artikelbildDie Redaktionen der moritz Medien bekamen heute Besuch: knapp drei Stunden Busfahrt hatten die etwa 28 Schüler aus Hagenow bei Schwerin dafür auf sich genommen. Ausgerüstet mit Zettel und Stift, Diktiergerät oder Kamera sollte der historische Karzer im Audimax Gegenstand erster journalistischer Erfahrungen werden. Unterstützt von Redakteuren von MoritzTV, dem Moritz-Magazin und des webMoritz konnten verschiedene Formate ausprobiert werden. Das Ergebnis des vierstündigen Besuchs veröffentlicht nun der webMoritz: 

Wo Studenten eingesperrt wurden

Die Schulklasse 7b vom Robert-Stock-Gymnasium Hagenow besuchte am Mittwoch, den 05.03.2014 die Ernst-Moritz Arndt Universität Greifswald und nahm an einer Führung durch den Karzer teil. Den Rundgang gestaltete Juliane Müller, die Geschichte studiert.

Der Karzer war eine Gefängniszelle für Studenten, die kleine oder größere Verbrechen begangen hatten. Er wurde 1886 zusammen mit dem „Auditorium Maximum“ gebaut. Um in den Karzer zu kommen, musste man die Universitätsregeln brechen, das war zum Beispiel: Alkohol in der Öffentlichkeit zu trinken, Spielschulden zu haben oder mit verheirateten Frauen zu flirten. Aber auch Professoren zu beleidigen oder sich öffentlich zu entblößen, waren solche Verstöße. Wenn man eines dieser Vergehen begangen hatte und von dem sogenannten „Pedell“, der nachts durch die Straßen ging, gesehen und an den Universitätsrichter übergeben wurde, entschied dieser, wie lange man im Karzer zu sitzen hatte.

Jeder wollte eingesperrt werden

Der Universitätsrichter 1886 war sehr streng. Man musste im Karzer außerdem bestimmte Kleidung tragen und sein Essen selber bezahlen. Als später der „Bierrichter“ eingestellt wurde, lockerte er die Regeln für den Karzer. Die Häftlinge durften nun bis 22 Uhr Besuch empfangen. Nun wollte jeder einmal eingesperrt werden. 1924 wurde der Karzer geschlossen. Er ist einer der letzten sieben seiner Art in Deutschland, die noch erhalten sind.

Im Karzer selbst sind die Wände bunt von den Insassen bemalt worden, jeder wollte sich verewigen und zeigen, dass er da war. So ist der ganze Raum heute voller Bilder, Porträts und Schriften. Es sind viele Studenten in dem Gefängnis gewesen, aber einer war besonders bekannt: Buby Blinding. Er musste ganze neun mal eine Strafe dort absitzen. Einmal, weil er sich mit seinem Freund Buby Schönrock in die selbe Frau verliebt, und sich deswegen mit ihm duelliert hatte. Von dieser Frau hat er schließlich auch ein Bild an die Karzerwand gemalt.

Mit solchen Gemälden hatten die Schüler nicht gerechnet, als sie am Anfang der Führung erklärt bekamen, welche Funktion der Karzer hatte. Beeindruckt verließen sie wieder den Karzer, der mit gerade einmal neun Quadratmetern Fläche kleiner als die Zimmer der meisten von ihnen war.

 

Interview mit Juliane Müller von der Kustodie

Schüler: Wie kamen Sie dazu, Führungen im Karzer zu leiten?

Juliane Müller: Ich arbeite für die Kustodie der Universität, die sammeln die ganzen Bilder und Unterlagen, die die Universität hat und sie pflegen auch die Gebäude und diese haben nach Führungskräften gesucht, die die Leute durch die Räume führen. Da hab ich mich beworben und dann ging es auch schon los – da ich auch Geschichte studiere, passt das ja auch.

Wie gefällt Ihnen die Arbeit?

Das macht mir sehr viel Spaß, weil mich Geschichte auch sehr interessiert und ich freue mich auch, wenn sich die Besucher dafür interessieren und ich ihnen weiterhelfen kann.

Wie oft haben Sie schon Führungen gemacht?

Ich arbeite seit einem Jahr hier und es sind ungefähr 200 bis 250 Führungen, die ich bisher geleitet habe.

Finden Sie den Karzer manchmal gruselig?

Ja, zum Beispiel mache ich auch nachts Führungen und wenn man im Dunkeln da oben alleine drin ist und die Tür zuschließt, dann sehe ich zu, dass ich ganz schnell wegkomme.

Wann wurde der Karzer geschlossen beziehungsweise das letzte Mal benutzt?

Das letzte Mal wurde er 1914 benutzt und 1924 wurde er offiziell geschlossen. Allerdings gab es noch eine Warteliste mit Leuten, die noch in den Karzer wollten, die demnach enttäuscht waren, als er geschlossen wurde.

Was war die schlimmste Tat, die jemand begangen hat, um in den Karzer zu kommen?

Ich denke, das Schlimmste, was passiert ist, war, als ein Student und ein Freund sich mit Waffen duelliert haben.


Artikel: Nic Flöter, Jenny Romann, Vivien Dena Drost, Anuk Kiaulen, Anne Prielipp, Katharina Richter, David Janitz, Nico Abramowski, Marvin Thiede

Fotos: Natalie Rath, Josee Laupsien, Hannah Prahl

Interview: Gian-Luca Hinrichs (13) , Malte Schorcht (13) und Louis Czarski (12).

Teaser: Anton Walsch