Ein kommentierender Bericht zum im Rahmen des “überMut”-Filmfestivals im IKuWo gezeigten Film “Budrus”.

Budrus, ein kleines 1.500 Einwohner zählendes Dorf im Grenzgebiet von Israel und Palästina gelegen. Seit einigen Jahren errichtet der israelische Staat unter Begründung des Schutzes der Israelis vor Terroranschlägen der Palästinenser eine befestigte Grenzanlage, die mit der ehemaligen innerdeutschen Grenze oder der Grenzanlage zwischen Nordirland und Irland sowie zwischen den USA und Mexiko zu vergleichen ist.

Der Dokumentarfilm “Budrus” zeigte den Besuchern sehr bewegend, was die Menschen in Budrus für einen Kampf um ihr Land führten. Es ist dem Regisseur darüber hinaus besonders gut gelungen, beide Fronten, die Israelische wie auch die Palästinensische zu beleuchten, ohne ein verzerrtes Bild zugunsten einer Front darzustellen. Gezeigt wurden die Familien, Frauen und Kinder des Dorfes, ihre Gedanken, die Begründung für ihr Handeln. Seit 2003 wird die Grenze zwischen Israel und Palästina gebaut und schneidet dabei weite Gebiete des Westjordanlandes ab. Bernd Asbach, Leiter des Referats Mittlerer und Naher Osten der Heinrich Böll-Stiftung, geht davon aus, dass die Grenze nicht nur das Ziel einer klaren Trennung von Israel und Palästina verfolgt, sondern auch aufgrund des zielstrebigen Abtrennens weiterer Teile des Westjordanlandes vom Palästinensergebiet weitere Gebiete annektieren und in das israelische Staatsgebiet eingliedern soll.

“Wir haben keine Zeit für Krieg, wir wollen unsere Kinder groß ziehen”

Der Grenzzaun/ die Grenzmauer zwischen Israel und Palästina.

Gegen diese Grenzanlage formierte sich in Budrus ein für die gesamte Region beispielhafter Protest. “Wir haben keine Zeit für Krieg, wir wollen unsere Kinder groß ziehen”, betont Ayed Morrar, Anführer der friedlichen Protestbewegung in Budrus. Zunächst wurde der Protest nur von Männern dominiert, die immer wieder vom Militär zurück gedrängt werden konnten. Als die Frauen in Massen zu der Grenzbaustelle strömten, viel es dem isralischen Militär offensichtlich deutlich schwerer, die Protestgruppe zurück zu drängen. Einigen jungen Mädchen gelang es schließlich, hinter die Sperrkette, die die israelische Armee errichtete, zu gelangen und standen plötzlich vor dem Bagger. Der Bau musste gestoppt werden, die übrigen Olivenbäume konnten nicht mehr gefällt werden. Sofort strömten die Menschen von Budrus zur Baustelle und setzten die alten Olivenbäume wieder ein. Die Olivenbäume sind das Herz des Dorfes, es ist ihr Land, für das sie friedlich streiten.

Auf der anderen Seite wird gezeigt, wie sich die israelischen Soldaten fühlen, als sie sich plötzlich und unerwartet friedlichem Protest ausgesetzt wissen müssen. Sie haben sehr viel Achtung und Respekt vor den Protestierenden, können das Handeln und Denken nachvollziehen, würden, so schneint es zumindest, genau so handeln, stünden sie auf der anderen Seite der Front.

Plötzlich tauchen israelische Friedensaktivisten auf, die die Palästinenser in ihrem Anliegen unterstützen. Die Palästinenser sind überrascht, sehen sie doch plötzlich Israel von einer ganz anderen Seite. “Wir kannten den Juden nur als Soldaten”, erklärte einer der Protestierenden. Dass Israelis mehr als bis auf die Zähne bewaffnete Kampfmaschinen sind, haben sie erst durch die Friedensaktivisten erfahren. Asbach berichtet von seinen Fahrten ins Westjordanland, dass Palästinenser, sofern sie nicht in Israel wohnen, tatsächlich fast ausschließlich israelische Soldaten kennen, nicht jedoch die israelische Zivilbevölkerung.

