In diesem Jahr ist das Buch „Mädelsche! Frauen in der Neonazi-Szene“ der beiden freien Journalisten und Publizisten Andrea Röpke und Andreas Speit erschienen, welches sich mit einem bisher wenig beachteten Aspekt im rechten Spektrum der Gesellschaft beschäftigt: Rechtsextreme Frauen. Speit war am 28. September in Greifswald zu Besuch, um im Koeppenhaus das Buch vorzustellen.
Beide Autoren gelten als Experten der Szene und haben schon viele Publikationen und Reportagen zu dem Thema veröffentlicht, um Aufklärungsarbeit zu leisten. Außerdem schreiben beide regelmäßig für die Zeitschrift „Der Rechte Rand – Zeitschrift von und für Antifaschistinnen“. Speit schreibt weiterhin für die Wochenzeitungen „der Freitag“ oder „jungle world“ und ist in der gedruckten „taz-nord“ wöchentlich mit der Kolumne „Der Rechte Rand“ vertreten, ebenso auf „Zeit-Online“ im Blog „Störungsmelder“.
Keine Anonyme Veranstaltung
Auffällig war die durch die Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt in M-V organisierte Buchvorstellung schon im Vorfeld, denn alle Interessierten mussten sich für die Lesung anmelden. Dies wurde mit dem Hinweis auf die Sicherheit begründet, da so die Hemmschwelle für Störaktionen höher sei, wie sie durchaus vorkommen sollen. Spontane Besucher wurden aber trotzdem gegen die Angabe von Name, Alter und Beruf in den Veranstaltungsraum des Literaturzentrums gelassen.
Bemerkenswert an der als Lesung angekündigten Veranstaltung war außerdem, dass Andreas Speit nicht eine Zeile aus dem Buch verlas. Zuerst wurde ein kurzer Film gezeigt, danach präsentierte Speit in einem Vortrag verschiedene Erlebnisse und Ergebnisse aus der zweijährigen Recherchearbeit mit Andrea Röpke.
Der Film als Einstieg lieferte dem Publikum im fast vollständig besetzten Veranstaltungsraum zuerst einige Fakten über Frauen in der rechtsextremen Szene. So sei jede 5. Person innerhalb der Szene eine Frau und genauso radikal und engagiert wie die männlichen Vertreter zu Gange, auch wenn es um Gewalt geht. Ein Problem sei es, dass es selbst der Polizei aufgrund des gesellschaftlichen Bildes der Frau schwerfällt, diese als Täterin zu begreifen.
Weit verbreitete Klischees von blonden, langhaarigen Frauen im Trachtenkleid seien genauso wenig zutreffend wie der kahlrasierte Mann in Bomberjacke. Es gebe keine bestimmte „szenetypische“ Erscheinungsform, allerhöchstens bestimmte Symbole oder Tätowierungen könnten die rechte Gesinnung entlarven.
Lieber im Hintergrund
Im anschließenden Vortrag betonte Andreas Speit, dass Frauen vorallem im Hintergrund, im vorpolitischen Raum, tätig sind. Abseits der eher öffentlichen Parteipolitik versuchen sie im Gemeindeleben, in Vereinen, Schulen oder Kindergärten rechte Gedanken zu verbreiten. Im alltäglichen Leben soll so Kontakt zu anderen Menschen hergestellt werden. Frauen wird hierbei schlicht die bessere Fähigkeit nachgesagt, in Gesprächen eine entspanntere Stimmung herzustellen. Meist falle es schwer, sofort den rechten Grundgedanken zu verstehen. Wichtig sei es, auf Schlüsselwörter, ein eher harmloses ist „Gemüsetorte“ anstelle der Pizza, zu achten. Bevorzugt werden soziale Berufe gewählt, um auch einen frühen Zugang zu Kindern und Jugendlichen herzustellen. Wenn irgendwann einmal die menschenverachtende Überzeugung zu Tage trete, sei häufig die erste Reaktion ein ungläubiges „aber die ist doch so nett“.
Beunruhigendes Beispiel war hier eine Lehrerin aus dem nordfriesischen Bredstedt, die jahrelang unter ihren Schülern für die NPD-Jugendorganisation „Junge-Nationaldemokraten“ geworben hatte.
Frauen als Schlüsselfiguren in rechten Organisationen
Wichtige Organisationen seien die sehr abgeschlossene „Gemeinschaft Deutscher Frauen“ oder der NPD-nahe „Ring Nationaler Frauen“ (RNF). Prominente Vertreterinnen sind hier die Bundesschatzmeisterin Heidrun Walde oder Sprecherin Edda Schmidt. Der RNF wurde gegründet als Organisation für NPD-Anhängerinnen. Frauenorganisationen gibt es in demokratischen Parteien auch, dass der RNF eindeutig nicht in dieses Schema gehört, zeigen die öffentlich propagierten Feindbilder Emanzipation, Feminismus, Gender-Mainstreaming und Homosexualität.
Zu den parteipolitisch aktiven Frauen zählen beispielsweise Judith Rothe, Kommunalpolitikerin in Sachsen-Anhalt oder Marianne Pastörs, Frau vom NPD-Fraktionsführer in Mecklenburg-Vorpommern Udo Pastörs. Auffällig sei auch hier, dass es den Frauen im Wahlkampf einfacher gelinge mit Passanten ins Gespräch zu kommen und dies anscheinend von der Partei auch bewusst eingesetzt wird.
Ein weiterer Aspekt, auf dem Andreas Speit in seinem Vortrag einging, waren Siedlungsprojekte, welche vor allem seit 1989 im ländlichen Ostdeutschen Raum entstanden sind. Bekanntestes Beispiel sei eine Siedlung bei Güstrow, wo in 12 Familien wahrscheinlich 60 Kinder möglichst abgeschieden von der Öffentlichkeit im ideologisch-fundamentalistischen völkisch-nationalen Glauben erzogen werden sollen. Hier zeige sich dann doch die Rolle als „Erzieherin des Volkes“, welche den Frauen zugewiesen wird.
Am Ende des Vortrages war das Publikum wahrscheinlich mit genügend neuen Fakten zu einem eher wenig beachteten Thema versorgt. Jedenfalls entwickelte sich der als Diskussion angedachte letzte Teil des Abends eher zu einer schlichten Fragerunde an den Autor.
Fotos: Simon Voigt; Mädelsache: Veranstalter
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