Am 16. April gab der Singer/Songwriter „Spaceman Spiff“ im Café Koeppen ein berauschendes Konzert. Der neue Stern am deutschen Musikerfirmament zeigt, dass ein Studienabbruch nicht immer die schlechteste Entscheidung sein muss.
Die Standardfrage gleich zu Beginn – erklär doch deinen Namen?
Also „Spaceman Spiff“ kommt von meinem absoluten Lieblingscomic „Calvin und Hobbes“ – da geht es um einen kleinen Jungen mit seinem Plüschtiger, der immer zum Leben erwacht, wenn keine Erwachsenen dabei sind, und ja, das finde ich ganz großartig. Weil Bill Waters, der die Comics schreibt, schafft es mittels weniger Bilder komplexe Situationen einfach total auf den Punkt zu bringen. Dieser kleine Junge stellt sich manchmal vor, dass er ein Astronaut ist und dann ist in der Schule sein Pult ein Ufo, die Lehrerin ein Alien, er wirft eine Papierkugel auf sie und das ist dann sein Blaster. Ich fand das ganz schön, weil er über die echte Welt sozusagen seinen Filter legt und alles mit seinen eigenen Augen sieht. Ich mach ja im Endeffekt so etwas Ähnliches.
Du stammst aus Würzburg und hast dort zwei Semester Sport studiert – warum hast du dein Studium abgebrochen und bist ab nach Hamburg?
Naja, ich hab mein Leben lang Musik gemacht, also hab acht Jahre lang in Bands gespielt und ja, Sport war einfach nicht das Richtige. Ich mach zwar auch gern Sport, aber mit diesen ganzen Lehrämtern, die dann alle auch immer „Pumpen“ gegangen sind.. ich hab mich da einfach nicht ganz wohl gefühlt. In meiner Heimat hab ich in Clubs gearbeitet und Konzerte veranstaltet und wollte eigentlich so was in Hamburg machen. Denn Hamburg hat ja ganz viele Labels und Booking Agenturen, da wollte ich mich eigentlich rein finden, aber es ist dann eher durch Zufall so passiert, dass meine Musik irgendwie gut angekommen ist und ich dann das erste Album („Bodenangst“) aufgenommen hab.
Was hat sich für dich dadurch meisten verändert?
Naja, ich hab im Endeffekt das Elternhaus verlassen. Selbst als ich noch in Würzburg gelebt hab, hab ich halt noch immer Bandproben in der Heimat gehabt und alle zwei Wochen bei meinen Eltern das Essen geklaut(lacht) – also der größte Einschnitt ist dieses Aus-der-Heimat-wegziehen. In Hamburg bin ich das erste Mal auf mich allein gestellt und verdiene selbst meine Brötchen.
Wohnst du da in einer WG?
Ja, ich wohne dort zu viert in einer WG in Altona. Da war ich in den letzten Monaten nicht wirklich viel, das ist schon schade, aber es gibt dann auch durchaus mal so Zeiten wo ich zwei bis drei Monate am Stück dort bin.
Was ist der größte Unterschied zwischen dem Süden und dem Norden Deutschlands?
Ich kann dir jetzt natürlich nicht sagen, ob das so eine generelle Nord- und Südsache ist, aber es ist auf jeden Fall in Hamburg so, dass alles ein wenig relaxter und kühler ist, aber auf eine angenehme Art und Weise. Also, wenn ich es mit Berlin vergleiche, ist das alles ein bisschen weniger aufdringlich. Es dauert halt bis du jemanden tatsächlich als deinen Freund bezeichnest, aber ich hab das Gefühl, dass das dafür alles ein bisschen echter ist.
Wie beeinflusste Hamburg dein aktuelles Album „… und im Fenster immer noch Wetter“?
„…und im Fenster immer noch Wetter“ ist ein Tagebuch von den zwei Jahren, die ich jetzt in Hamburg gelebt habe. Also beeinflusste Hamburg eigentlich nicht nur mein Album, sondern meine Zeit in Hamburg ist das Album.
Deine Texte handeln von der Angst vor den eigenen Entscheidungen, von der Suche nach dem eigenen Ich, Zukunftsvisionen und Verantwortung. Worum geht es in deiner Musik für dich selbst?
Ja, das hast du gerade auf jeden Fall alles richtig gesagt, das sind halt alles solche Dinge, die ich durchlaufen habe, die jeder Mal durchläuft Anfang Zwanzig. Aber es geht in meiner Musik tatsächlich egoistischer Weise sehr viel um mich – ich verarbeite darin Situationen, die ich durchlebt hab. Trotzdem habe ich beim Texten immer das Gefühl, dass ich gar nicht so viel Einfluss darauf nehmen kann und das eher so eine passive Geschichte ist. Ich versuche es dabei nur allgemein zugänglich zu machen, damit jeder seine Story rein interpretieren kann.