Wie friedlicher Protest die Macht der Waffen in die Knie zwingt

Der Film “Budrus” zeigt besonders eindrucksvoll, dass friedliche Menschenmassen, Menschenrechtsverletzungen, wie der Bau der Mauer, der Budrus zuletzt vollständig eingekesselt und eines Großteils des Territoriums des Dorfes zerschnitten hätte, zu Fall bringen können. Doch nicht nur die Grenze wurde an dieser Stelle wieder auf die Linie von 1967 nach hinten verschoben. Der friedliche Protest sorgte dafür, dass die tiefe Kluft zwischen Israel und Palästina an Tiefe verlor. Allerdings nur an einem Ort, in Budrus. Es flammte beim Sehen des Filmes Hoffnung auf, dass beide Völker doch friedlich nicht nur nebeneinander, sondern auch miteinander leben können.

Die Mauer in Rammalah

Doch die anschließende Diskussion zerschlug die aufflammenden Hoffnungen. Asbach erklärte, dass die israelische Friedensbewegung verschwindend klein ist und sich auch nicht hat vergrößern können. Der Großteil der israelischen Bevölkerung folge dem Weg, den die derzeitige Regierung Benjamin Netanjahus eingeschlagen hat: Der Grenzziehung und Annexion, kurz: Die Masse Israels verharrt nach wie vor in ihrem alten Denken. Gleiches kann der Referatsleiter der Heinrich Böll-Stiftung jedoch auch über die Palästinenser sagen. Friedlicher Protest ist zwar beispielhaft, aber er konnte sich nicht als Mittel flächendeckend verbreiten. Anschließend wurde noch über den derzeitigen UN-Antrag Palästinas auf Anerkennung diskutiert.

Asbach sieht in dem Handeln der Palästinenser vor allem, dass sie kampfmüde seien, nahezu jede Hoffnung auf einen eigenen Staat verloren hätten. Aus diesem Grund würden sie nun bei der UNO durch eine Anerkennung um Hilfe bitten. Nicht zuletzt, weil inzwischen nur noch 20 Prozent des Westjordanlandes von Palästinensern verwaltet werden. Die übrigen 80 Prozent stehen unter israelischer Militärverwaltung, meinte Asbach gegenüber dem Publikum. Ferner dürfen Israelis bestimmte Bereiche des Westjordanlandes nicht betreten, Palästinenser müssen sich an Grenze zu Israel und in den Grenzkesseln (siehe Karte) an Grenzen zum übrigen Westjordanlandes Schikanen unterwerfen.

Will man die Diskussion zum Film zusammen fassen, macht sich Ernüchterung statt Hoffnung breit: Die derzeitige Lage im Konflikt zwischen den beiden Völkern ist inzwischen so angespannt, dass kaum noch davon ausgegangen werden kann, dass beide jemals in Frieden und Freiheit miteinander, nicht nur nebeneinander, leben können. Die Palästinenser von Budrus zeigten, wie der Weg zum Frieden aussehen kann. Doch Budrus ist nur ein Dorf mit 1.500 Einwohnern, dass über mehrere Wochen hinweg die israelischen Medien bewegte. Die Form des friedlichen Protests konnte sich bis jetzt nicht durchsetzen. Auch Israel muss umdenken, kompromissbereit werden, die Politik der eisernen Hand zu Fall bringen. Das israelische Volk muss mit ihrer Frontier-Politik eines expandierenden Israels brechen und einen neuen Weg einschlagen, überhaupt erst anfangen, nach neuen Lösungen in dem über vier Jahrzehnte währenden Konflikt zu suchen. Ein Ausbruch aus der Spirale der Gewalt ist nur möglich, wenn beide Seiten den dauerhaften Willen haben, auszubrechen.

Fotos: ueber-Mut-Filmfestival (Aufmacher, keine CC-Lizenz), Zero/ wikimedia commons (Mauer in Ramalah), Ynhockey/ wikimedia commons (Grenzkarte)