Bis zum Wintersemester soll in Greifswald das Lehramtsstudium modularisiert sein. Die Institute müssen bei der Erstellung der Studien- und Prüfungsordnungen mit späten Vorgaben vom Bildungsministerium und hohem Zeitdruck kämpfen.



Eine kleine Anekdote, die zeigt, wie einfach es sein kann, die Studienstruktur hunderter Studenten zu verändern: Im letzten Semester wurde das Zulassungsgespräch zum Hauptstudium für die Lehramtsstudenten in der Anglistik/Amerikanistik ausgesetzt. Ein Student klagte dagegen, da das Zulassungsgespräch in der Prüfungsordnung gar nicht vorgesehen ist. Mit der Aussetzung beziehungsweise kurzzeitigen Abschaffung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es wieder eingeführt werden könnte. Das sorgte bei den Englischstudenten für Ärger und Verwirrung: Wer das Gespräch schon absolviert hatte, ärgerte sich, dass den künftigen Studenten die Prüfungsleistung erspart bleiben sollte; die niedrigeren Semester fragten sich, was das jetzt für sie bedeutete. Dann wurde die alte Prüfung kurzerhand als Orientierungsgespräch wieder eingeführt und fand im März zum ersten Mal statt.

Ob das Orientierungsgespräch für die Lehramtsstudenten, die im kommenden Wintersemester anfangen werden, beibehalten wird, ist ungewiss. Allerdings werden sie auch zu ganz anderen Bedingungen studieren, denn die Lehramtsstudiengänge werden zurzeit modularisiert. Bis zum Wintersemester 2012/2013 soll die Umstrukturierung beendet sein, so schreibt es das neue Lehrerbildungsgesetz vor, das am 1. August 2011 in Kraft trat (moritz Magazin 93). Für die Umsetzung sind viele Änderungen nötig, für die die Akteure aber wenig Zeit vom Land bekommen haben. Unter anderem müssen die Studien- und Prüfungsordnungen ganz neu erarbeitet werden, denn der neue Studienaufbau ist in Deutschland einzigartig: Das Greifswalder Lehramtsstudium der Zukunft untergliedert sich wie die Bachelor- und Masterstudiengänge in Module, die Abschlussprüfungen bleiben jedoch weiterhin Staatsprüfungen.

Anfang April müssen die neuen Ordnungen schon feststehen. „Wir hatten nur wenige Monate Zeit und kannten die zugrunde liegende Lehrerprüfungsverordnung nicht, auf welcher unsere Prüfungs- und Studienordnungen basieren sollen“, erklärt Professor Patrick Donges, Studiendekan der Philosophischen Fakultät.

Auch Prorektor Professor Michael Herbst sagt: „Wir schreiben an manchen Punkten sozusagen in den Nebel hinein.“ Erst Mitte Februar lag ein erster Entwurf der Lehrerprüfungsverordnung vor. Der Gesetzgeber habe nicht gesehen, dass die Universitäten Zeit brauchen, bis die Ordnungen durch alle Gremien oder die Qualitätssicherung durchgegangen und juristisch geprüft sind, so Donges. Das überhastete Vorgehen, der daraus resultierende Zeitdruck sowie die völlig unklaren Rahmenbedingen stießen an der Universität auf großes Unverständnis.

Donges kann auch nicht dafür bürgen, dass nicht in der ein oder anderen Ordnung noch Fehler enthalten seien oder dass etwas nicht genau durchkalkuliert wurde. Prorektor Herbst hingegen sagt: „Die Universität Greifswald wird nicht schlechte Arbeit abliefern, nur weil es schnell gehen soll.“ Die Modularisierung an sich kritisiert man aber nicht. Die komme laut Donges den Studenten entgegen, denn „wir haben bisher in den Lehramtsstudiengängen das Problem, dass diese in der Regelstudienzeit schwer zu schaffen sind, da kann eine Modularisierung hilfreich sein.“ Zusätzlich zur neuen Studienstruktur wurde auch die Regelstudienzeit geändert. Diese Erhöhung von neun auf zehn Semester sollte den Studenten entgegenkommen, denn sie entspannt das Studium und macht es den Studenten auch möglich, ein Semester länger BAföG zu erhalten.

