Über die Beschäftigungssituation von wissenschaftlichen Mitarbeitern und studentischen Hilfskräften sprach der webMoritz mit Diplom-Pädagogin Martina Winkelmann. Die Personalrätin berichtet von der Faszination der Wissenschaft, sie kritisiert aber die Befristung und dass wissenschaftliche Mitarbeiter – trotz halber Stellen – Vollzeit arbeiten.

webMoritz Frau Winkelmann, „Traumjob Wissenschaft“, gibt es dies an der Universität? Wie sieht es für die wissenschaftlichen Mitarbeiter in Greifswald aus?

Martina Winkelmann beklagt sich über die Befristung von wissenschaftlichen Mitarbeitern.

Martina Winkelmann Den Traumjob gibt es ja und nein wie an allen anderen Universitäten auch. Wissenschaftliches Arbeiten ist toll, weil man selbstständig und kreativ arbeiten kann. Viele wissenschaftliche Mitarbeiter fasziniert, dass sie eigene Fragen an die Wissenschaft stellen und nach Lösungen suchen können.

„Wissenschaftliches Arbeiten ist toll“

webMoritz Gibt es auch negative Seiten?

Winkelmann Fast alle Doktoranden, bis auf die in den Naturwissenschaften, haben nur halbe Stellen, obwohl sie wegen ihrer hohen Motivation Vollzeit arbeiten. Sie kommen in dieser Zeit kaum zu ihrer Doktorarbeit, da sie in andere Arbeiten an ihren Instituten eingebunden sind, sondern schreiben an ihrer Dissertation abends und am Wochenende. Der Professor erwartet oft eine Ganztagskraft.Wird der Verdienst hochgerechnet, verdient der wissenschaftliche Mitarbeiter soviel wie eine ungelernte Putzfrau. Hinzu kommt bei den zunehmend beschäftigten wissenschaftlichen Hilfskräften der Skandal, dass das Wohngeldamt manchmal noch Unterstützung zahlen muss.

webMoritz Wie sieht es mit den Befristungen bei den Mitarbeitern aus?

„Trotz halbe Stellen arbeiten wissenschaftliche Mitarbeiter wie Vollzeit“

Winkelmann Ein Jahr wissenschaftlichen Mitarbeiterin, Elternzeitvertretung, Lehrkraft für besondere Aufgaben mit vier bis fünf Seminare pro Semestern, mal zwischendurch wissenschaftliche Hilfskraft, so sehen die verschiedenen Befristungsstationen aus, die ein Doktorand in seiner maximal sechsjährigen Promotionszeit erleben kann. Die Lebensplanung fällt dann zunehmend schwer: Wer nicht weiß, ob er in einem Jahr noch beschäftigt ist, gründet keine Familie und kann sich nichts aufbauen. Verschlimmernd kommt hinzu, dass die Befristungsdauer im Durchschnitt immer kürzer wird.

webMoritz Warum nehmen die wissenschaftlichen Mitarbeiter das in Kauf?

Winkelmann Die wenigsten von ihnen wollen nach neuesten Studien weg von der Uni. Dies hängt schon mit der tollen Arbeit zusammen, aber auch mit einem Arbeitsumfeld, was wenig Alternativen aufzeigt. Auch wenn nur zehn Prozent des wissenschaftlichen Nachwuchses eine Professur erreichen können, nehmen sie Befristungen in Kauf. Ich kenne Mitarbeiter, die über 40 und immer noch befristet sind, obwohl sie schon für Projekte verantwortlich sind. Nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz sind solche Befristungen im Drittmittelbereich bis zur Rente möglich.

„Mitarbeiter klagen über Zwangsteilzeit und fehlende Verlängerungsmöglichkeiten“

webMoritz Wie zufrieden sind insgesamt wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Uni, hängt dies von der Fakultät ab?

Winkelmann Die allgemeine Zufriedenheit ist schwierig zu sagen, weil meine Arbeit als Personalrätin ja eher die kritische Masse betrifft. Es sind aber eine ganze Reihe von Mitarbeitern. Sie beklagen sich dann über die Zwangsteilzeit und fehlende Verlängerungsmöglichkeiten ihrer Verträge, was am Anfang keine Rolle spielte. Das merken die Mitarbeiter dann erst später. An erster Stelle aber steht die fehlende Wertschätzung der Vorgesetzten. Die Zufriedenheit hängt weniger von der Fakultät ab, sondern vielmehr von den Führungsqualitäten der Vorgesetzten. Zum Beispiel wenn Top-Down-Entscheidung getroffen werden, ohne die Mitarbeiter „mitzunehmen“. Dies war der Fall, als die Philosophische Fakultät umstrukturiert wurde. Als Bereiche geschlossen oder zusammengelegt wurden, gab es viel Unzufriedenheit bei den Betroffen. Wissenschaftler lernen leider nicht zwingend, Mitarbeiter zu führen.

webMoritz Was bedeutet die Situation der wissenschaftlichen Mitarbeiter für die Studenten?

„Mehr unbefristete Beschäftigte notwendig“

Viele wissenschaftlichen Mitarbeiter wollen an der Universität bleiben.

Winkelmann Ihr Studenten merkt das sicher direkt, wenn das  Lehrpersonal häufig wechselt. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, der keine Vertragsverlängerung bekommt, ist vermutlich auch nicht mehr so stark motiviert.

webMoritz Wie kann die Lage verbessert werden?

Winkelmann Wichtig ist, dass es mehr unbefristet Beschäftigte im akademischen Mittelbau gibt. Eine Promotion während der Beschäftigung  muss möglich sein. Wenn aber Arbeitsbedingungen dazu führen, dass wissenschaftliche Mitarbeiter sich um viele andere Projekte als ihre Dissertation kümmern müssen, wird daraus nichts. Weiterhin ist mehr Praxisrelevanz notwendig, um einen Plan B für die eigen Berufspraxis entwickeln zu können. Wer sich dann für den Wissenschaftsweg entscheidet,  muss die Zukunft sicherer planen können.

„Die Hilfskräfte werden teilweise behandelt wie die Privatangelegenheit der Professoren.“

webMoritz Wie sieht es bei studentischen Hilfskräften mit Arbeitsbedingungen aus?

Winkelmann Die Hilfskräfte werden teilweise behandelt wie die Privatangelegenheit der Professoren. In Berlin gibt es schon eine Personalvertretung für studentische Hilfskräfte, in Mecklenburg-Vorpommern leider noch nicht. Viele von ihnen wissen gar nicht, dass sie Anspruch auf Urlaub und bei Krankheit auf Lohnfortzahlung haben. Kritisch sehe ich auch, dass sie Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, die eigentlich  Tarifbeschäftigte machen sollten. Das ist eine rechtliche Grauzone. Positiv ist aber für die studentischen Hilfskräfte, dass sie den Wissenschaftsbetrieb kennen lernen und abschätzen können, ob es etwas für sie ist oder nicht.

webMoritz Frau Winkelmann, vielen Dank für das Gespräch.

Fotos: Christine Fratzke (Hauptgebäude), David Vössing (Winkelmann) Robert Weißenberg via Wikipedia (Laser Aufmacher, CC-Lizenz),