Zur Zeit erarbeit die Universität ein neues Leitbild. Bei einer Podiumsdiskussion mit etwa 80 Teilnehmern ging es unter anderem um die Konzentration auf Forschung und Lehre, den regionalen Bezug und weitere Ziele des Leitbildes.

Die Senatsvorsitzende Prof. Maria-Theresia Schafmeister erklärte, dass die Universität ein Leitbild habe, weil der Grundordnung (Universitätsverfassung) eine Präambel fehle. Das letzte Leitbild stammt aus dem Jahr 2000, der Senat entschied, ein neues zu verfassen und setzte eine Leitbildkommission ein. Laut dessen Vorsitzender Dr. Cornelia Mannewitz wurde seit September 2011 ein Entwurf des Leitbildes erarbeitet, den ihr euch hier herunterladen könnt. “Das Leitbild soll Identität stiften”, begann Moderator Prof. Patrick Donges. Es habe eine Legitimationsfunktion und solle über gesetzliche Aufgaben hinaus gehen.

Warum ein neues Leitbild?

Auf diese Frage antwortete Rektor Prof. Rainer Westermann: “Es ist glaubwürdiger, ein Leitbild zu haben”, was man pragmatisch für Anträge wie Akkreditierungen brauche.  Manchmal sei eine Modernisierung nötig, weil sich sonst nur wenige Hochschulangehörige mit dem Leitbild beschäftigten. Mannewitz äußerte, dass die konkreten Maßnahmen aus dem alten Leitbild abgearbeitet seien: “Wir müssen uns über neue Aufgaben Gedanken machen, auch was das Wesen unserer Universität ausmacht.” Das Leitbild diene dem inneren Funktionieren und der Orientierung nach außen. Die Gleichstellungsbeauftragte Dr. Cornelia Krüger verbindet mit dem Leitbild nachhaltige Geschlechtergerechtigkeit. Das studentische Senatsmitglied Erik von Malottki kritisierte, dass das Leitbild von 2000 in den Tiefen der Uni-Homepage versteckt sei, dadurch mangele es an Identifikation. Ein neues Leitbild sei wegen den Umbrüchen der Studienstrukturen nötig und solle beispielsweise beantworten, warum ein Bachelorabsolvent weiter in Greifswald bleiben um seinen Master zu machen.

Senatsvorsitzende Prof. Maria-Theresia Schafmeister, Dr. Cornelia Krüger, Prof. Wolfgang Joecks, Rektor Prof. Rainer Westermann, Moderator Prof. Patrick Donges, Dr. Cornelia Mannewitz, Prof. Jan-Peter Hildebrand, Student Erik von Malottki (v.l.n.r.)

“Der engstirnige Nationalist Ernst Moritz Arndt soll auch im Leitbild berücksichtigt werden”, forderte Erik, selber Mitglied in der Leitbildkommission, was im Entwurf momentan nicht der Fall sei. Hinein sollten auch Ziele wie die CO2-neutrale Universität. Westermann will im neuen Leitbild eine wesentliche Konzentration von Forschung und Lehre mit Orientierung an internationalen Standards verankern. Im Leitbild sollten sich auch gesellschaftliche Erwartungen niederschlagen. Erik sieht keinen Widerspruch in einer Konzentration auf Forschung und Lehre. “Die entscheidende Frage ist, ob das alles ist”, so Erik. Er sah bei der Konzentration einen zu engstirnigen Blick und fragte nach weichen Standortfaktoren wie Hochschulsport, sozialer Infrastruktur oder der studentischen Kultur. “Das Leitbild hat einen hohen ideellen Wert”, so der ehemalige StuPa-Präsident. Dagegen sprach sich Prof. Wolfgang Joecks für ein schlankes Leitbild aus: “Es ist nicht negativ, die studentische Kultur aufnehmen, es bringt aber nichts.”

Oberbürgermeister Dr. Arthur König wünscht sich einen stärkeren Stadtbezug.

Regionale Verbundenheit

Weiterhin ging es um die Frage, ob die regionale Verbundenheit in das Leitbild gehört. Jurist Joecks stellte eine Verbundenheit mit der Stadt hinsichtlich gemeinsamen Handels und der Kommunikation dar. Westermann ergänzte zur geographischen Lage die Verbindungen zu anderen Städten des Ostseeraums, mit der man auch Studenten anlocken wolle und wissenschaftliche Mitarbeiter hier halten wolle.  Greifswalds Oberbürgermeister Dr. Arthur König wünschte sich eine stärkere Betonung der Gemeinsamkeiten zwischen Stadt und Universität im Leitbild. Die Kleinheit könne man als Chance begreifen, so Joecks. “Ich bin nach Greifswald gegangen, weil hier der Kontakt zu Dozenten einfach ist”, ergänzte dazu die Promotionsstudentin Katja Guder.

