Ein Gastbeitrag von Maria Beier und Lena-Lisa Michl

Das International Medical Students Project (IMSP) verbindet schon seit 15 Jahren Medizinstudenten aus dem Ostseeraum. Regelmäßig findet in einem der Länder eine Konferenz statt, um den fachlichen und kulturellen Austausch der Studierenden zu fördern. Im vergangenen Semester lag der Themenschwerpunkt bei der medizinischen Versorgung in Krisengebieten, wobei dieser dann bei verschiedenen Konferenzen in Estland, Polen, Schweden und Deutschland unter anderen Perspektiven betrachtet wurde. Die Greifswalder Medizinstudentinnen Maria Beier und Lena-Lisa Michl waren im Sommer bei einer dieser Konferenzen in Estland, wo als Schwerpunkt die Militärmedizin gewählt wurde. Im folgenden Beitrag wollen sie euch ihre Eindrücke vorstellen.

Angesichts einer globalisierten Welt müssen auch Ärzte sich mit verschiedenen Kulturen auseinandersetzen. Welchen Herausforderungen müssen sie sich stellen? Wie können sie den Dialog mit Patienten verschiedener Kulturen und Religionen gestalten? Welche Unterschiede gibt es in der medizinischen Versorgung, Ausbildung, Behandlung und der Kultur verschiedener Länder? Und was können wir voneinander lernen?

Mit diesen Fragen beschäftigen sich schon seit über 15 Jahren interessierte Medizinstudenten in Greifswald. Deshalb entstand ein in Europa einzigartiges Projekt – das IMSP („International Medical Students Project“). Ziel war der Austausch zwischen Medizinstudenten aus Ländern der baltischen Region, im Speziellen zwischen Greifswald (Deutschland), Stettin (Polen) und Lund (Schweden). Zweimal jährlich fanden hierzu von den Studenten organisierte Konferenzen in den jeweiligen Ländern statt, die verschiedene Themen von unterschiedlichen Standpunkten aus beleuchteten. So setzten sich die Studenten zum Beispiel mit Inhalten und Fragen zu „Ethics and genetics“, „Medicine on the verge of life“ oder „Medical Aid in areas of crisis“ auseinander.

Dieses Jahr erstmals in Tartu

Während einer Simulation

Während einer Simulation

Auch diesen Sommer stand eine erneute Konferenz an, diesmal allerdings mit einigen Besonderheiten. Zum ersten Mal lud das neueste Mitglied Tartu zu sich nach Estland ein. Außerdem war es gelungen die EU von diesem Projekt zu überzeugen und es im Rahmen eines „Youth Exchange“ mit knapp 22.000 Euro zu fördern. Somit standen für den internationalen Austausch dieses Mal sechs volle Tage zur Verfügung (normalerweise dauert eine Konferenz nur ein Wochenende) um verschiedene Themen zu besprechen. Neben kulturellen Fragen war die Militärmedizin ein wichtiger Schwerpunkt.

Vom 19. bis 26. August 2011 fanden sich also rund 60 Medizinstudenten aus den vier Ländern in Tartu ein und sahen einer spannenden Woche voller interessanter Vorträge, Diskussionen, Filmbeiträgen und mehr entgegen. Es wurden Vorträge zu Themen wie „Kommunikation mit Patienten verschiedener kultureller Hintergründe“, „Medizinische Versorgung in Katastrophensituationen“, „Militärmedizin“ und auch „Psychologische Probleme in der Militärmedizin“ gehalten. Ausreichend Raum für Diskussionen gab es auch, bei denen gerade durch die verschiedenen nationalen (und damit auch kulturellen und religiösen) Hintergründe teilweise sehr unterschiedliche Ansichten dargestellt wurden, welche zum Nach- und Weiterdenken anregten. Sehr interessant waren auch die Länderbeiträge. So informierten die Teilnehmer aus Polen über ihre Ansichten zum Thema Euthanasie oder die estnischen Studenten über das Problem der russischen Minderheit in ihrem Land. Die Greifswalder Gruppe stellte bei dieser Gelegenheit die deutsche Bundeswehr und insbesondere den Sanitätsdienst vor. Dabei machte sie auf ein wichtiges ethisches Problem aufmerksam, mit welchem sich viele Militärärzte konfrontiert sehen: Bin ich im Krieg in erster Linie Soldat und somit meinen Kameraden verpflichtet, oder aber Arzt und handle somit nach dem Hippokratischen Eid?

Der Höhepunkt der Woche war eine Kriegssimulation. Dafür hatte sich die estnische Gruppe Hilfe beim estnischen Militär geholt. Auf einem Militärgelände wurde eine Kampfszene mithilfe von Paintball nachgestellt. Die Teams übernahmen die Rolle als Ersthelfer und als Ärzte im Lazarett. Zentrale Herausforderungen waren: Wie behalte ich den Überblick? Wen versorge ich als erstes? Wie vermeide ich Chaos? Aber auch für die „Verwundeten“ war es interessant einmal die Rolle des Patienten einzunehmen. Wie fühlt es sich an, wenn man dem Können und der Hilfe des anderen ausgeliefert ist? Es war für alle eine sehr beeindruckende Übung und sicherlich konnten an diesem Tag im Wald alle Teilnehmenden sehr viel praktisches Wissen mitnehmen.

Diskussion in einer Gruppenarbeit

Diskussion in einer Gruppenarbeit

Interkultureller Austausch

Das Programm für die Tage war straff durchorganisiert. Dennoch blieb genügend Zeit für Abwechslung. Beim „Intercultural Dinner“ zum Beispiel wurden typische kulinarische Spezialitäten der Teilnehmerländer probiert oder traditionelle Tänze erlernt. Wer nach dem vielen Sitzen im Hörsaal Bewegungsdrang verspürte, konnte sich bei Sportspielen verausgaben. Oder man setzte sich einfach am Abend in einer gemütlichen Kneipe zusammen und tauschte sich aus. So war auch ein Austausch auf sehr persönlicher Ebene gewährleistet und auch dieser gesellige Teil trug sehr zu einem größeren interkulturellen Verständnis bei. Die Teilnehmer nahmen somit nicht nur theoretisches und praktisches Wissen von der Konferenz mit, sondern auch viele neue Kontakte, wenn nicht sogar Freundschaften, die sich entwickelt haben.

Alles in allem war die Konferenz in Estland ein sehr gelungenes Projekt, dass in dieser Form erstmals stattgefunden hat. Es gibt große Hoffnungen, dass man diesen durch die EU geförderten „Youth exchange“ im nächsten Sommer wieder organisieren kann. Bis dahin behält das IMSP aber auch sein bewährtes Konzept bei. Im Dezember 2011 werden sich die Teilnehmer dann für ein Wochenende nach Schweden begeben. Das Thema steht noch nicht fest, aber es wird sicherlich wieder viel Stoff für Diskussionen, Austausch und die ein oder andere Lösung bieten.

Fotos: Markus Blaurock