Kürzungen im studentischen Kulturbereich stießen meist nur auf Widerstand der unmittelbar Betroffenen. Mit der Gründung des „Aktionsbündnis studentisches Leben in Greifswald“ wurde nun erstmals ein gemeinsames Sprachrohr geschaffen.
Lehre und Forschung genießen an der Universität zu Recht oberste Priorität. Um hier in Zukunft gut aufgestellt zu sein, wurde im August 2010 durch den Betrieb für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern ein Architektenwettbewerb ausgelobt. Anlass ist die Umstrukturierung des Gebäudekomplexes in der Löffler-Straße 23. Hier sollen ab 2013 neue Räumlichkeiten für die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachrichtungen geschaffen werden. Mit dem Umbau gehen allerdings auch Veränderungen in der Kulturlandschaft einher, wurde doch der aktuell im Komplex ansässige Studentenclub C9 bei den Modellentwürfen nicht berücksichtigt. Vorfälle dieser Art sind keine Seltenheit und nur die Spitze des Eisbergs.
Die Vorstände der studentischen Kulturinitiativen, Vereine und Einrichtungen treffen sich regelmäßig zum Stammtisch. Hier wurde auch die geplante Ausquartierung des C9 angesprochen. Vielen Clubs und Initiativen ist die immer wiederkehrende Raumproblematik nur zu gut bekannt. Somit entschloss man sich, fortan gemeinsam gegen Raumknappheit und mangelnde Würdigung studentischen Engagements vorzugehen. Das „Aktionsbündnis studentisches Leben in Greifswald“ ward geboren. Dieser Dachverband besteht aus fünfzehn studentischen Vereinen, Kulturinitiativen und Einrichtungen und dient der besseren internen Vernetzung. Auch soll fortan bei heiklen Fragen mit einer Stimme gesprochen werden. „Dass das Aktionsbündnis entstanden ist, finde ich ziemlich gut. Nun kocht man nicht mehr nur sein eigenes Süppchen.“, konstatiert Katrin von GrIStuF, dem Greifswalder International Students Festival. „Es ist schade, dass das erst jetzt Zustande gekommen ist “, findet Theresa vom Mensaclub, da es diese Probleme bereits seit Jahren gäbe.
In einem offenen Brief (siehe Seite 9), der am 06. Juni veröffentlicht wurde, fordern sie ein Konzept zur Raumplanung sowie die Anerkennung ihrer ehrenamtlich geleisteten Verdienste um die kulturelle Vielfalt. Dazu lässt sich auf der Internetseite der Philosophischen Fakultät Folgendes finden: „Neben der Forschung und der Lehre tragen die umfangreichen Aktivitäten der Mitglieder der Fakultät – beispielsweise durch öffentliche Vortragsreihen oder internationale Festivals – auch zur abwechslungsreichen Greifswalder Kulturlandschaft bei und wirken weit in die Gesellschaft und die Region hinein.“ Die Universität rühmt sich also augenscheinlich mit der von Studierenden maßgeblich mitgestalteten kulturellen Vielfalt. So betonte Rektor Westermann bei der Senatssitzung am 15. Juni: „Wir helfen den studentischen Initiativen, wie wir es immer gemacht haben.“ Derweil kursiert seit Veröffentlichung des offenen Briefes das Wort „Zwergenaufstand“, welches auf einer Dienstberatung nach Formierung des Aktionsbündnisses gefallen sein soll.
Daher erhob am Anfang der Senatssitzung der studentische Senator Erik von Malottki das Wort. Er konfrontierte den Rektor mit diesen Gerüchten. Westermann konterte prompt: „Ich gebe zu, dass es ein etwas laxer Ausdruck ist, der sich aber auf keinen bestimmten Sachverhalt bezog. Dieses Wort fällt öfter mal. Es war aber auf keinen Fall beleidigend gemeint.“ Er versicherte, das Rektorat sei dabei, die Problematik zu verfolgen. Da dieser Prozess länger dauern kann, versucht das Aktionsbündnis, eine möglichst breite Öffentlichkeit für die Problematik herzustellen. Ein nächster Schritt ist eine Podiumsdiskussion, an welcher der Rektor gern teilnähme , wenn er es zeitlich einrichten könne.
