Seit gut einer Woche brennen in Stockholms Vorstädten Nacht für Nacht Autos. Auch auf einige Schulen gab es Angriffe, selbst auf Uppsala griffen die Krawalle über – frustrierte arbeitslose Jugendliche aus Migrantenfamilien sollen die Verantwortlichen sein. Was ist los im sonst so friedfertigen Schweden?
Die Bilder rütteln schwer am tief verwurzelten Bullerbü-Image des „Vorzeigelands Schweden“. In deutschen Medien kann man deshalb in diesen Tagen viel über „gescheiterte Integration“ und Diskriminierung bei der Arbeitssuche lesen, wenn Bewerber einen nicht schwedisch klingende Namen haben. Parallelstrukturen sollen sich herausgebildet haben. Immerhin 15 Prozent aller Schweden sind im Ausland geboren, die Jugendarbeitslosigkeit ist mit knapp 25 Prozent ziemlich hoch.
Für mich persönlich sind die Krawalle dennoch ziemlich weit weg. Die Universität und das Studentenleben hier ist vielmehr kosmopolitisch geprägt, meine WG teile ich mit einer Australierin, einem Pakistaner, einem Taiwaner und einem Schweden. Wo man auch hinkommt, man fühlt sich willkommen, eigentlich alle Schweden sprechen obendrein fließend Englisch.
Dieser Geist beherrscht auch die ganze Stadt – soweit ich das beurteilen kann. Am Wochenende ist hier bezeichnender Weise „Karneval der Kulturen“ gewesen, kleiner als das Vorbild in Berlin, aber sicherlich nicht weniger bunt. Samba konnte gehört, Bachtanz bestaunt und Salsa gelernt werden. Künstler und Gäste stammten dabei aus aller Herren Länder, zuhause sind sie in Schweden.
Der Alltag im Einwandererland Schweden liegt vermutlich irgendwo dazwischen, und so wie es aussieht, flauen auch die Krawalle wieder ab. Auf Weltoffenheit und die großzügige Asylpolitik ist man in Schweden eigentlich stolz, wenngleich die Hürden mittlerweile angehoben wurden. Jugendarbeitslosigkeit und steigende Ungleichheit lassen sich kaum leugnen, aber die Wahrnehmung im Ausland und Warnungen für Reisende sieht man hier dann doch als übertrieben an.
Foto/Grafik: Anton Walsch
Diese Kolumne ist Teil der Reihe “Biss ins knäckebröd”. Weil jeder ein bisschen Schweden abbekommen sollte, schreibt Anton seit dem 28. Januar jeden Montag über sein Auslandssemester an der Universität Uppsala. Hier kommst du zu den bisher erschienen Kolumnen.