Ein Beitrag von Tina Bauer und Vivien Janner
In den ersten kühlen Novembertagen fand wie jedes Jahr das Festival „Tanztendenzen“ in Greifswald statt. Seit 18 Jahren gastieren eine Woche lang Künstler aus aller Welt in unserer kleinen Studentenstadt und bereichern uns mit zeitgenössischen, gesellschaftskritischen Tänzen. Diese standen dieses Jahr unter dem Motto „Grenzen“.
Darum ging es dann auch in der Eröffnungsveranstaltung, die mit einer Podiumsdiskussion begann. Diskutiert wurden die immer knapper werdenden Budgets und die Grenzen, die Künstlern dadurch auferlegt werden. Das Überleben in dieser Branche wird zunehmend schwerer. Lösungsansätze wurden zwar diskutiert, allerdings lag der Schwerpunkt auf der Berliner Kunstszene. Ein kleiner Lichtblick für die sonst finanziell schlecht gestellte Künstlerbranche war die Überreichung eines Schecks in Wert von 5000 Euro durch die Sparkassenstiftung Vorpommern.
Eine der Hauptattraktionen war am Mittwochabend das Tanzstück „NOs LIMITes“. Mit HipHop eine ganze Stunde Geschichten erzählen – das klingt genauso interessant wie es ist. Eindrucksvolle Erzählungen mit viel treibenden, energetischen Bewegungen und Beats zeigten Menschen, die sich ihre Grenzen selbst auferlegen, Menschen, die ihre Grenzen austesten, Menschen wie du und ich. In diesem Stück durchlebte der Zuschauer ein Wechselbad von Emotionen: Wut, Provokation und Gewalt. Der meterhohe Metallzaun als klar gezogene Grenze. Die einen drinnen, die anderen draußen und dazwischen Rebellion. Doch dann wieder liebevolle Begegnungen, zärtliche, intime Momente und fließende, weiche Bewegungen. Der Zuschauer wurde von den Geschichten mitgerissen und war beeindruckt vom akrobatischen Können der Tänzer.
Doch nicht nur eindrucksvolle Bühnenshows säumten die fünftägige Festwoche. Auch das Publikum konnte seine Grenzen austesten und wurde in Form von Workshops mit einbezogen. Einer wurde vom schwedischen Choreographen Robin Jonsson höchstpersönlich geleitet. Der zweistündige Kurs gab einen kleinen Einblick in die Kontaktimprovisation. Um die Konzentration aller Teilnehmer zu wahren blieb der Spiegel verdeckt und die Musik aus. Durch verschiedene Partnerübungen brachte Jonsson die Teilnehmer dazu, Vertrauen zum Gegenüber aufzubauen. Schnell kristallisierte sich heraus, ob man sich lieber führen oder leiten lässt. Nun lag es an jedem selbst eine ausgeglichene Beziehung zum Partner aufzubauen. Allmählich erkannte man, dass sich das Verhalten im Tanzsaal genauso leicht auf den Alltag übertragen lässt. Um harmonische zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen muss man führen und sich führen lassen. Mit derartigen Erkenntnissen und vielfältigen Eindrücken endete die Woche der Tanzbegeisterten, die alle Beteiligten bis zum nächsten Jahr in Erinnerung behalten werden.
Fotos: Veranstalter