Jeder Ort hat seine Geschichte. Und Geschichte hinterlässt zumeist Spuren, von denen wir heute noch Zeuge werden können, wenn wir nur hinsehen und es Bemühungen gibt, diese historischen Zeugnisse zu erhalten.
Die Stadt Greifswald besteht nunmehr seit über siebenhundert Jahren, erste Siedlungsspuren gehen bis ins frühe dreizehnte Jahrhundert zurück. Im Jahr 1250 erhielt die Siedlung, die zu damaligen Zeiten noch als Gripeswald oder auch Gripswolde bekannt war, das Stadtrecht. Vieles ist seither geschehen: Die Einwohnerzahl hat sich seit Beginn des siebzehnten Jahrhunderts verzehnfacht, seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts mehr als verdoppelt. Eine Veränderung des Stadtbildes ist nicht zuletzt dadurch nur natürlich und trotzdem zählt die Greifswalder Altstadt mit ihrem Marktplatz und dem freistehenden Rathaus zu den schönsten in Norddeutschland. Dies ist nicht zuletzt ein Verdienst des Denkmalschutzes. Aber auch fernab der Altstadt findet sich gedenkwürdiges.
Die Denkmäler der Hansestadt
Fällt der Begriff des Denkmals, denkt man wohl in erster Linie an Monumente oder Statuen, die zur Erinnerung an bedeutende Ereignisse oder Personen errichtet wurden. So kommen in Bezug auf Greifswald das Rubenow-Denkmal oder die Statue zu Ehren Caspar David Friedrichs in den Sinn. Darüber hinaus gibt es aber auch Denkmäler, die erhaltene Werke der Kunst oder der Baukunst umfassen. Das Denkmalschutzgesetz erweitert diese Begriffe und legt fest, was geschützt werden soll. Im Sinne jenes Gesetzes sind Denkmäler Dinge, die bedeutend für die Geschichte und Entwicklung von Menschen, Städten und Siedlungen sind. Aber auch künstlerisch, volkskundlich und wissenschaftlich wertvolle Zeugnisse fallen unter diese Definition. Weiterhin gibt das Gesetz Auskunft über die verschiedenen Kategorien von Ehrenmälern. So wird zum Beispiel das Einzeldenkmal erwähnt. Es kann sich dabei um ein Gebäude wie das Greifswalder Rathaus oder um eine Grünanlage wie den Rubenow-Platz handeln. Technische Konstruktionen wie die Wiecker Brücke gehören genauso in diese Kategorie wie die gesamte Wallanlage, die die Altstadt umschließt. Die Besonderheit von Einzeldenkmälern liegt darin, dass sie in ihrer Gesamtheit unter Schutz stehen. Es soll nicht nur die Fassade und das Dach eines Gebäudes, sondern auch der gesamte Innenbereich in seiner historischen Form erhalten bleiben. „Dazu gehören Raumstrukturen, Ausstattungselemente wie Türen und Treppen, Fußbodenbeläge oder Holzbalkendecken aber auch Betondecken bei moderneren Denkmälern. Bei der Wiecker Brücke gehört natürlich die gesamte Konstruktion einschließlich der Ketten, der Scharniere, des Unterbaus und der Pfeiler dazu“, erklärt Astrid Ewald, Sachbearbeiterin der unteren Denkmalschutzbehörde in Greifswald. „Es gibt auch Denkmäler aus dem zwanzigsten Jahrhundert“, führt sie weiter aus. „Denkmal bedeutet nicht immer uralt. Etwas muss nicht alt sein, wenn es eine geschichtliche Bedeutung hat“, ergänzt Andrea Henning, ebenfalls Sachbearbeiterin der unteren Denkmalschutzbehörde.