Ein mögliches Thema könnte hier der Aufbau eines tragfähigen und nachhaltigen Raumkonzepts zur optimalen Ausnutzung der vorhandenen Immobilien sein.
Ein Blick aus Mecklenburg-Vorpommern heraus macht deutlich, dass auch andere Universitäten Schwierigkeiten mit der adäquaten Unterbringung studentischer Clubs, Vereine und Initiativen haben. So zum Beispiel die Europa Universität Viadrina Frankfurt (Oder), welche gegenwärtig das Projekt „Studierendenmeile“ ins Leben rief. Hier soll in einer kompletten Straße studentischer Freiraum samt kultureller Begegnungsstätte für Studierende und Bürger entstehen. Die Resonanz hierauf war durchweg positiv. In Lüneburg heißt das Zauberwort DSi – Dachverband der Studierendeninitiativen. Dieser fördert gezielt die Arbeit von Studierendeninitiativen und stellt Räumlichkeiten zur Verfügung.
Genau hier besteht der große Unterschied zur Situation in Greifswald. Raum ist hier ein rares, hart umkämpftes Gut. Sieht die Realität doch so aus, dass die Universität per Landeshochschulgesetz nicht zur Vergabe von Räumen für studentische Initiativen und Vereinen verpflichtet ist. Dennoch ist die Universitätsverwaltung prinzipiell bemüht, die Raumproblematik zu lösen. Trotzdem kann auch sie nur mit den Ressourcen arbeiten, die ihr zur Verfügung steht. Wie in der Senatssitzung berichtet wurde, fand schon ein Gespräch mit den Vertretern des C9 statt. Bis zum vorrausichtlichen Baubeginn im Jahre 2013 kann der Club seine Arbeit in den aktuellen Räumlichkeiten weiterführen. Zudem wurden mehrere Alternativvorschläge diskutiert, wie das ehemalige Universitätsgästehaus in der Johann-Sebastian-Bach-Straße, aktuell im Besitz des Studentenwerks.
Dieses verfügt über Möglichkeiten, Räume für studentische Kultur bereitzustellen, wie es das bereits im Falle des Mensaclubs getan hat. Deren Mitglied Theresa beschreibt die Zusammenarbeit zwischen Studentenwerk und Club als sehr gut. Ungewiss ist im Gegenzug die Zukunft von GrIStuF, denn am 31. Juli heißt es: Soldmannstraße adé. Dann müssen sie zum fünften Mal umziehen. Von Seiten der Universität wurden hier zwei Vorschläge gemacht: Einmal das Gebäude der Wollweberstraße 1, wobei hier auch der Allgemeine Studierenden Ausschuss und der Verein radio 98eins untergebracht werden sollen. Die drei Gruppen sind sich laut Positionspapier von GrIStuF einig, dass dies aufgrund geringer Raumkapazität nicht realisierbar ist.
Des Weiteren wurden die Räumlichkeiten in der Makarenkostraße 22 diskutiert. Vereinsmitglied Katrin sieht hier jedoch massive Probleme: „Die Kooperation mit den anderen Initiativen und Vereinen würde erschwert werden, da erfahrungsgemäß weite Wege abschreckend wirken. Wir sind zwar alle mit dem Rad mobil, könnten aber keine schweren Sachen transportieren. Die Präsenz des Vereins in der Stadt ginge verloren und wir befürchten einfach, dass der Verein bald nicht mehr existent sein würde.“ Für eine verbesserte Zusammenarbeit könnte in Zukunft auch die Internetplattform dienen, welche erstmalig für die Veröffentlichung des offenen Briefes genutzt wurde. Als nächstes steht Ende Juni die Vollversammlung auf dem Programm, bei der das Thema Aktionsbündnis besprochen werden soll. „Es ist wichtig, dass wir so viele Leute wie möglich dafür mobilisieren. Und wir als Clubmitglieder können da vielleicht auch eine ganz andere Szene erreichen.“, so Ilka vom Geologenkeller. Dennoch ist die nachhaltige Sicherung der studentischen Kulturinstitutionen ein langer, noch zu festigender Weg. Gegangen werden muss er im Interesse aller in jedem Fall. Sonst droht weiten Teilen der hiesigen Kulturlandschaft die schrittweise Verödung.
Ein Bericht von Maria Strache