knäckebröd-Titelbild„Non vitae, sed scholae discimus“ – wie viel Verdruss steckte wohl schon in diesem Satz, als ihn Seneca zu Papier brachte? Und wie viel mehr Leid bedeutet er den Generationen jener, die ihn später im Lateinunterricht zu übersetzen hatten? (Ich selbst muss den größten Teil dessen, was ich in fünf Jahren am Gymnasium gelernt habe, nicht nur vergessen, sondern auch verdrängt haben.)

Studenten in Uppsala haben aus dieser Not eine Tugend gemacht („fac de necessitate virtutem“): sie haben antike Dramen – „spectacula“ – aufgeführt. Das war zwar schon um 1550, eine daraus entstandene Tradition hat sich aber bis heute erhalten. „Spex“ heißt das ganze nun und ist freilich nicht mehr in Latein. Die Stücke werden selbst geschrieben, nicht selten treffen dann historische Figuren in neuen Konstellationen aufeinander.

spex

König Gustav beichtet seine Sünden.

So wird bei der Spexgruppe der „Upplands Nation“ König Gustav Vasa Ziel eines Mordkomplotts: der Reformator Olaus Petri möchte mit seiner neu gewonnen Freiheit die Königin ausspannen – aber die Kirchenmagd wollte ihrerseits den Priester für sich gewinnen und verrät das Vorhaben. Gustav, der übrigens mächtig stolz behauptet, das Wasa-Knäckebrot erfunden zu haben, lässt die Königin köpfen, schickt Petri zu Martin Luther und heiratet kurzerhand die Magd.

Doch ein guter Plot ist längst nicht alles: in Uppsala sind die Dialoge traditionell gereimt, zwischendrin singen die Protagonisten umgedichtete Lieder. Von „I will survive“ bis zu „Time of my live“ mit filmreifer Tanzeinlage legen sich da die Schauspieler mächtig ins Zeug.

Dem ganzen Spektakel lässt sich wunderbar zuschauen, allerdings ist Passivität fehl am Platz: ruft jemand aus dem Publikum „Omstart“, was soviel wie Neustart heißt, müssen die Schauspieler die letzte Aktion wiederholen. Die wird dann oft verfremdet oder besonderen Wünschen angepasst. Heißt es zum Beispiel „Omstart Opera“ wird schon mal spontan eine Arie gesungen. Andere Sprachen, vertauschte Rollen, Gollum oder Zeitlupe – den Einwürfen der Zuschauer sind keine Grenzen gesetzt.

Drei Spex-Produktionen hab ich mir nun schon angeschaut, insgesamt gibt es hier wohl sechs oder sieben pro Jahr.  Bei einer Nation stürzte der „Rote Baron“ in einem französischen Schützengraben ab, während auf der anderen Seite der Front die Frau des deutschen Offiziers „General Blitzkrieg“ Deserteure zu Suppe verkochte. In einer weiteren aßen Karl-Martin aus Kalmar und Vektor aus Växjo vergifteten „Ostkaka“ und reisten fortan unsterblich durch die Geschichte, bis sie in der Zukunft schließlich ihre Gefühle füreinander entdecken durften.

Der Einfallsreichtum und das Engagement der Spexgruppen, die ausschließlich aus Studenten bestehen, ist jedenfalls beeindruckend. Man muss wahrlich nicht viel Schwedisch verstehen, um von komischen Figuren, fetzigen oder emotionalen Liedern, verrückten Konstellationen und spontaner Improvisation äußerst gut unterhalten zu werden!

Fotos/Grafik: Anton Walsch

knäcke1Diese Kolumne ist Teil der Reihe “Biss ins knäckebröd”. Weil jeder ein bisschen Schweden abbekommen sollte, schreibt Anton seit dem 28. Januar jeden Montag über sein Auslandssemester an der Universität Uppsala. Hier kommst du zu den bisher erschienen Kolumnen.