AFD_Boot_Stralsund-Simon VoigtEin Beitrag von Marco Wagner und Mounir Zahran

Je mehr Gäste im großen Saal des St. Spiritus Platz nehmen, desto stärker weht der Hauch einer Stammtisch-Atmosphäre durch den Raum. Sie sind gekommen, um den AfD-Spitzenkandidaten Leif-Erik Holm zu hören. Das erste, was der ehemalige Radiomoderator betont, ist, dass er sich ein Bier geholt habe. Das kühle Blonde steht auch etwa eine Stunde rechts am Rednerpult und dürfte am Ende der ersten Hälfte der Veranstaltung recht schal und abgestanden gewesen sein. Unter den etwa 40 Teilnehmern befinden sich außer Anhängern auch Kritiker.

Protest gegen AfD vor Sankt Spiritus

Draußen im Regen haben sich etwa 25 Protestierende versammelt, die der eurokritischen Partei Rechtspopulismus vorwerfen. Unter den Kritikern waren auch Vertreter von Greifswald Nazifrei, der Hochschulpolitik, den Grünen und den Linken anwesend. Gregor Kochhan, Kreistagsmitglied von den Grünen konfrontiert den AfD-Spitzenkanditaten Leif-Erik Holm mit den kuriosen Internet-Aktivitäten des Landeschatzmeisters Klaus-Peter Last. Dieser hätte laut Kochhan keine Scheu, auf seinem Facebook-Account auf Seiten wie PI-News, Junge Freiheit oder Sezession zu verlinken. Holm erklärt, dass er zu den privaten Aktivitäten eines Mitglieds nichts sagen könne. “Er übersieht dabei, dass Last nicht irgendein Mitglied, sondern Landesschatzmeister ist.“ meint Kochhan. Für den Grünen-Politiker sei es dadurch deutlicher geworden, dass die AfD eine rechtspopulistische Partei sei.

AFD_Veranstaltung_Antifa-Mounir Zahran

Anti-AfD Protest vor dem Sankt Spiritus.

Leif-Erik Holm stellt von Beginn der Veranstaltung an klar, dass die AfD eine „aus der Mitte der Gesellschaft kommende Bewegung“ sei, die sich „gegen die Einheitspolitik“ wende. Schließlich stehe man allen Diskursen und allen politischen Richtungen offen gegenüber, natürlich ganz im Gegensatz zu den „antidemokratischen Linken“, die „da draußen“ mit ihren Bannern protestieren.

„Man wurde von allen schon verdummt.“

Nach dem kurzen Seitenhieb gegen die Demonstranten ging es dann wieder zurück zum Thema: „Man wurde von allen schon verdummt.“ Und weil Holm sich das nicht mehr gefallen ließ, sei er zur AfD gegangen. Er bedauert, dass sein ehemaliger Arbeitgeber, Hitradio Antenne Mecklenburg-Vorpommern, ihn kündigte, als er Spitzenkanditat der Partei wurde. Bis dahin moderierte er Sendungen wie “Leif ins Wochenende“. Holm prangert an, dass „die Medien“ zu sehr unter dem Einfluss „der Politik“ stehen würden und betonte die Notwendigkeit parteipolitisch unabhängiger Medien.

Auf späterer Nachfrage aus dem Publikum, ob er bei einer möglichen Nichtwahl und darauffolgender Rückkehr zum Radiosender sein Parteibuch ablege, antwortet der Kanditat, dass er sich von Parteifunktionen entbinden ließe. An einen Austritt aus der Partei denke er jedoch nicht, schließlich sei das ein Recht eines jeden Bürgers. Allerdings verlangt er von Vertretern der öffentlich-rechtlichen Medien aufgrund ihrer besonderen gesellschaftlichen Verantwortung, sich einer Parteimitgliedschaft fernzuhalten.

Leif-Erik Holm mit Dr.Gunter Jesse

Leif-Erik Holm mit Dr. Gunter Jess.

Im Bereich der Bildungspolitik fordert er für die Bundesrepublik ein einheitliches Schulsystem und, wie Politiker anderer Parteien vor ihm auch, den Ausbau frühkindlicher Bildungsangebote und verwies dabei auf die DDR. „Es war ja nicht alles schlecht in der DDR“, betont Holm und erntet hierfür vereinzelt Applaus.

Was die Einwanderungspolitik betrifft, so folgt die AfD konsequent marktwirtschaftlicher Verwertungslogik. „Wenn man in einem Land gebraucht wird, kann man einwandern“. Begriffe wie “Kanadisches Modell“ und “Australisches Modell“ schwirren durch den Raum.

Etablierter Rechtspopulismus?

Am Ende wurde zu einer Diskussionsrunde mit Leif-Erik Holm und dem Listenkandidat Dr. Gunter Jess eingeladen. Auf Anfrage des webMoritz ob man sich von Wählern aus dem rechtextremistischen Lager distanziere, antwortet Holm zunächst ausweichend, dass er sich von seinen Wählern nicht abgrenzen würde. Allerdings distanziere sich die Partei vom Rechtextremismus. “Und insbesondere vom Linksextremismus und Islamismus“, ergänzt ein in den hinteren Reihen sitzender AfD Symphatisant. Holm sehe auch keinen Grund dafür, Mitglieder aus der rechtspopulistisch geltenden Partei “Die Freiheit“ auszuschließen, in der Landesverbandsprecher Andreas Kuessner bis zu seinem Übertritt zur AfD 2012 war. Diesbezüglich scheint es in der Partei keine einheitliche Positionierung zu geben.

Der Landesverband in Hamburg findet den rechten Überlauf in die eigenen Reihen besorgniserregend. Der baden-württembergische Landeverband lehnt es sogar ab, Überläufer aus der Partei “Der Freiheit“ aufzunehmen. Die AfD scheint sich noch nicht so richtig gefunden zu haben. Einerseits möchten einige Mitglieder mit der rechtextremistischen Wählerschaft nichts zu tun haben, anderseits versucht man genau aus diesem Spektrum Wähler zu gewinnen. Man könnte darauf spekulieren, dass sich die AfD im Falle eines Einzugs in den Bundestag von jenen distanzieren würde. Der Sprung über die fünf-Prozent-Hürde könnte aber auch bedeuten, dass sich in der Bundesrepublik erstmals eine rechtspopulistische Partei etabliert.

Fotos: Mounir Zahran, Simon Voigt (Aufmacher-Bild, Wahlkampf in Stralsund, gespiegelt)