Täglich entlarve ich mich hier als konservativ, technophob, Old School. Ich verweigere mich dem Fortschritt, möchte einfach nicht einsehen, warum ich überall nur noch mit Kreditkarte bezahlen soll.
Damit schwimme ich gegen den Strom: ganz Skandinavien ist anscheinend seit ein paar Jahren dabei, das Bargeld abzuschaffen. Schon jetzt zahlt hier fast jeder elektronisch, nur eine Minderheit, wohl zum großen Teil Rentner, kramt noch Scheine und Münzen aus der Tasche.
Zahlen mit Karte ist ohne Frage schnell und praktisch, im Supermarkt, in der Studentenkneipe und selbst am Hot Dog Stand ist das hier Standard. Damit das Portemonnaie trotzdem nicht leer wird, gibt es eine Vielzahl bunter Kreditkarten, die Avantgarde zahlt per Smartphone. Akribisches Münzenzählen war gestern.
Eine breite Front aus Banken, Gewerkschaften und Unternehmen ist es, die Münzen und Scheine verbannt sehen möchte. Sie sparen nicht nur die Kosten des Bargeldkreislaufs, sondern Kreditkartenzahler geben in der Regel mehr aus. In ganz Skandinavien hat es außerdem zum Leidwesen vieler Bankangestellter und Kassierer in den letzten Jahren immer wieder filmreife Überfälle gegeben, im Supermarkt verschwinden deshalb Scheine und Münzen gleich in nicht erpressbaren Kassenautomaten. Da ziehen auch die Behörden mit: Steuerhinterziehung und Geldwäsche wird schwieriger. Prostitution und Drogen sind sowieso verboten, da zahlt keiner freiwillig mit Karte.
Klingt das eigentlich nicht doch überzeugend: einfacher, sicherer, günstiger? Zugegeben, meine Kreditkarte möchte ich tatsächlich nicht missen, aber eben auch nicht das gute alte Bargeld. Denn seine Vorzüge sind kaum zu schlagen: die Bank muss nicht wissen, wo ich gerade bin oder dass ich schon wieder 20o Kronen im Systembolaget gelassen habe. Und was würde wohl aus all den Straßenmusikern, „Haste-mal-ne-Mark“-Punks und Trevi-Brunnen dieser Welt werden? Stecken wir bald American Express Karten in Soli-Kassen? Und was wird aus König Carl XVI Gustav von Schweden, dessen Konterfrei in die Eine-Krone-Münze geprägt ist? Arno Schmidt brachte es auf den Punkt: Bargeld ist „gepresste und getrocknete Freiheit“!
Komplett nutzlos ist Bargeld aber bisher nur in den schwedischen Bussen. So wird es wohl noch eine Weile dauern, bis auch die letzte Münze in einem dieser unsäglichen Kassenautomaten verschwindet. Und selbst dann: in Tagebüchern, Schatzkästchen oder Sofaritzen werden ein paar Kronen die seelenlosen Plastikkarten überdauern.
Fotos/ Grafik: Anton Walsch
Diese Kolumne ist Teil der Reihe “Biss ins knäckebröd”. Weil jeder ein bisschen Schweden abbekommen sollte, schreibt Anton seit dem 28. Januar jeden Montag über sein Auslandssemester an der Universität Uppsala. Hier kommst du zu den bisher erschienen Kolumnen.