Weltweit haben fast eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser. Seit sieben Jahren setzt sich Viva con Agua im Rahmen der Welthungerhilfe für diese Problematik ein. Nun haben auch einige Greifswalder Wasser geleckt.
Zu dem Buchstabendschungel der Abkürzungen in unserer Hansestadt ist eine neue hinzugekommen. Neben GreiMUN, HKS und AStA gesellt sich nun auch VcA. Viva con Agua (VcA) ist eine Bewegung des Hamburger Fußballvereins St. Pauli, die durch lustige Aktionen versucht, Geld zu sammeln um in Entwicklungsländern Wasser- und Hygieneprojekte verwirklichen zu können. Zusätzlich wollen die Mitglieder ein Bewusstsein für die steigende Wasserproblematik schaffen.
VcA setzt sich seit Mai 2005 für alle Wasserprojekte der Welthungerhilfe ein und lässt sämtliche Einnahmen dem großen Partner als Spende zukommen. Der 28-jährige Medizinstudent und Begründer der Greifswalder Regionalcrew Hannes Schuler, kam auf die Idee, dieses innovative Projekt nun auch bei uns zu verwirklichen. Regionalcrew bedeutet, dass die Greifswalder weitestgehend unabhängig von der Kopforganisation arbeiten und eigenständig Aktionen rund um das Thema Wasserarmut organisieren. Es begann 2011 mit einem Flohmarktstand in der Fleischervorstadt unter dem Motto „Krempel und Co für H₂O“ und hat sich mittlerweile zu einer Gruppe von ungefähr zehn festen Mitgliedern entwickelt. Hannes erklärt: „Ich hab an dem Tag zig E-Mail-Adressen gesammelt und aufgrund dieses E-Mail-Verteilers kam es dann zum ersten Plenum.“ Mitmachen kann jeder, der Lust hat. Ob jung, ob alt, Zugezogener oder Original-Greifswalder, es sind alle herzlich willkommen.
Jährlich begeht die UN-Water als Sonderausschuss der Vereinten Nationen für das Erreichen der Millennium-Entwicklungsziele am 22. März den Weltwassertag, um auf die steigende Wasserarmut der Weltbevölkerung aufmerksam zu machen. In diesem Jahr gibt es überall auf der Erde große Aktionen zu dem Thema: „Die Welt ist durstig, weil wir hungrig sind“. Im Rahmen dieses Tages wird die ganze Welt und vor allem die Industrienationen dafür sensibilisiert, dass täglich Menschen an Wasserarmut sterben, während die großen Fabriken mehrere Millionen Kubikmeter von dem kühlen Nass verwenden um die stetig wachsende Nahrungsmittelindustrie zu sättigen.
In einem kleinen, aber feinen Rahmen haben sich nun auch Greifswalder dieser Problematik angenommen. Die wohl auffälligste Tat der VcA-Truppe war eine ihrer ersten Aktionen: Die Waschsalonparty. Hier wurde Wasser durch blaue Beleuchtung, einen eigenen DJ und große Besucherzahlen salonfähig gemacht. Es folgten weitere Veranstaltungen in den Studentenclubs C9 und Geokeller. Doch die Jungs und Mädels können nicht nur Party machen. Ein Kinoabend mit informativ kritischem Programm sollte Bewusstsein für die weltweite Wasserarmut in der Greifswalder Bevölkerung schaffen und geplante Bildungsprojekte in Schulen sollen die Jugend auf eine spaßige Art und Weise auf diese Thematik aufmerksam machen. Hannes und Kathrin, Mitglieder von VcA, betonen ganz deutlich: „Es geht eben nicht nur um den finanziellen Aspekt, sondern darum, auf lustige und kreative Art und Weise Veranstaltungen zu machen, ob Party- oder Kinoabend. Das Ganze nennt sich all profit.“
Die Regionalcrew möchte erreichen, dass jeder etwas von der Existenz der Ortsgruppe hat. Geld für Brunnen, Veranstaltungen für Greifswald und natürlich ganz individuelle und persönliche Erlebnisse für die Mitglieder. Momentan wirkt die Gruppe in Greifswald noch ein wenig unorganisiert. Die engagierten Mitglieder treffen sich unregelmäßig, aber stetig in privaten Wohnzimmern, ein Raum für die Crew fehlt leider noch. „Was aber eigentlich ganz cool ist, weil es so total familiär ist“, meint Hannes. Doch der planlose Eindruck entsteht nur im ersten Moment. Die Greifswalder Truppe musste sich im Hauptquartier Hamburg anmelden und steht in regelmäßigem Kontakt um Aktionen abzustimmen. Alles ist also sehr locker organisiert und feste Regeln gibt es kaum. „Nur manchmal gibt es kleine Kommunikationsprobleme mit dem Hauptbüro von St.Pauli, aber das regelt sich dann immer ganz schnell“, berichtet das Greifswalder Team.
