Unsere Umgebung verändert sich beständig. Ein Teil dieser Veränderungen bildet Street-Art, die sich aus der Graffiti-Bewegung heraus bildete. Banksy, einer der bekanntesten Künstler, produzierte einen Film über das Phänomen.

Mitte Januar 2011 gab es auf der Auktionsplattform Ebay den realen Namen des Street-Art Künstlers Banksy zu ersteigern, geschrieben auf einem Stück Papier. Die Auktion konnte im letzten Moment verhindert werden. Fast eine Million Dollar wurde für die Identität des wohl meist bekanntesten Street-Art Künstlers geboten, dessen Straßenkunst überall auf dem Globus zu betrachten ist. Was viele Begeisterte vor dem Computer verfolgten, stellte sich im Nachhinein als Scherz heraus.

Der Franzose Thierry Guetta tat genau das Gegenteil: Er verkaufte seine Kunst aus dem urbanen Raum und gleichzeitig auch seinen Namen. Acht Jahre lang begleitete er mit der Kamera die aktivsten der Szene, die ihre Stencils (gesprühte Schablonenkunst, Anm. d. Red.), Graffiti, Sticker, Kacheln und andere Arten der kreativen Straßenkunst in der ganzen Stadt verteilen. Das tat er unter dem Versprechen, daraus eine Dokumentation über dieses Phänomen zu produzieren – darunter auch Banksy, ein Phantom der Szene, der ursprünglich in England mit Street-Art begann.

Der entscheidende Wendepunkt ergibt sich, als Guetta sein Versprechen einlöst und seine fertige Dokumentation „Life Remote Control“ Banksy vorführt. Aufgrund der schlechten Produktion des Films rät Banksy Guetta dazu, sich selbst der Kunst zuzuwenden. Banksy begann die kistenweise vorhandenen Aufnahmen zurecht zu schneiden, um daraus einen Film zu entwickeln – „Exit Through The Gift Shop“, der im Oktober letzten Jahres erschien. Der in Los Angeles lebende Guetta nimmt den Ratschlag an und beginnt mit relativ einfachen Street-Art- Aktionen wie dem Kleben von riesigen Bildern an Häuserwände. Und das, obwohl Guettas Kunst keine Innovationen darstellt, es sind gewöhnliche Pop-Art Produktionen, die alltägliche Bilder verfremden.

Es scheint als hätte er, der unermüdlich die bekanntesten Straßen- künstlerinnen und -künstler begleitete, daraus seine eigene Kunst geformt. Die Aneignung dessen verschaffte ihm den Sprung in die kommerzielle Verbreitung von urbaner Kunst. Diese Kreativität hat bis heute auch den Weg in das weltbekannte Auktionshaus „Sotheby’s“ geschafft, für einen „Banksy“ werden bis zu sechsstellige Preise geboten. Und exakt an dieser Stelle setzt „Exit Through The Gift Shop“ an. Das Blatt wendet sich, Guetta gerät in den Fokus in dem Moment als er sich der Kunst zuwendet. Er wird erst zum Street-Artisten, initiiert dann einen Prozess der Kommerzialisierung. Die Betrachtung dessen, was der gezielte Kommerz darstellt, ist nichts weiter als ein zynisches Spiegelbild für die Kunstszene und die Verscherbelung von Street-Art, dessen Zweck damit absolut entfremdet wird.


Dass Banksy mit diesem Film wohl den meisten Kunstliebhabern damit eine Ohrfeige im übertragenen Sinne gibt, wird gerade diesen wahrscheinlich kaum bewusst werden. Eines der bekanntesten Stencils, die Banksy anfertigte, befindet sich in Brighton (UK) – und auch leicht verfremdet im kleinen Greifswald. Die ursprüngliche Version der zwei sich küssenden Polizisten wurde in Greifswald durch zwei Verbindungsstudenten ersetzt, in gleicher Pose und gleicher Machart. Und jeder und jede die sich in Nähe des Rubenowplatzes bewegen, können es am Büro des Allgemeinen Studierendenausschusses entdecken. Auch wenn Greifswald eine relativ kleine Stadt ist, so gibt es doch – nicht zuletzt auch wegen der Studierenden – Street-Art in vielen Varianten: seien es Sticker, Tags oder Stencils. Allerdings gibt es hier keine größeren Projekte, wie sie im Banksy-Film zu sehen sind, nicht zu entdecken – beispielsweise riesige, besprühte und beklebte Hauswände.

„Wer mit offenen Augen durch Greifswald geht, kann jede Menge kleiner Kunstwerke und eigentlich alle Formen der Street-Art entdecken“, erklärt C., der nicht mit seinem richtigen Namen genannt werden will, vom Greifswalder Dokumentationskollektiv „daklebtwas“, das sämtliche Kreativität, die sich auf Greifswalds Straßen offenbart, auf der gleichnamigen Internetplattform festhält. Dank der vielzähligen Websites könne sich heutzutage jeder an Street-Art in Greifswald beteiligen, Programme wie Photoshop würden es noch weiter vereinfachen. „Auch kann man zu jedem Semesterstart beobachten wie ein bis zwei neue Menschen hinzukommen und in der Stadt mitmischen“, beschreibt der Student weiter.

Die individuelle Ausdrucksform im urbanen Raum sei durch ihre Platzierungen und Gestalt (fast) immer politisch. Wer sich selbst künstlerisch betätigen möchte, dem steht in der Hansestadt die Wall of Fame am Ryck zur Verfügung. Street-Art bleibt selbstverständlich Sachbeschädigung. Ob dies immer noch der Fall ist, wenn schon bei den Kunstauktionen Street-Art jeglicher Art versteigert wird, ergibt sich als zweischneidiges Schwert. C. beschreibt den Charakter der Straßenkunst abschließend so: „Wer sich zweimal überlegt, an welcher Stelle sein Tag, Peace, Stencil besonders gut zur Geltung kommt, tut nicht nur sich einen Gefallen.“ Und auch mit dem Film „Exit Through The Gift Shop“ tat Banksy den meisten Menschen, die Street-Art machen, einen Gefallen. Vielleicht sogar der Kunstszene.

Ein Bericht von Luisa Pischtschan mit Fotos von Luisa Pischtschan und einer Grafik von ATMedien.