Ich bin auf der Jubiläumsparty der „Kalmar Nation“ und das Greifswalder Motto „man kennt immer jemanden“ funktioniert hier mal wieder nicht. Das stimmt zwar nur halb, aber die Leute, die ich kenne, arbeiten gerade in der Küche oder am Einlass. Immerhin bin ich so umsonst hereingekommen. Für echte Schweden hilft in solchen Situationen nur eins: das Smartphone.
Ich heule mich also ein bisschen via WhatsApp aus, obwohl es dazu keinen guten Grund gibt, und werfe gedanklich den bisherigen webMoritz-Kolumnenentwurf über Bord. Eigentlich wollte ich über Katzen schreiben. Katzen – das wäre wohl ein neuer Tiefpunkt nach den Waschmaschinen geworden.
Hier in Uppsala gibt es nämlich einen Zebrastreifen extra für Katzen. Straßenverkehr mit Niedlichkeitsfaktor, könnte man meinen. Elche, Kängurus und Kröten, die in roten Dreiecken die Straße überqueren: das kennt jeder. Aber die Katze, die auch zahlreiche Sticker á la Streetart zu inspirieren scheint, ist nicht irgendeine und eigentlich ein Kater: „Pelle Svansläs“ – Pelle Ohneschwanz. Seit 1939 das erste, gleichnamige Kinderbuch von Gösta Knutsson erschienen ist, muss Pelle in den Gassen Uppsalas gegen die Diskriminierung ob seines von einer Ratte abgebissenen Schwanzes ankämpfen. Damit hat er es mit flauschig verpackter Kritik an rassistischen Ideologien neben Pippi Langstrumpf und Emil (alias Michel) in den klassischen schwedischen Gutenachtgeschichtenkanon geschafft.
Zurück zu Kalmar. Auf der Bühne spielt jetzt eine Band, die direkt aus den 70ern hergebeamt sein muss: Jeanshosen, Jeansblusen, Ponnies und Locken. Sie spielen lässige Rockmusik, die Befürchtung, dass sie gleich auf ABBA umsteigen, werde ich trotzdem nicht los. Die Stimmung ist gut und die Tanzfläche voll. Doch Uppsala wäre nicht Uppsala, wenn alle Leute einfach mal nur „normal“ gekleidet wären.
Irgendwo muss vorher eine Art indisches Gasque gewesen sein: es sind bestimmt ein Dutzend Herren im „white tie“ unterwegs, die Damen in Saris. Dazu haben sie scheinbar rosa Schals bekommen, die jetzt auch als Schärpe oder Turban im Umlauf sind. Mein Versuch, bei einem der Frackträger herauszubekommen, wo er denn herkomme, scheitert an einem unglücklichen Zusammenspiel aus Lautstärkepegel und Trunkenheit des Gefragten. Nun ist außerdem ein Filmparty-Überrest eingetroffen: an der Bar bestellen zwei Vampire und ein Joker Bier, ein Avatar kam gerade schon vorbei. Klingt komisch, ist es aber nicht: herausputzen und verkleiden, das scheint man hier zu mögen.
Mit den letzten Gitarrenklängen setzt dann irgendwelches Mainstream-Elektro-Gedöns ein. Zum Glück ist es hier keine Schande halb zwei zu gehen, meistens ist nach zwei Uhr sowieso Schluss. Gelohnt hat es sich trotzdem: die Liveband war gut und ein paar Bekannte hab ich doch noch getroffen.
Wer nun dennoch mehr über Pelle und vierpfötige Antidiskriminierungsanalogien wissen möchte, dem kann ich den entsprechenden Zeichentrickfilm aus den 80ern empfehlen. Vielleicht haben die Schweden ja dank Pelle gelernt, das Verschiedenheit gewinnbringend ist – wo sonst feiern Vampire friedlich zusammen mit Frackträgern?
Diese Kolumne ist Teil der Reihe “Biss ins knäckebröd”. Weil jeder ein bisschen Schweden abbekommen sollte, schreibt Anton seit dem 28. Januar jeden Montag über sein Auslandssemester an der Universität Uppsala. Hier kommst du zu den bisher erschienen Kolumnen.
Fotos/Grafik: Anton Walsch