Neben den Einzeldenkmälern gibt es noch die Denkmalbereiche. Bei denen werden nur bestimmte Teile von Gebäuden, Straßen oder Grünflächen unter Schutz gestellt. Vertreter dieser Kategorie sind die Siedlung Ladebow, der Fischerort Wieck und die Greifswalder Altstadt, deren Grundstücksstrukturen zum Teil noch auf den mittelalterlichen Grundriss zurückzuführen sind; für die also lange, schmale Grundstücke und enge, rechtwinklig zueinander verlaufende Straßen das typische Erscheinungsbild darstellen.
Ebenfalls typisch für das historische, hanseatische Stadtbild ist das Giebelhaus, das beispielsweise in der Steinbeckerstraße oder am Marktplatz gefunden werden kann. Darüber hinaus zeigt sich, dass ein Denkmal nicht nur in einer Kategorie vertreten sein muss. „Die gesamte Greifswalder Altstadt ist auch ein Bodendenkmal, denn sie stellt den Stadtgründungsbereich dar, das heißt, sie existiert seit dem dreizehnten Jahrhundert und dementsprechend gibt es dort Siedlungsspuren auch unter der Erde. Eigentlich findet man dort an jeder Ecke etwas, wenn man anfängt zu graben“, führt Ewald aus. Auch muss ein Denkmal nicht immer am selben Ort zu finden sein und stillstehen. Ein Vertreter der sogenannten beweglichen Denkmäler ist mit der „Greif“, einem Segelschulschiff, in Greifswald schnell ausfindig gemacht.
Denkmalschutz und Denkmalpflege
Denkmalschutz und -pflege obliegen dem Land, den Landkreisen und Gemeinden und dienen dazu, Denkmäler, zu pflegen und zu schützen, wissenschaftlich zu erforschen und einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Beim Betrachten des Denkmalschutzgesetzes stellt sich die Frage, warum es dann Gebäude wie die Stralsunder Straße 10 gibt, die trotz ihres Status‘ offensichtlich dem Verfall unterliegen. „In diesem Fall ist es so, dass wir zwar Möglichkeiten haben, gemäß des Denkmalschutzgesetzes einzugreifen, aber man kann nicht gleich davon ausgehen, dass der Eigentümer zur Sanierung gezwungen werden kann. Wir müssen immer auch Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen heranziehen. Gibt es zum Beispiel ein großes Loch im Dach eines Gebäudes, können wir beauflagen, dass der Eigentümer handeln muss, um Gefahren vom Gebäude abzuwenden“, berichtet Ewald. „Aber zu einer kompletten Sanierung können wir niemanden zwingen. Das geht nur in Zusammenarbeit mit dem Bauherrn und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten“, verdeutlicht Henning, „Sie haben da ein Beispiel für ein Gebäude gewählt, dessen Sanierung Summen in Millionenhöhe bedarf.“ Die Denkmalpflege obliegt also dem Eigentümer beziehungsweise dem Bauherrn eines Gebäudes – in Zusammenarbeit und Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde. Daher sind ungenutzte Bauten eher vom Verfall bedroht als solche, die noch genutzt werden, da Mängel hier in der Regel später bemerkt und behoben werden und sie keinen wirtschaftlichen Ertrag einbringen, der auch zur Instandhaltung eingesetzt werden könnte. Nichtsdestotrotz hat der Eigentümer aber die Erhaltungspflicht.
Kompliziert ist die Situation auch, was die Baderstraße 2 betrifft – auch als „Sybilla Schwarz Haus“ bekannt. Hier befindet sich eines der letzten Giebelhäuser, dessen Geschichte bis ins vierzehnte Jahrhundert zurückgeht und das zudem barocke Einbauten und Strukturen des neunzehnten Jahrhunderts beinhaltet. Das Haus ist unsaniert, steht leer und es ist schwierig, das Gebäude zu nutzen. Da es sich dabei ursprünglich um ein Speichergebäude handelt, ist vor allem das Dachgeschoss zum Wohnen überhaupt nicht geeignet, da die Deckenhöhe nicht den Anforderungen entspricht. Das bedeutet, dass im Grunde nur zwei Geschosse nutzbar gemacht werden können, denn würde man das Dachgeschoss bis hin zur Bewohnbarkeit ausbauen, würden sämtliche historische Zeugnisse in ihrer Originalität zerstört werden. Natürlich gibt es bei Weitem nicht nur Negativbeispiele. Viele der Denkmale verdanken ihren Erhalt und ihre Schönheit ausgiebigen Sanierungen, vor allem im Innenstadtbereich. Ein positives Beispiel kann in der Gützkower Straße 26 gefunden werden. Das hier stehende Wohngebäude beinhaltet neben einer historischen Treppe Malereien im Flur- und Eingangsbereich, die erst kürzlich vollständig gesäubert und restauriert wurden.
