Samstag war es mal wieder so weit: die Weltgemeinschaft reichte sich die Hände und rettete ihren Heimatplaneten. Rund um den Globus gingen dafür 20.30 Uhr die Lichter aus – und nach einer Stunde wieder an. Da lässt sich auch die Universität Uppsala nicht bitten: die altehrwürdige Bibliothek „Carolina Rediviva“ blieb dunkel.
„Earth Hour“ nennt sich das jährliche Spektakel, mit dem Umweltschützer ein Zeichen setzen wollen. Hunderte Länder, tausende Städte und unzählige Menschen machen mit. Die Idee ist einfach: elektrisches Licht verbraucht Energie, und wenn wir weiter soviel davon verbrauchen, wird es bald richtig zappenduster. Dass dafür eine einzige Stunde nicht reicht, wissen auch die Veranstalter. „60+“ steht deshalb auf dem Logo der Kampagne – wir lassen das Licht am besten gleich aus.
Wie viele Schweden sich dafür begeistern können, kann ich nicht sagen. Vermutlich ist ihre Zahl aber nicht allzu groß, den ganzen Winter über war es lange genug dunkel. Wohl auch deshalb haben viele hier Tischlampen im Fenster stehen. Und weil Schweden schon 2009 wieder vom Ausstieg aus der Atomkraft ausgestiegen ist und weiterhin 40 Prozent der Energie per Kernspaltung produziert wird, sind die Stromkosten vergleichsweise niedrig („aber nur ohne Folgekosten“ denkt sich da gleich der Atomkraftkritiker). Vielleicht ist es auch deshalb eher halbherzig, die Bibliothek für die Earth Hour ins Rennen zu schicken: weder ist sie außen stark beleuchtet, noch hat sie Samstagabend geöffnet.
Überhaupt möchte mir das ganze Konzept nicht ganz einleuchten. Licht ist ohne Frage ein starkes Symbol – aber eigentlich doch ein positives. Seid wir Menschen es gelernt haben Feuer zu bändigen, nutzen wir auch dessen Licht. Im Schein der Fackel wurden Höhlenwände bemalt, bei Kerzenlicht Bücher geschrieben und die Glühbirne stand für Fortschritt, bis die EU sie verbannte. Damit nicht genug: gelegentlich geht uns „ein Licht auf“ oder wir finden Erleuchtung, Jesus von Nazareth ist „das Licht der Welt“ (Joh, 8,12) und auf ebenjenes hoffen wir am Ende des Tunnels. Sollten wir es also wirklich ausschalten? Und all die Menschen mit den Paraffinkerzen warten doch eigentlich nur darauf, dass ihre hübschen Wahrzeichen nach einer Stunde wieder erstrahlen, das gutes Gewissen gibt es gratis dazu.
Wenn ihr die Earth Hour verpasst habt, geht davon also kaum die Welt unter. Ihr könnt sie zudem ganz einfach nachholen: schaltet das Licht aus! Und wer auf Stimmung setzt, sollte dazu bei Kerzenschein den „Earth Song“ singen. Ob wir damit ein Umweltbewusstsein schaffen, bleibt – die Intention in allen Ehren – fraglich. Vielleicht haben wir es ja auch mit einer weltweiten Verschwörung leichtgläubiger Rentenversicherungen zu tun. Codewort: Rente mit 60+.
Diese Kolumne ist Teil der Reihe “Biss ins knäckebröd”. Weil jeder ein bisschen Schweden abbekommen sollte, schreibt Anton seit dem 28. Januar jeden Montag über sein Auslandssemester an der Universität Uppsala. Hier kommst du zu den bisher erschienen Kolumnen.
Wenn ich in Schweden oder Finnland wohnen würde, würde ich mich auch nicht dafür begeistern lassen. Vielleicht im Sommer aber nicht um diese Jahreszeit. Ist ja schon dunkel genug in Deutschland