Letzte Woche wurde ich auf den Boden der Wohnheimwirklichkeit geworfen. Seit Anfang April setzt der Betreiber seine Hausordnung um und schließt 22 Uhr die Waschmaschinenräume ab. Soll ich jetzt etwa wie alle anderen tagsüber eine Maschine buchen, erleben, wie Ungeduldige meine Wäsche aus der Trommel zerren, auf einen freien Trockner warten müssen?
Das mag vielleicht überheblich klingen, aber entspannt nachts waschen konnte bisher jeder, der nicht schon vor Mitternacht im Bett zu liegen gedachte. Jetzt sitze ich hier mit ein paar Schicksalsgenossen im Keller, während draußen die Sonne scheint. Die Symphonie aus Spülen, Pumpen, Schleudern und Trocknen will auch mit geschlossenen Augen und großen Phantasieanstrengungen nicht zu einem Meeresrauschen werden. Vermutlich sitzen überall auf der Welt Leute gerade vor Waschmaschinen, gebannt in den Strudel aus Socken und Hosen starrend. Sollte man die Zeit nicht sinnvoller nutzen, ein Buch lesen? (Für den Schweden Hans Rosling ist dies das eigentlich magische an Waschmaschinen). Nicht einmal Glücksgefühle, überhaupt eine solche Maschine nutzen zu können, lassen sich herbei denken.
Vielmehr beobachte ich nun apathisch, wie ein dubioser Typ, der mit etwa 50 Jahren sicherlich kein Bewohner hier ist, gleich drei Waschmaschinen in Benutzung nimmt. Über mein Wohnheimdasein zu klagen ist eigentlich unberechtigt. Fünf Minuten Fußweg sind es zur Uni, zwei Minuten zum Supermarkt, der täglich bis 23.31 Uhr geöffnet hat – eine Minute länger als die Konkurrenz. Viele andere dagegen wohnen außerhalb, zum Beispiel in Flogsta, dem „Studentenghetto“. Trotz legendärer Dachpartys und 70er-Platten-Charme scheint der Frust dort so groß zu sein, dass er kollektiv jeden Abend um 22 Uhr aus den Fenstern geschrien werden muss. „Flogsta Scream“ nennt sich diese Tradition.
Besonders die kleinen Tücken des (Wohnheim-)Alltags schlagen eben manchmal unberechtigt schwer aufs Gemüht. Wenn man dann auch noch zum Warten verdammt ist, kann man eigentlich nur noch platzen – oder sich der Nichtigkeit seiner Probleme bewusst werden. Irgendwo hat dann zum Glück immer jemand eine Tüte Mitleid auf Vorrat.
Fotos/ Grafik: Anton Walsch; Mitleidstüte: Natalie Rath
Diese Kolumne ist Teil der Reihe “Biss ins knäckebröd”. Weil jeder ein bisschen Schweden abbekommen sollte, schreibt Anton seit dem 28. Januar jeden Montag über sein Auslandssemester an der Universität Uppsala. Hier kommst du zu den bisher erschienen Kolumnen.