Wer noch auf keiner Party von VcA war, hat vielleicht trotzdem schon mal die Wasserflaschen der Organisation, die es seit Neuestem in einigen Kneipen und Clubs in Greifswald zu kaufen gibt, gesehen. Diese kommen nicht direkt von der Regionalcrew, sondern dem Träger aus Hamburg. In den Variationen „leise“ und „laut“ gibt es das Wasser von einem Abfüller in Husum in immer mehr Lokalen und Geschäften Deutschlands zu kaufen. Der Händlererlös des Wassers geht zu 60 Prozent an VcA und damit direkt in weltweite Wasserprojekte. Das ist, sozusagen: Durst löschen und Gutes tun in einer Flasche. Der Vertrieb des Wassers soll den Verein von den Spendenfluktuationen loslösen, ist aber nicht die Hauptaufgabe von VcA. So kümmert sich die Greifswalder Crew nur nebensächlich darum, das Wasser in unserer Stadt bekannt zu machen.
Konkrete Großprojekte von VcA lassen sich in vielen Ländern wieder finden. So soll bis 2015 mit integriertem Wassermanagement im Norden Indiens die Wasserverfügbarkeit von drei Staaten gesichert werden. In Nicaragua werden 35 Brunnen gebaut um 2 100 Menschen mit sauberem Trinkwasser zu versorgen und in Tadschikistan soll durch VcA ein Trinkwassersystem entstehen. Das Geld für diese großen Projekte erwirtschaftet der Verein durch ganz besondere Formen des Fundraisings, welches eine Form der Mittelbeschaffung gemeinnütziger Organisationen ist. So geben nicht nur namhafte Bands wie Ton Steine Scherben oder Thees Uhlmann & Band für VcA Konzerte. Der Verein veranstaltet komplette Festivals um durch das Sammeln von Pfandbechern Geld für Wasserprojekte einzunehmen. Momentan steht das Becherbarometer bei 74 878 Pfandbechern und es werden immer mehr.
Durch diese sehr jungen Aktionen ist auch Kathrin Mangelsen, Kommunikations- und Politikwissenschaft-Studentin aus Greifswald, auf VcA aufmerksam geworden „und eine Woche später habe ich Hannes auf der Fête de la Musique mit seinem riesen Banner gesehen und dann ging das ratz fatz“, erklärt die gebürtige Hamburgerin. Seitdem ist sie fester Bestandteil der Greifswalder Regionalcrew. Besonders motivierend findet sie, dass man bei VcA im Gegensatz zu anderen Nicht-Regierungs-Organisationen selbst so aktiv sein könne und ganz nebenbei auch was für die Stadt tue, all profit eben.
Durch ihre einfallsreichen Aktionen konnten die Greifswalder Freiwilligen gegen Wasserarmut im Jahr 2011 um die 3000 Euro erwirtschaften und eine Menge Freude in der Hansestadt verbreiten.
Hannes hat VcA bei einem der jährlichen Tramprennen, bei denen seit 2006 für sauberes Trinkwasser um die Wette getrampt wird, kennen gelernt. Er war sofort davon begeistert, mit wie viel Leidenschaft sich die Leute für VcA einsetzen. Abgesehen von dem Hauptquartier und den fünf großen deutschen Zellen, arbeitet die Greifswalder Regionalcrew momentan noch losgelöst von großen Geldgebern. So arbeiten weder die Uni noch andere Unternehmen mit den Greifswalder Wasserkämpfern zusammen, doch für Kooperationen ist VcA-Greifswald immer offen.
Kathrin betont, dass nicht nur finanzielle Hilfe willkommen ist, sondern dass sie sich besonders über eine Zusammenarbeit freuen würden. Hannes ist da pragmatischer: „Wenn Leute eher Bock haben, uns finanziell zu unterstützen, warum nicht.“ In diesem Sinne: „Wasser ist nicht alles, aber ohne Wasser ist alles nichts.“
Ein Bericht von Lisa Klauke-Kerstan