Etwas Applaus erhielt Prof. Jürgen Kohler. Er plädierte dafür die Leitidee Wissenschaft beizubehalten. Auch müsse die Selbstfindung gelingen: “Der Weg zum Ziel ist genauso wichtig wie das Ziel”, lehnte der Jurist eine Hauruck-Aktion bei der Erstellung eines neuen Leitbildes ab, weil sonst die innere Akzeptanz fehle. Den bisherigen Prozess bezeichnete er als ein “Sammeln von netten Ideechen in einem Brainstorming”, für ein valides Leitbild sei jedoch viel schärfer Nachzudenken und nach einer oder mehreren zentralen Leitideen zu suchen. Man brauche eine Analyse nach Stärken und Schwächen für die Gegenwart und für die Zukunft eine Analyse nach Chancen und Risiken. Außerdem dürfe nicht in Banalitäten verfallen werden und sich auf Zielgruppen gerichtet werden. Dem stimmte Prof. Jan-Peter Hildebrand zu, aber “eine schonungslose Analyse wäre in einigen Bereichen hart”. Die stellenweise triviale Formulierung im Text habe den Vorteil, dass alle Universitätsangehörigen respektvoll miteinander umgingen.

Fehlende Partizipation von Mitarbeitern und Studenten?

Neben “Forschung und Transfer” sowie “Studium und Lehre” umfasst der Leitbildentwurf noch die Punkte “Vielfalt und Einheit” sowie “Menschen und ihre Institutionen”. Hier kritisierte Erik unter Applaus, dass Mitarbeiter und Studenten kaum Einfluss auf ihre Institute nehmen könnten. Joecks wandte ein, dass eine Uni nur begrenzt demokratiefähig sein könne, weil die Freiheit von Forschung und Lehre im Grundgesetz (Art. 5) als Beispiel keinen Einfluss Studierender auf die Vorlesung eines Dozenten zulasse. Jedoch: “Demokratie findet an der Universität durch Kommunikation und Transparenz statt, durch das Einbeziehen in Entscheidungsprozesse.” Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Hedwig Richter machte hier deutlich, dass die Partizipation wissenschaftlicher Mitarbeiter auf Institutsebene defizitär sei.

Kohler lockerte die Diskussion auf, indem er den Vergleich mit einer Kalbsleberwurst vorschlug

Prof. Jürgen Kohler mahnt an, im weiteren Erarbeitungsprozess "schärfer nachzudenken".

Prof. Jürgen Kohler mahnt an, im weiteren Erarbeitungsprozess "schärfer nachzudenken".

Jürgen Kohler warf als Ratschlag für den weiteren Leitbildprozess ein, künftig beim Ausformulieren auf das richtige Verhältnis von Banalitäten und den Spezifischen zu achten. Zur Veranschaulichung wählte er eine metaphorische Kalbsleberwurst, die nur schmecke, weil sie aus 85 Prozent Schwein (das Banale) und nur 15 Prozent Kalb (das Spezifische) bestünde. Das Banale wäre ein wichtiger Träger für die wirklich spezifischen Punkte im Leitbild, jedoch müsse dabei genau auf das richtige Mischungsverhältnis geachtet werden. Er legte der Kommission nahe, darauf Wert zu legen, die richtigen Methoden zu wählen und dabei die Bedeutung aller verwendeten Aspekte genau zu überprüfen. Richtig eingesetzt, habe das Leitbild schließlich operative Folgen, wenn dessen Ideen wirklich ernst genommen und umgesetzt werden sollten.

Katja Guder äußerte daraufhin, dass mit einem Leitbild eine Abgrenzung zu anderen Universitäten möglich sei, beispielsweise durch Forschung und studentischer Kultur. “Wir bekommen dann Prestige durch Spezifität.“

Abschließend betonte Mannewitz: “Das Leitbild muss zum Leben gebracht werden.” Demnächst entscheidet der Senat über das weitere Vorgehen. Joecks nahm resümierend den Stadtbezug und die Kommunikation im Mittelbau aus der Diskussion mit. Erik kündigte an, dass das Leitbild Thema der Vollversammlung am 26. Juni sein werde. “Die Änderungsanträge der Studierendenschaft werden wir dann in den Senat einbringen.”

Fotos: Johannes Köpcke