Über 60 Studienfächer, hunderte Lehrveranstaltungen, zig Fachkombinationen – all das muss bei der zeitlichen Abstimmung von Modulen und Veranstaltungen berücksichtigt werden. Meist erfolgreich, aber gelegentlich auch nicht, sehr zum Leidwesen der Studierenden.

Semesteranfang, neue Dozenten, neue Lehrveranstaltungen. Rechtzeitig eine Woche vor Semesterbeginn bastelt man sich im Selbstbedienungsportal den eigenen Stundenplan zusammen. Mal eben mit dem Studienverlaufsplan abgeglichen. Oh, da fehlt noch eine Veranstaltung. Fix auf Hinzufügen geklickt, gesichert und entspannt zurückgelehnt. Zur Sicherheit noch mal die Wochenübersicht anzeigen lassen. Montag frei, Dienstag 12 bis 18, Mittwoch 10 bis 12 und 10 bis 14… Halt Stop! Überschneidung? Och neee, nicht schon wieder!

Irgendwie sind sie jedem Studierenden schon mal begegnet: Zwei parallel liegende Lehrveranstaltungen, im schlimmsten Falle beides prüfungsrelevante Pflichtveranstaltungen. Im ersten Moment möchte man sich an den Kopf fassen und fragen: „Ist das denn wirklich so schwer, dafür zu sorgen, dass sich da nix überschneidet?!“ Wenn man kurz nachdenkt, merkt man: Ja, ist es. Immerhin gibt es an der Uni Greifswald an die 60 Studiengänge, nicht mit eingerechnet die vielen Kombinationen der Lehrämter und Zwei-Fach-Bachelor. Jeder Studiengang hat eigene Veranstaltungen, andere werden in Kooperation mit einem oder zwei weiteren Studiengängen abgehalten, Module wie General Studies sind für einen großen Teil der Studierenden Pflicht; und dann gibt es noch Sonderwünsche, Wiederholungstäter und so weiter. Studienkoordinator möchte man da nicht sein.

Bedenkt man die vielen möglichen Kombinationen von Studiengängen, so ist es eigentlich erstaunlich, dass es recht wenige Überschneidungen gibt. Und auch bei diesen versuchen Universität, Dozenten und Studierende flexible Lösungen zu finden. Nein, Zeitumkehrer wie den von Hermine Granger gibt es nicht. Dafür wird zum Beispiel auf moderne Technik gesetzt, um denjenigen, die an einer Veranstaltung nicht teilnehmen können, deren Nacharbeitung zu ermöglich. Das „GrypsCast“-Projekt des Rechenzentrums ist auf Wunsch von Dozenten und Studierenden vor Ort und zeichnet mit Kamera und Mikrophon die Vorlesung auf. Damit wird die Präsentation des Dozenten hinterlegt und online zur Verfügung gestellt. Obwohl sich das Projekt derzeit noch in der Testphase befindet, gab es bereits über 10 000 Zugriffe auf die 160 hochgeladenen Vorträge. Inwiefern sich diese Möglichkeit der Nacharbeitung auf die Anwesenheitsquote in den betreffenden Lehrveranstaltungen auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Schiebung!

Der klassische Lösungsansatz ist natürlich die Verschiebung einer der sich überschneidenden Veranstaltungen. Das kann zielführend sein, aber auch nach hinten losgehen, wie der Wirtschaftswissenschaftler Professor Martin Kloyer berichtet: „Im Sommersemester 2012 hatte ich eine SBWL (spezielle Betriebswirtschaftslehre)-Vorlesung zwei Mal, letztendlich auf einen Termin von 20 Uhr – 21.30 Uhr verschoben, mit der Folge, dass dann noch mehr Interessierte verhindert waren als ursprünglich.“ Seitdem sehe er von der nachträglichen Verschiebung von Lehrveranstaltungen ab.

Die Hauptursache für die Überschneidungen ist aus Sicht Kloyers die Heterogenität der Zuhörerschaft, die sich oft aus Studierenden verschiedenster Studiengänge zusammensetzt. Einige Lehrveranstaltungen sind einfach für viele Fachbereiche interessant. Dies führt dazu, dass die Stundenpläne unterschiedlicher Fakultäten koordiniert werden müssen, was wiederum in Koordinationsproblemen resultiert. Auch andere Dozenten, wie der Sozialpsychologe Doktor Edzard Glitsch, benennen die mangelnde Koordination zwischen den Instituten als größtes Problem: „Andere Fächer, die modulartig an unseren Lehrangeboten partizipieren möchten, stimmen sich zeitlich oder organisatorisch nicht auf unsere Zeiten ab.“

Zeiten, die bei der Vorlesung zur Sozialpsychologie genauso schwer zu ändern sind wie bei der parallel liegenden Veranstaltung „Technik des betrieblichen Rechnungswesens“. Die 450 Teilnehmer dieser Veranstaltung werden von einem Lehrbeauftragten betreut, dessen Lehr- auch mit seiner Berufstätigkeit abgestimmt werden muss. So kommt es, dass Studierende im Zwei-Fach-Bachelor Kommunikationswissenschaften und Wirtschaft jedes Jahr aufs Neue zeitlich herausgefordert werden. Zu ihrem Glück nimmt Glitsch die Dienste des „GrypsCast“-Projekts in Anspruch, so dass Verzögerungen im Studienablauf vermieden werden können.

Dauerhafte Problemlösung möglich?

Genaue Angaben darüber, wie viele Studierende der Universität Greifswald in ihrer Fachkombination von Überschneidungen betroffen sind, gibt es derzeit noch nicht. Allerdings wurden kürzlich im Rahmen einer Umfrage zur Studierbarkeit von der Universität Daten erhoben, welche zurzeit noch ausgewertet werden. Die Ergebnisse wurden am 6. November vorgestellt, ebenso das Projekt interStudies, das die Umfrage erstellt hatte. interStudies wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und hat unter anderem die Verbesserung der Studierbarkeit im fakultätsübergreifenden Bachelor und die sachgemäße Modularisierung des Lehramtsstudiums zum Ziel. Zwar steht das Projekt noch am Anfang, aber das zwölfköpfige Team unter der Leitung von Doktor Andreas Fritsch ist sehr engagiert bei der Arbeit.

Eine Garantie dafür, dass es in Zukunft für einige Studierende nicht zu Überschneidungen von Lehrveranstaltungen kommen wird, kann und wird es nicht geben. Dafür aber das Wissen, dass die Universität und die Dozenten ihr Möglichstes tun, uns einen Abschluss in der Regelstudienzeit zu ermöglichen.

Feature und Foto von Erik Lohmann