Einschränkungen durch den Denkmalschutz
Dass der Schutz von Denkmälern nicht immer nur positive Folgen haben kann, wird am Beispiel des Jugendzentrums klex deutlich. Das Gebäude, das vom Stadtjugendring und zahlreichen Vereinen für Jugendsozialarbeit genutzt wird, steht unter Denkmalschutz. Dies kann im Falle einer Sanierung des Hauses indirekt zu einer Bedrohung für das Jugendzentrum werden, denn aktuell befindet sich die Nutzung des Gebäudes aus baurechtlicher Sicht in einer Grauzone. Bezüglich Brand- und Schallschutzbestimmungen wird das historische Gebäude als Versammlungsstätte den aktuellen Anforderungen nicht mehr gerecht. Würde das klex nun saniert werden, griffen die aktuellen Vorschriften und Veranstaltungen wie Konzerte könnten nicht mehr durchgeführt werden. Der Denkmalschutz spielt dabei insofern eine Rolle, dass es zwar technisch möglich wäre, das Gebäude entsprechend der gültigen Bestimmungen anzupassen, jedoch wären die Eingriffe nicht mit den Auflagen des Denkmalschutzgesetzes vereinbar. Wann das Gebäude saniert wird, ist noch unklar. „Aktuell stehen wir auf Platz sechs der städtischen Sanierungsliste, dank der Politik. Die Stadt plädierte für Platz zwölf“, so Yvonne Görs vom Stadtjugendring. „Das Problem ist, dass eine vollständige Sanierung Jahre in Anspruch nehmen kann und das Gebäude könnte nicht mehr so genutzt werden wie heute“, erklärt sie weiter. In so einem Fall wäre also die Frage, wann und ob man in dem Haus überhaupt wieder Veranstaltungen im Rahmen der Jugendsozialarbeit durchführen könnte.
Jedoch könnte nicht nur das klex Einschränkungen unterliegen, die unter anderem Folge des Denkmalschutzes wären. Wer sich in Wieck niederlassen und ein Haus bauen will, darf nicht einfach tun und lassen, geschweige denn bauen, was er will. Wieck ist ein Denkmalbereich, die Siedlungsspuren hier gehen ins vierzehnte Jahrhundert zurück und die heutige Erscheinung des Fischerortes ist kein Zufall. „Die Siedlung ist geprägt von eingeschossigen, kleinen Gebäuden, oft mit Rohrdach, das hat schon seine Besonderheiten“, berichtet Ewald. Neubauten müssen sich in das Gesamtbild des Ortes einfügen, so gibt es zum Beispiel Auflagen bezüglich der Höhe und verschiedener Baumaterialien der Gebäude. Auch bestimmte Dachneigungen und Fensterformate müssen eingehalten werden. „Wir hatten vor geraumer Zeit den Fall, dass der Bau eines dreigeschossigen Hauses abgelehnt wurde.“ Denkmalschutz kann also auch Einfluss auf Gebäude nehmen, die noch gar nicht gebaut wurden. Betrachtet man aber das Resultat der Auflagen, sind sicher nicht viele Menschen der Ansicht, dass sie nicht ihre berechtigte Funktion haben. Der Status des Ortes Wieck und der Greifswalder Altstadt als interessante Sehenswürdigkeiten für Touristen sprechen jedenfalls dafür.
Den Artikel schrieben Michael Bauer und Isabel Kockro. Die Fotos stammen von Isabel Kockro.