knäckebröd-TitelbildHerausgeputzt sitze ich bei einem Bankett. Wie konnte das passieren – studiere ich denn Medizin? Keinesfalls, aber das „Gasque“ ist hier in Uppsala eine echte Studententradition.  

Als guter Austauschstudent lasse ich mir das natürlich nicht entgehen. Sektempfang, Drei-Gänge-Menü, Bühnenprogramm – gehobene Gesellschaft gibt es für alle, die vorher eine Karte gekauft haben. Auch ein Dresscode darf nicht fehlen. „Cocktail“ ist angesagt, heißt für mich: Anzug. Einzig meine Straßenschuhe bleiben ein letzter Vorbehalt Greifswalder Bequemlichkeit.

Nun stehe ich also in der Lobby meiner „Nation“ und plaudere mich warm. Die 13 Nationen hier haben zwar die gleichen Vorfahren wie die Studentenverbindungen, sind heute aber eher eine Mischung aus AStA und Studentenwerk. Ist man Mitglied in einer, kann man auch das Angebot der  anderen wahrnehmen. Von Wohnung, Engagement, Theatergruppe bis zu Pub und Party läuft über sie das gesamte Leben außerhalb der Uni, ebenso die zahlreicher Studententraditionen.

Eine davon ist eben das Gasque, bei dem nicht einmal die Sitzordnung dem Zufall überlassen wird: Dame, Herr, Dame, Herr. Dank Listen und Namenskärtchen finde ich bald meinen Platz im Festsaal. Dort steht auch schon die Vorspeise, außerdem drei Mal Besteck, fünf Gläser und Stoffserviette, alles ganz schick. Damit nicht genug, der Toastmaster erklärt gleich die Regeln zum Anstoßen: Dame rechts, Dame links, Dame gegenüber, trinken und in umgekehrter Reihenfolge noch einmal. Die Damen selbst haben natürlich jeweils die andere Richtung, nur die Geschwindigkeit muss jetzt noch passen.

Banketten

Studium mit Chic

Langeweile kann jedenfalls nicht aufkommen. Es werden Reden gehalten, vorgetanzt, der Chor singt. Jeder Beitrag wird mit einem Trinklied beehrt – und natürlich wird angestoßen. Gesungen wird auch zwischendurch, es gibt extra ein Liederheft. Wer kein Schwedisch kann, versucht es mit der phonetischen Transkription in sinnfreie Englische Sprache. Reguliert sind allerdings auch die Getränke: Ein Bier, ein Aquavit, zwei Gläser Wein, mehr gibt es nicht. Die Stimmung ist heiter, das Essen aus der hauseigenen Küche schmeckt.

Der Abschluss ist noch einmal ein echter Höhepunkt und, wie alles andere auch, Tradition. Das Lied „O gamla klang o jubeltid“ wird gesungen, dabei je nach Vers auf den Tisch geschlagen oder das Glas erhoben, bald stehen alle auf ihren Stühlen. Mein Versuch mitzusingen scheitert an diesem ganzem Aktionismus. So ein Gasque birgt zwischen den ganzen Formalitäten eben auch eine Menge Humor und Feierlaune. Und noch lange ist nicht Schluss, die nun beginnende Party ist genauso fester Bestandteil.

Die Schweden hier lieben das Gasque, es gibt jede Woche welche. Und tatsächlich: es ist ein großer Spaß. Ich frage mich allerdings, warum es dafür so schick zugehen muss. Vielleicht ist es die egalitäre Gesellschaft – High Society für alle. Ist es Glamour, Tradition, Elite-Uni? Oder geht es um eine Vorbereitung für die Karriere? Ich werde es beim nächsten Mal herauszufinden versuchen!

Fotos/ Grafik: Anton Walsch; Gasque: via Flickr von Arkivet inom TLTH, CC-BY-NC 2.0

 

knäcke1Diese Kolumne ist Teil der Reihe “Biss ins knäckebröd”. Weil jeder ein bisschen Schweden abbekommen sollte, schreibt Anton seit dem 28. Januar jeden Montag über sein Auslandssemester an der Universität Uppsala. Hier kommst du zu den bisher erschienen Kolumnen.