An den Theatern in Mecklenburg-Vorpommern muss viel Geld gespart werden. Das Land ließ ein Konzept mit neun Modellen anfertigen, die Grundlage für die Diskussion sein sollen. Bis Ende des Jahres soll eine Entscheidung fallen.
Viele Zahlenspiele wurden in den letzten Monaten rund um die acht Theater in Mecklenburg-Vorpommern veranstaltet. Schon seit Längerem wird diskutiert, wie eine neue Theaterstruktur in Mecklenburg-Vorpommern aussehen könnte. Grund: Die Landeszuschüsse an Theatern und Orchestern wurde bei knapp 36 Millionen Euro pro Jahr bis 2020 eingefroren und viele der Einrichtungen rutschen immer weiter ins Defizit. Auch die Kommunen können die Theater nicht noch stärker unterstützen. Der Einsparbedarf wird auf rund 12 Millionen Euro im Jahre 2020 gegenüber 2011 geschätzt, vor allem wird dies durch steigende Personalausgaben bedingt.
Wie kann man dieser finanziellen Abwärtsspirale entgegenwirken? Die Metrum Managementberatung aus München hat vom Land den Auftrag bekommen, mögliche Modelle zu entwickeln unter der Prämisse, dass die Landeszuschüsse nicht erhöht werden. Im September stellte der Kultusminister Mathias Brodkorb (SPD) die neun erarbeiteten Modelle vor. Zudem konnten die Bürger Mecklenburg-Vorpommerns online über die Modelle abstimmen. Den wenigsten Zuspruch fanden die Konzepte, bei denen alles so bliebe wie bisher beziehungsweise nur durch Kooperationen Einsparungen vorgenommen würden. Für alle anderen Ideen entschieden sich zwischen 11,23 und 12,43 Prozent der Teilnehmer. Brodkorb wollte damit ein erstes Meinungsbild erhalten.
Auch einige Träger und Vertreter der Theater wurden auf einer Sitzung des Kulturausschusses des Landtags am 21. November zu den Modellen befragt. Dirk Löschner, der Intendant und Geschäftsführer des Theater Vorpommerns, bemängelt, dass nur wenige Vertreter eingeladen wurden sein und dass es nur eine einzige Anhörung gegeben habe: „Da hat man schon den Eindruck bekommen, als ob der Kulturausschuss das nicht sehr ernst nimmt.“ Die Ausschussvorsitzende Ulrike Berger (Bündnis 90/Die Grünen) hielt die Anhörung auf jeden Fall für sinnvoll und insofern erfolgreich, dass noch einmal viele Probleme deutlich geworden seien. Konkret habe sich gezeigt, dass „die meisten Sachverständigen eine Erhöhung der Landesmittel deutlich vor dem Jahr 2020 für notwendig halten.“ Eine Dynamisierung der Zuschüsse hält auch Löschner für essentiell, sonst seien die neuen Strukturen sofort wieder in ihrem Bestand gefährdet.
Zusammenlegung bringt Stellenabbau mit sich
Wenige Tage nach der Anhörung traf sich der Koalitionsausschuss, um eine Entscheidung über die weitere Vorgehensweise zu treffen. Das Ergebnis: Sowohl das Modell der zwei Landesopern als auch das „Zwei-Staatstheater-Modell“ sind in der engeren Auswahl und sollen weiterentwickelt werden. Beiden Modellen gemeinsam ist die Aussicht auf Personalabbau durch Stellenkürzungen, eine mehrheitliche Trägerschaft des Landes sowie die Voraussetzung, dass in Rostock ein Theaterneubau vorgenommen wird.
Die Einrichtung von zwei Landesopern würde bedeuten, dass die Rostocker und Schweriner Sparten Konzert und Musiktheater miteinander fusionieren und eine Landesoper bilden. Die Zweite wird aus den jeweiligen Sparten des Theaters Vorpommerns sowie Neubrandenburg und Neustrelitz gebildet. Die übrigen Sparten wie Schauspiel und Ballett bleiben an allen Spielorten bestehen. Der Einspareffekt wird auf 9,8 Millionen Euro geschätzt, indem unter anderem rund 160 Arbeitsplätze abgebaut werden. Die restlichen 2,2 Millionen Euro müssten dann bei den anderen Sparten gekürzt werden.
Die zweite Lösungsmöglichkeit, die die Landesregierung anvisiert, ist der Aufbau von zwei Staatstheatern. Diese würden aus einer Fusion der Theater Schwerin und Rostock zum einen sowie des Theaters Vorpommern und der Theater- und Orchestergesellschaft Neubrandenburg/Neustrelitz hervorgehen. Der Personalabbau würde sich dabei in einer Größenordnung von ungefähr 220 Stellen bewegen, was zu der Einsparung von rund 13 Millionen Euro pro Jahr beitragen würde.
Distanzen werden zu groß
Trotz des großen Stellenabbaus könne ein gleichwertiges Programm angeboten werden, schreibt die Unternehmensberatung in ihrem Abschlussbericht. „Das halte ich für Zweckoptimismus“, kontert Löschner. Er rechnet hingegen damit, dass das Angebot ausgedünnt werde und die schon bestehenden Lücken im Spielplan sich noch vergrößern würden. „Es passiert sogar jetzt schon mal, dass wir an einem Freitag oder Samstag auch hier in Greifswald nichts anbieten können, weil wir keine Kapazitäten haben. Und das würde sich dann häufen“, so der Intendant Löschner.
Ein weiterer Kritikpunkt sind auch die großen Distanzen zwischen den einzelnen Theaterstandorten. Schon jetzt gebe es laut dem Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung Gerald Mertens so viele Programme, dass die Orchester am unteren Rand der Spielfähigkeit seien. Auch Löschner befürchtet, dass die zusätzlichen Reisedienste die Kapazitäten auffressen würden. Man müsste beispielsweise den Einsatz des Orchesters stark auf die einzelnen Standorte aufteilen.
Bei einer Fusion der Theater liegen die Spielorte in verschiedenen Landkreisen, wodurch man noch mehr von der Idee des Stadttheaters abkommt, was auch Berger kritisch sieht: „Die Theater sind für die jeweiligen Regionen sehr identitätsstiftend und deshalb gibt es eine große Verbundenheit der Menschen mit ‚ihrem’ Theater.“ Durch den größeren Einzugsbereich könne das Angebot nicht mehr speziell auf eine Stadt und ihr Publikum zugeschnitten werden, gibt Löschner zu bedenken: „Man kann dann keine stadtrelevanten Themen mehr aufgreifen und muss sich an dem Gros der Abnehmerstädte orientieren.“
Bis Ende des Jahres will die Landesregierung eine Entscheidung gefällt haben. Brodkorb bleibt bei diesem Ziel nicht mal mehr ein Monat Zeit, um mit den Trägern der Theater zu sprechen. „Das halte ich für völlig unrealistisch“, konstatiert Löschner. Er selbst rechne mit mindestens einem halben Jahr, in dem man sich intensiv mit den Modellen auseinander setzen müsse, um auf ihrer Grundlage praktikable Betriebsmodelle für die jeweiligen Theater ausarbeiten zu können.
Ein Bericht von Katrin Haubold & Susanne Triesch; Portraitfoto von Katrin Haubold