In Greifswald kann man weiterhin Lehramt auf Gymnasium und auf Regionale Schulen studieren, alle anderen Schulrichtungen gibt es in Rostock. Aus Kapazitätsgründen soll nur noch eine Immatrikulation im Wintersemester möglich sein, wogegen sich aber die Arbeitsgemeinschaft (AG) Lehrerbildung des Studierendenparlaments (StuPa) ausgesprochen hatte. Ihr Vorsitzender ist Marco Wagner, der zugleich auch studentischer Vertreter im Institut für Bildungswissenschaften ist. „Es ist im Moment eine gigantische Datenflut unterwegs und ständig ändern sich die Anforderungen und Bedingungen“, erklärt er. Aufgrund der kurzen Zeitspanne seien kaum Absprachen zwischen den Fachschaftsräten und den studentischen Vertretern möglich. Auch Donges kritisiert das Tempo: „Ein Jahr mehr Zeit wäre besser gewesen.“

Änderungen gibt es im Bereich der Beifächer, die man zusätzlich zu den Hauptfächern studieren kann. Momentan kann man noch fast alle Fächer als Beifach studieren ohne eine zusätzliche Prüfung ablegen zu müssen. Die Studenten müssen nur abgeschlossene Kurse im Umfang von 20 Semesterwochenstunden nachweisen können, was ungefähr dem Studienaufwand von einem Semester entspricht. „Es gibt Überlegungen, aus Kapazitätsgründen alle Lehramts-Beifächer abzuschaffen“, erzählt Marco. Man habe sich dann jedoch darauf einigen können, zumindest Skandinavistik und Deutsch als Fremdsprache beizubehalten. „Gerade Skandinavistik ist ein Aushängeschild der Universität. Deswegen wollten wir als studentische Verteter das nicht aufgeben“, so Marco.

Gut durchdacht scheint diese Regelung aber nicht. Ausgerechnet die meistbesuchten Beifächer wie Philosophie oder Kunst werden abgeschafft; das Lehramtsstudium der Skandinavistik wird heruntergefahren. Zum Vergleich: Noch ist Schwedisch, Dänisch oder Norwegisch ein vollwertiges Hauptfach, was im Umfang von neun Semestern studiert wird. In Zukunft sollen die Lehramtsstudenten aber schon nach dem Studienumfang von einem Semester, also wenn sie 30 ECTS (European Credit Transfer System) erworben haben, die Sprache unterrichten dürfen.

Generell gibt es einige Neuerungen, die den Studienumfang betreffen. Bisher wurden die Leistungen in Semesterwochenstunden angegeben; zukünftig werden sie in ECTS-Punkte wie bei den Bachelor- und Masterstudenten umgerechnet. Das neue Lehrerbildungsgesetz schreibt vor, dass ab sofort nicht mehr als 30 ECTS pro Semester vergeben werden dürfen. Auch hinsichtlich der Praktika gibt es noch keine genauen Vorgaben. Marco ist der Ansicht, dass diese sich sowieso schwer integrieren lassen werden. Vorgeschrieben sind 15 Wochen, die sich in ein Sozialpraktikum im zweiten Semester, ein Orientierungspraktikum im fünften Semester und ein Hauptpraktikum im achten Semester aufteilen. Wie viele Wochen die jeweiligen Praktika dauern sollen, steht allerdings noch nicht fest.

Schwierig wird es auch, ein zusammenhängendes Praktikum in der vorlesungsfreien Zeit zu machen, wie es vom Bildungsministerium angedacht ist. Im Sommer beispielsweise fallen in diesen Zeitraum auch die sechs Schulferienwochen. Aus diesem Grund strebt das Greifswalder Institut für Bildungswissenschaften ein Praxissemester an, welches sie allerdings personell gar nicht abdecken können. Die vom Land angestrebte stärkere Verflechtung von Universität und Praktikum kann so nicht erreicht werden.

Die Modularisierung scheint eine fast unerfüllbare Aufgabe zu sein; auch Prorektor Herbst meint, man konnte dem Land nur eine „Bemühens-Zusage“ geben: „Wir sagen nicht, dass das klappt. Und ich muss auch ehrlich sagen, ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, ob es klappt.“

Ein Bericht von Katrin Haubold und Stefanie Pätzold mit einer Grafik von Daniel Focke