Du nutzt in Zusammenarbeit mit deinem Sidekick Felix Weigt eine riesige Bandbreite von Instrumenten. Wie kommt ihr darauf, dass quietschendes Cellostreichen und Wellenrauschen die ideale Ergänzung für ein Lied sein könnten?
Ich höre selber extrem viel Musik und habe festgestellt, es gibt oft Songwriter, die Platten alleine machen und die machen dann was zusammen mit Bands. Da passiert es sehr schnell, dass jedes Lied gleich klingt. Davon wollte ich ein wenig Abstand nehmen und hatte auch einfach Bock drauf ganz viel auszuprobieren. Der Plan bei der Platte war es, zu schaffen, dass alle Lieder möglichst verschieden sind und du nicht zwei Mal die gleiche E-Gitarre hörst, es aber gleichzeitig trotzdem einen Zopf hat und homogen ist.
Worüber freust du dich persönlich dabei am meisten?
(grinst) Also ganz weit vorne dabei ist (lacht) die „Siemens Lady“ – das ist eine Spülmaschine. Die war bei meinem besten Freund in Würzburg in der WG, und die hat da dann losgelegt und das machte so ein schönes Rauschen, was irgendwie wie Meeresrauschen klingt, aber auch nicht wirklich, und ich hab das dann mit meinem MP3-Player aufgenommen. Das wird auf der Platte hinter dem gesamten Lied „Photonenkanonen“ abgespielt – ich glaub das ist so mein persönlicher Höhepunkt.
Was hältst du davon mit Musikern wie Gisbert zu Knyphausen oder Philipp Poisel in einen Topf geworfen zu werden?
Gisbert zu Knyphausen schätze ich selber sehr, ich finde es großartig was er macht und da ist es doch eigentlich schön mit ihm verglichen zu werden, weil er momentan ja schon der bekannteste deutsche Singer/Songwriter ist. Aber es ist als Musiker natürlich schon so, dass man sich auch freut, wenn es gesehen wird, dass man etwas Eigenes macht. Ich hab selbst das Gefühl, dass wir musikalisch schon ziemlich unterschiedlich sind. Ich kann das aber auch nachvollziehen, denn ich mach das ja selber auch, damit es für mich fassbar ist. Aber ich freu mich natürlich drüber, und es schmeichelt mir.
Welche CD hörst du zur Zeit überhaupt?
Es ist echt so, dass ich sehr viel weniger Musik höre, seitdem ich selbst Musik mache. Das berufliche Musikmachen nimmt einem ein bisschen das Hobby, das ist schade. Was ich selbst gerade sehr viel höre ist Sam Amidon – total großartig! Außerdem hab ich gerade für mich The National entdeckt, das hör ich rauf und runter, und Gustav aus Wien find ich auch tierisch.
Was verbindest du mit Greifswald?
Also vorher hab ich mit Greifswald ehrlich gesagt überhaupt nicht viel verbunden, ich hab einfach gedacht, ich lass mich überraschen. Und was ich jetzt damit verbinde ist, dass ich heute vor dem Konzert durch die Straßen gelaufen bin und festgestellt habe, nachdem das letzte Jahr sehr stressig war, dass ich eigentlich doch einen ganz geilen Job hab. Dass ich beruflich in so ein schönes, verschlafenes Städtchen komme hier, ein bisschen rumlaufe und die Stadt angucke und dann ein Konzert spielen darf. Das ist eben meine Arbeit, und das ist sehr schön. Diese Erkenntnis hat Greifswald für mich heute bewirkt.
Im aktuellen Heft geht es in einem Artikel über das Altwerden und Erwachsensein in dieser Studentenstadt, darum umringt zu sein von den 19-jährigen Sprösslingen und irgendwie nicht mehr dazu zu gehören. Auch du stehst nach dem Studienabbruch auf deinen eigenen Beinen, und verdienst dein erstes richtiges Geld. Bist du raus aus der einen Generation und Teil einer neuen?
Ja total, ich mach mir da sehr viele Gedanken drüber. Ich versuche seit längerem ein Lied drüber zu schreiben, aber ich kann das noch nicht so ganz fassen. Ich hab das Gefühl, dass man so ein bisschen desillusionierter und gediegener wird. Man hat vorher irgendwie ständig neue Lieder entdeckt, die für einen die Welt bedeutet haben und nun wirkt das alles irgendwie so ein bisschen weniger krass. Ich wollte das Lied deshalb auch „Milchglas“ nennen, weil es alles eben nicht mehr so strahlend ist, man betrachtet alles dumpfer. Wobei das nichts Schlechtes ist, man bekommt dadurch einen besseren Überblick und ist nicht auf allen Seiten überfordert.
Spaceman Spiff, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sophie Lagies, Das Foto machte Moritz Körner