Angela_Merkel-Simon VoigtDie Direktkandidatin Angela Merkel (CDU) hat sich nicht die Mühe gemacht, unseren Fragebogen auszufüllen. Auch möglich, dass ihn die Pressestelle gar nicht erst weitergereicht hat. Da wir uns von einer Bundeskanzlerin aber klare Antworten und kein belangloses Konzeptpapier wünschen, ist hier unser Vorschlag, wie das Interview hätte aussehen können.

Wie sind Sie zur Politik gekommen?

Mein Traum war es schon immer, einmal mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Wladiwostok zu fahren. 1990 war es dann endlich soweit. Blöd war nur, dass ich in Sibirien schwarz gefahren bin und dabei erwischt wurde. Aber ich hatte Glück, so ein Riese kam an und half mir aus der Bredouille. Der meinte, dass er gerade auf der Heimreise von einem Treffen mit dem damaligen sowjetischen Präsidenten war. Thema war irgendwas mit Addition. Was auch immer. Der zahlte mein Ticket und schenkte mir eine Frucht, die für mich ganz neuartig war.

Der Riese(l.)

Der Riese(l.)

Eine Banane?

Das hab ich mir auch zuerst gedacht, aber er sagte nur “Birne“. So fing das alles an, ich war dann erst einmal für ein paar Jahre sein Mädchen.

Wie sieht ihr Wahlkampf aus?

Wir betreiben moderne Turbo-Politik, reduziert auf das Wesentliche. Schon 2009 hatten wir hier und da probiert, einfach die Inhalte zu überwinden. Das haben wir in diesem Jahr konsequent und in großem Stil fortgeführt. Besonders loben möchte ich dabei die Lakaien von der Jungen Union, die eine wahnsinnig gute Idee hatten: Merkel voran, wir folgen. Ein umfassender Personenkult wurde daraufhin um mich herum aufgebaut. (Ihre Hände falten sich unverhofft zu einer Raute.) Statt Themen, Ideen und Konzepten gibt es Merkel, Merkel und Merkel. Und Merkel. Der absolute Stillstand aber das funktioniert fantastisch!

Wie feiern große Prozessionen, es gibt hier und da mal ein witziges Foto oder Video bei dem die Leute auf „Gefällt mir“ drücken können aber mit wirklichen Themen beschäftigen wir uns absichtlich überhaupt nicht mehr. Kennen sie schon meine Deutschlandkette? Die volle Dröhnung für’s Volk, die glauben einem einfach alles, wenn sie erst einmal so richtig schön eingelullt sind. Der Kult strahlt sogar so weit aus, das sehen sie ja, ich muss zum Wahlkampf in meinem Kreis gar nicht mehr anwesend sein. Alles weitere macht die SPD für mich. Die heben mich auf ihre Plakate und in deren Wahlprogramm taucht mein eigener Name sogar dreihundert Prozent öfter auf als bei uns. Die Grünen legen da sogar noch einmal das Zehnfache drauf.

Wo sehen Sie Möglichkeiten, sich besonders für Ihren Wahlkreis einzusetzen?

Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Universität Greifswald auch weiterhin ihren Exzellenzstatus bewahren wird. Von der Initiative hat sie sehr profitiert!

Aber Frau Merkel, die Universität Greifswald hat in der Exzellenzinitiative nie eine Rolle gespielt! Es geht doch hier eher um den Hochschulpakt, ihre Kritiker wollen das nur nicht richtig verstehen.

Ich koche sehr gern, am liebsten Rouladen und Kartoffelsuppe.

Reden sie sich da gerade raus?

Nein ganz und gar nicht, aber mein Mann beschwert sich öfters, dass ihm auf dem Kuchen immer zu wenig Streusel sind. Er ist halt Konditorensohn.

Ach egal. Glauben sie, dass bei Ihnen im Wahl-O-Mat die CDU rauskommt?

Ich glaube sehr wohl, dass da die CDU an erster Stelle herauskommen kann, da ich nachher bei der Parteiauswahl immer nur die CDU markiere.

Welches Thema ist Ihnen besonders wichtig?

Vor lauter Globalisierung und Computerisierung dürfen die schönen Dinge des Lebens wie Kartoffeln oder Eintopf kochen nicht zu kurz kommen.

Im Falle Ihrer Wahl: Welches Verkehrsmittel wollen Sie zum Pendeln nach Berlin nutzen?

Meinen Hubschrauber. Das ist sehr praktisch, mit dem war ich schon im Wahlkampf von Termin zu Termin unterwegs. Landen, Reden, Händeschütteln, Weiterfliegen. Minimalster Kontakt zu den Menschen vor Ort und immer über den Dingen schweben ohne einzugreifen. Es geht mir dabei natürlich um die symbolische Wirkung.

Die Hochschulen im Land stehen 2014 und 2015 vor Millionendefiziten in ihren Haushalten. Wie wollen Sie Abhilfe schaffen?

Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern gibt es Probleme, überall in der Republik fehlt massiv Geld im Bildungsbereich. Da staunen sie was? Ich bin gut informiert! Das habe ich in einer Broschüre gelesen, die mir bei meinem vorletzten Besuch in Greifswald so ein querulantischer Student in die Hand gedrückt hat. „Bildung braucht Priorität! Unterschreiben Sie hier!“ hat der gebrüllt. Ein Zottel war das, der kommt in letzter Zeit immer an, wenn ich in Greifswald bin.

Meinen Sie vielleicht Erik von Malottki? Der geistert hier an der Uni in fast allen Gremien herum und versucht eigentlich überall mitzumischen.

Genau, der wird es gewesen sein! (Kurzer Blick zu einem Mitarbeiter, dieser nickt langsam.) Er genießt mein vollstes Vertrauen.

Was sind Ihre Pläne für den Fall, dass Sie nicht in den Bundestag einziehen?

Hier oben wirkt der Kult schon länger, das ist Kanzlerinnen-Land hier und die kennen mich. Diesen Wahlkreis habe ich schon immer gewonnen, mehrmals bin ich sogar knapp an der absoluten Mehrheit vorbeigeschrammt. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass zum Beispiel 2009 vierzig Prozent gar nicht erst teilgenommen hatten. Wenn die Menschen, die die Wahl ablehnen weil sie unzufrieden sind, nicht hingehen, dann bewirkt das nun mal nichts anderes als eine Zustimmung zu den bestehenden Verhältnissen. Und das bin ich. Yolo!

Sollte ich doch verlieren, ach wissen Sie, dass sitze ich dann einfach aus. Das Ergebnis wird einfach wie an einer dreifach antihalftversiegelten Bratpfanne von mir abprallen und einen meiner Minister treffen. Nach ein paar Wochen kann sich da keiner mehr dran erinnern und so werde ich alles ausgemerkelt haben. Dann geht es genau so weiter wie bisher.

Vielen Dank für das Interview!

Das Gespräch entwarfen Simon Voigt und Mounir Zahran.

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