Seit August 2012 ist Linda van Coppenhagen im Theater Vorpommern zu bewundern. Rund 14 000 Kilometer von ihrer Heimatstadt Johannesburg entfernt, sang sie unter anderem bereits die Königin der Nacht in Mozarts Zauberflöte.
Mit einem Bachelor in Psychologie im Gepäck und der Sonne Afrikas im Herzen kam Linda van Coppenhagen im Januar 2010 nach Deutschland. Und traf neben einer fremden Kultur und einer noch schwierigeren Sprache vor allem auf Kälte. Unterkriegen ließ sie sich davon jedoch nicht. Ihre Liebe zur klassischen Musik führte sie schließlich nach Greifswald, wo sie nun für zwei Jahre als Solistin zu sehen und – viel wichtiger – zu hören sein wird. Van Coppenhagens Weg auf die Bühne war kein typischer: Entdeckt bei einem Vorsingen für ein Amateurmusical, dachte sie zunächst keineswegs an eine große Gesangskarriere. Was nütze es ihr, wenn sie nie so singen könne wie Celine Dion oder Whitney Houston, sagte sie sich und schloss erst einmal ihr Studium ab. Doch die Worte, die ihr damals mit auf dem Weg gegeben wurden, ließen sie nicht los: „Mein Gott, warum bist du nicht Sängerin?“ und so nahm sie 2007 ihre erste Gesangsstunde. Gleichzeitig arbeitete sie Vollzeit als Englischlehrerin an einem Gymnasium.
Bereits in ihrer Kindheit besaß van Coppenhagen eine Leidenschaft für klassische Musik. Operngesang fand sie allerdings furchtbar. Ob es an den schlechten Aufnahmen von damals lag, könne sie nicht sagen, jedenfalls wollte sie von Opern nichts wissen. Erst als sie selbst im Chor einer Opernproduktion mitwirkte, wusste sie, sie werde alles im Leben aufgeben, damit sie diesem Beruf nachstreben könne. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits Mitte 20 und musste mit jüngeren Sängerinnen „konkurrieren“, ein Wort, das die heute 30-jährige überhaupt nicht mag. Glücklicherweise gelang es ihr, diesen Rückstand aufzuholen.
Den Ratschlag ihres Gesangslehrers befolgend entschloss sie sich nach Deutschland zu kommen. Ihre erste Hürde bestand nun darin, sich in einer fremden Kultur zurechtzufinden. Sich der deutschen Mentalität anzupassen, war eine große Herausforderung für sie. Hier leben mehr Menschen auf engerem Raum, ein Zustand, der mehr gegenseitige Rücksichtnahme erfordere als im weiträumigen Südafrika. „Hier musste ich alles irgendwie einschränken, ich musste mich anpassen. Es war für mich nicht leicht und ich bin einfach, wie ich bin. Ich kann meine Seele nicht so einschränken.“ Ihre größte Umstellung war allerdings das Klima. Im Januar 2010 kam sie nach München, vom südafrikanischen Sommer in den deutschen Winter. Mittlerweile hat sie sich aber recht gut an die Kälte gewöhnt und schmunzelt über Freunde in ihrer Heimat, die sich über fünf Grad Celsius im Januar beschweren.
Auch das Problem der Sprache hat Linda van Coppenhagen, deren Muttersprache Afrikaans ist, inzwischen erfolgreich gemeistert. „Ich musste schon ziemlich viel investieren, meine Zeit und überhaupt meinen Geist“, so die Sängerin, die in sechs Sprachen singen kann. „Man muss es wollen! Sonst kann man es nicht lernen, dann wird es 20 Jahre dauern, bevor man Deutsch spricht.“
Doch trotz aller Schwierigkeiten hat Linda van Coppenhagen viele Aspekte ihres neuen Zuhauses entdeckt, die sie inzwischen lieb gewonnen hat. Hierzu gehören die Menschen, deren Wärme und Ehrlichkeit sie sehr schätzt. Daraus erklärt sich für sie auch, „warum Musik, Kunst und Kultur in Deutschland so phantastisch sind. Und ich werde hier bleiben, so lange ich darf und kann.“
In der Mentalität ihrer Landsleute stellt die Südafrikanerin vor allem Unterschiede zwischen Arm und Reich fest: „Die Südafrikaner, die fast nichts haben, sind oft so strahlend wie die Sonne, das vermisse ich. In Südafrika gibt es nicht so viel Arbeit, wir tanken nicht selber, sondern es gibt Leute, die für uns tanken und nebenbei die Scheiben sauber machen. Und wie sie singen, sie sind so fröhlich. “
In einem Gespräch mit der Künstlerin wird schnell deutlich, welchen großen Stellenwert die Natur für sie besitzt. So vermisst sie zum einen die Wildnis und die Sonne Afrikas, die unbeschreiblichen und zugleich unheimlichen Gewitter. Ebenso den Geruch der Buschfeuer, den man selbst in den Städten wahrnehmen kann. Andererseits habe sie sich aber auch in Norddeutschland dank der Natur sehr schnell wohl gefühlt. „Ich wohne ganz nah am Hafen in Stralsund. Drei Minuten, dann habe ich Platz, ich sehe das Wasser, ich sehe den Himmel. Und hallo, Ostsee! Wie viel schöner kann man es denn haben? Diese Gegend ist einer der schönsten Orte Deutschlands.“
Einen weiteren, überaus wichtigen Unterschied zu ihrer Heimat erkennt die Sängerin an der ihr in Deutschland gewährten Freiheit: „Musikalisch und in einer bestimmten Art, die ich noch nicht ganz beschreiben kann, fühle ich mich in Deutschland freier als in Südafrika.“ Ein Grund hierfür sei die hohe Kriminalität in Südafrika, insbesondere Johannesburg. Hier habe sie stets Pfefferspray bei sich getragen. Deutschland sei dagegen ein sicheres Land. Hier traue sie sich auch nachts alleine auf die Straße und vergesse sogar gelegentlich, Türen oder Fenster ihrer Wohnung zu schließen. Freiheit habe sie aber auch musikalisch inspiriert: „Ich kam nach Deutschland und hatte die Gelegenheit, mich in der Musik auszudrücken. Eine Gelegenheit, die ich nicht unbedingt so stark in Südafrika hatte.“
Für die Zukunft hat die aufstrebende Sopranistin große Pläne. Sie habe viele Traumrollen, die sie gerne auch an großen Häusern spielen würde. Eine dieser Traumrollen hat sie im Theater Vorpommern bereits bekommen: Ab kommenden März wird sie Gilda in Verdis Rigoletto verkörpern. „Das ist für meine Stimme im Moment die beste Rolle, die es gibt. Das geht nicht nur über die Musik, sondern auch über diesen Charakter. Dieses junge Mädchen ist wahnsinnig mutig, ehrlich und unschuldig. Es wird für mich eine Ehre sein, diese Rolle zu spielen.“
Trotz Quereinstieg bereut Linda van Coppenhagen nichts. Schließlich könne man im Leben nicht alles planen und die richtigen Dinge passieren manchmal, wenn man es gar nicht erwartet. „Alles, was ich hier zu lernen habe und was ich erfahren darf, will ich komplett genießen! Ich habe hart gearbeitet und lange gewartet, um einen festen Job in einem Theater zu bekommen.“
Ein Portrait von Preciosa Alberto, Anne-Marie Martin & Katharina Stegelmann; Fotos: Preciosa Alberto (Portrait) & privat (Theaterszene)