Auto­ren­Ver­ein (GUStAV) ist ein Haufen schreibwütiger und literaturbegeisterter Studenten,auch bekannt als Gustels. Sie sin­nieren dar­über, was Lite­ra­tur sei und was nicht, besprechen vor allem die eige­nen Texte und stif­ten ein­an­der immer wie­der zum Schrei­ben an. Die Ergebnisse werden auf Lesungen präsentiert und können nun monatlich auf dem webMoritz gelesen werden.

Schlechte Karten

Ich schaue mir alles ganz genau an. Dieses schlechtgekleidete Spektakel auf frisch gemähtem Rasen, während sich die Hitze in meine Haut brennt wie tausend Sonnen, vielleicht auch wie zweitausend, da bin ich mir nicht sicher. Auf jeden Fall tropft Schweiß an meinen Wangen herunter. Eher ein Indiz für die Hitze von zweitausend Sonnen. Zweitausend kleine Minisonnen natürlich, nicht zweitausend von unserer Sonne, die sich frecherweise in der Milchstraße breit gemacht hat. Wie diese Schmarotzer am Strand, die überall ihre Handtücher hinwerfen als wäre ein bloßes Handtuch eine Platzreservierung. Das sollte ich mal im Kino machen. »Oh Schatz, hier liegt schon ein Handtuch. Das muss die falsche Vorstellung sein.«

Vielleicht ist der Schweiß aber auch nicht auf die Hitze zu schieben, sondern die Angespanntheit spricht aus meinem Körper. Die Spieler unserer Mannschaft agieren mit der lethargischen Motorik einer Tipp-Kick Figur. Ein Debakel auf ganzer Torlinie. Dazu geht mir das Gegröhle und Gekreische auf den Keks.

In der zweiten Halbzeit dann, ach was, der Hot-Dog-Verkäufer denkt wohl, er ist was Besseres und bietet mir seine ketchup- und senfbeschmierten Leckereien gar nicht erst zum Verkauf an. Ich muss nur einen Anruf tätigen, und der Hot-Dog-Verkäufer würde sofort seine Hot-Dog-Lizenz verlieren. Vielleicht aber auch nicht. Ich bin mir nicht mal sicher, ob es so etwas wie eine verdammte Hot-Dog-Lizenz überhaupt gibt. Kann eigentlich jeder Depp machen, Hot-Dogs verkaufen.

Ich konzentriere mich wieder auf das Spiel. Unser Stürmer läuft mit dem Ball nach vorne, lässt drei Gegner stehen, passt nach vorne und, ach was, der Schiedsrichter pfeift Abseits. Ich stelle dem Schiedsrichter in Gedanken eine gelbe Karte aus. Noch so eine Fehlentscheidung und der Schiedsrichter muss vom Platz, klare Sache. Ich springe auf und brülle: »Wenn das Abseits war, dann habe ich letzte Woche auch nicht mit meiner Sekretärin geschlafen.« Meine Frau schaute mich erbost an. Als müsste sie erst mal eine Reflektierungspause machen oder ihre intellektuellen Batterien aufladen oder was auch immer. Dabei war sie die letzte, die erbost schauen sollte. Sie hatte auch mal eine Affäre, damals im Las Vegas Urlaub mit ihren Sex-and-the-City-Freundinnen. Ja, ich weiß, was in Vegas passiert, bleibt in Vegas, aber wir wissen alle, was in Vegas passiert ist: Sie hat sich betrunken und mit diesem Typen geschlafen, der aussieht wie ein koreanischer Jesus.«

Ich sagte: »Vegas.«

Sie sagte: »Schöner Torschuss von dem Mann in Weiss.«

Da hat sie verdammt recht. Schöner Torschuss. Leider siebzehn Meter übers Tor.

Die gegnerischen Fans jubeln, als hätten sie ein Yu-Gi-Oh-Duell in der Unterwelt gewonnen.

Währenddessen male ich mir aus, ein Schiedsrichterquartett auf den Markt zu bringen. Empfohlene Altersstufe: 3 – 99 Jahre. Mit 100 hat man halt Pech gehabt. Obwohl so eine Partie Schiedsrichterquartett sicher ein Gewinn für jeden tristen Alltag im Altersheim wäre.

Das Spiel läuft dann so: »Okay, lass mich überlegen … Ich nehme: Denkleistung von 0 auf 100.«

»Oh, da hat mein Schiedsrichter nur 3 Minuten. Gut gespielt. Ich glaube ich entscheide mich für … IQ: 87.«

»Guter Zug. Da gewinnst du natürlich. Meiner hat nur 60.« Und so weiter.

Der Schiedsrichter schaut gerade mal wieder auf seine runde Rolex-Parodie und gibt dann nur drei Minuten Nachspielzeit. Drei Minuten, was ist denn bei dem schief gelaufen? Das muss jetzt die rote Karte für den Schiedsrichter geben, da bin ich mir sicher. Ich gehe in Gedanken meinen Plan durch, der folgendermaßen aussieht: »Erst mache ich das Auto des Schiedsrichters ausfindig, breche ein, schließe es kurz und stelle es in eine Parkverbotszone. Das sollte ihm nicht gefallen. An der Windschutzscheibe klebt dann natürlich ein Post-it mit der Aufschrift: »Dein Auto steht wohl im Abseits. Haha.« Aber wenn ich etwas darüber nachdenke, kommt mir der Plan vor, als hätte ihn Beastley geschmiedet, um einen Glücksbärchi zu fangen. Nicht ausgefuchst genug, außerdem kaum umzusetzen, Beastly halt. Wer weiß schon, wie man so ein Auto kurzschließt, und auf voltstarke Blitze habe ich jetzt kein so starkes Verlangen. Nein, ich brauche einen richtigen Plan, einen Meister-Herzlos-Plan. Der schnappt sich immer einen der knuffigen Glücksbärchis.

Ich war allerdings so damit beschäftigt, einen meister-herzlos-mäßigen Plan zu schmieden, dass ich gar nicht mitbekommen habe, dass wir zwei Tore geschossen haben. Naja, die kann ich mir dann ja immer noch in der ZDF-Wiederholung anschauen. 2:1 für uns. Ein sehr faires Ergebnis. Besonders der Schiedsrichter hat seinen Job ziemlich gut gemacht, da wir, also meine Frau und ich, ja gewonnen haben.

 

ChrisWahsner_KatrinHauboldChris Wahsner kommt aus Hamburg und studiert seit dem Wintersemester 2013/2014 an der Universität in Greifswald. Seit dem Sommersemester studiert er Jura. Neben dem Studium und seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender des GUStAV arbeitet er regelmäßig an Literaturprojekten, von denen er in diesem Jahr einen Kurzroman (»Funkenmomente«) und eine Kurzgeschichtensammlung (»Traummomente«) als e-Book veröffentlicht hat.

 

GUStAV trifft sich montags und freitags 18.00 Uhr in der Germanistik, diese Treffen stehen allen Interessierten offen. Weitere Informationen zum Verein und zu den Mitgliedern, den regelmäßigen Treffen und den Lesungen finden sich auf der Internetseite.

Dies ist ein Beitrag der Reihe „GUStAV schreibt„. Weitere Werke der Gustels finden sich unter dem Link.

Foto: Katrin Haubold (Portrait), Lisa Klauke-Kerstan (Buch)