Was machen, wenn man nicht Herr seiner Emotionen ist?
Die Angst zu versagen kennen sicher viele. Doch wenn diese Angst zum Dauerzustand wird, man eine ständig gedrückte oder eingeengte Stimmungslage hat, dann ist dies ein starkes Signal für eine Depression.
Depressionen sind die am häufigsten auftretenden psychischen Erkrankungen und das Bundesgesundheitsministerium schätzt, dass rund fünf Prozent der Deutschen davon betroffen sind (die Dunkelziffer ist deutlich höher). Doppelt so häufig wie bei Männern wird diese Krankheit bei Frauen diagnostiziert, eine dieser Frauen ist Bea*. Sie ist 22 Jahre alt und studiert hier in Greifswald BWL im zweiten Semester.
„Ich habe gemerkt, dass es bei mir im Kopf anders läuft als bei anderen. Aber ich dachte dann, es wird schon einen Grund geben, warum ich mich für alles mögliche schuldig fühle und mich kaum noch an etwas erfreuen kann“, sagt sie zögerlich. Mittlerweile wisse sie, dass dies wahrscheinlich die Vorboten waren für das was danach kommen sollte. Sie sei schon immer eher zurückhaltend und ängstlich im Umgang mit neuen Dingen gewesen. Doch nun spürt sie häufiger dieses Gefühl des Versagens. Diese Vorahnung wurde am Ende des ersten Semesters zur Gewissheit: „`Nicht ausreichend‘, hieß es in dem Schreiben vom Prüfungsamt und ich wusste nicht mehr wo oben und unten war. Mich hat die Nachricht völlig aus der Bahn geworfen und ich hatte zwei Wochen lang durchweg das Gefühl weinen zu müssen. Doch ich blieb stark!“
Innerlich war Bea so angespannt, dass sie regelmäßig anfing zu zittern und zusätzlich noch diesen Druck in der Brust verspürte: „Ich musste mich als Kind schon immer zusammenreißen, immer funktionieren, dass ich manchmal recht stolz auf meine Selbstbeherrschung bin. Mir sieht man die schlimmsten Dinge nicht an, wenn ich nicht will. Aber hier habe ich so liebe Menschen kennengelernt, die durchschauen mich dann doch“, sagt sie und man ahnt was kommen musste. Sie bricht zusammen. Weint sich aus und hofft auf Besserung. Nach der Frage, ob der Druck jetzt weg sei, meint Bea nur: „Nicht wirklich! Nur manchmal, aber diese Zeiten sind selten.“ Es gibt Zeiten da ist es einfach und dann bricht wieder über einem die Welt zusammen und die Gründe sind nicht immer klar erkennbar. „Man fühlt sich häufig so hilflos und machtlos gegenüber seinen Emotionen und das behindert mich dann auch in der Uni“, erklärt sie.
Man kann es sich als „normal“ empfindender Mensch kaum vorstellen, wie es wohl in so einer Situation ist. Bea meint man hätte so viele Emotionen auf einmal in sich, dass man denke die Brust platzt jeden Augenblick. Doch leider überwiegen dabei die schlechten Gefühle. Wenn man die Auswirkungen betrachtet, so sind sie je nach Schweregrad unterschiedlich. Der zuständige Psychologe des Studentenwerks unterscheidet folgendermaßen: „Beim Vorliegen einer so genannten ‘leichten depressiven Episode‘ haben Betroffene bereits deutliche Schwierigkeiten ihrer normalen Berufstätigkeit oder ihren sozialen Aktivitäten nachzugehen. Sie geben aber ihre alltäglichen Aktivitäten nicht vollständig auf. Eine Person mit einer ‘mittelgradigen depressiven Episode‘ kann nur unter erheblichen Schwierigkeiten soziale, häusliche und berufliche Aktivitäten fortsetzen. Beim Vorliegen einer so genannten ‘schweren depressiven Episode‘ ist die Fortführung sozialer, häuslicher und beruflicher Aktivitäten nicht mehr oder nur noch ansatzweise möglich.“
Bea hat nun beschlossen sich helfen zu lassen, doch auch dieser Weg ist kein einfacher. Was für Therapiemöglichkeiten gibt es? Wo gibt es diese und muss ich dafür bezahlen?
Durch alle diese Fragen musste sich auch Bea kämpfen. Als erstes muss man sich entscheiden, was genau für eine Therapie man machen möchte. Die Auswahl ist sehr vielseitig, aber die am meisten praktizierten Möglichkeiten sind die Psychoanalyse, die Tiefenpsychologie und die Verhaltenstherapie. Die Verhaltenstherapie gibt Methoden in die Hand, zukünftig besser mit seinen Problemen umzugehen. Wenn man sich hingegen die Psychoanalyse und die Tiefenpsychologie anschaut, diese haben eine analytische Herangehensweise. Sie decken Probleme auf und versuchen dahingehend die Persönlichkeit und das Gefühlsleben umzustrukturieren. Bei der Tiefenpsychologie steht einem zusätzlich eine begrenzte Zeit zur Verfügung, welche dann das Symptom mindern soll.
Was man da wählen sollte, bespricht man am besten mit seinem Hausarzt oder gegebenenfalls mit einem Facharzt. Wenn man sich nun auf eine Therapieart geeinigt hat, kommt das Problem der Finanzierung auf einen zu. Bei den meisten Studenten ist es so, dass sie bei den Eltern kassenärztlich mitversichert sind und zwar häufig über eine gesetzliche Krankenkasse. Die Krankenkassen haben eine Liste von Therapeuten, bei denen sie die Kosten übernehmen. (Siehe Infobox).
Mit Terminen bei den Greifswalder Therapeuten sieht es oft schlecht aus. „Ich habe bei fünf oder sechs verschiedenen Therapeuten angerufen und sie sagten mir alle eine Wartezeit von sechs bis zwölf Monaten voraus. Das ist gerade bei einem akuten Fall zu lange. Doch unsere Therapeuten hier in Greifswald haben einfach nicht mehr Plätze zur Verfügung“, erzählt Bea und ist froh einen Platz gefunden zu haben. Sie musste zwar lange suchen, doch fündig wurde sie nicht bei den kassenärztlichen Therapeuten.
Sie hat jemanden gefunden, der zwar hauptsächlich von privaten Krankenkassen übernommen wird, aber unter Umständen teilweise auch von ihrer Gesetzlichen. Den Restbetrag zahlt sie jetzt aus eigener Tasche, dafür muss sie nicht noch länger warten. „Ich will kein Mitleid, dass will keiner in meiner Situation. Ich will nicht die Person sein, die von ihrem Vater regelmäßig verprügelt wurde und daher jetzt nicht mehr klar kommt. Ich will Menschen, denen es ähnlich geht, egal warum dies so ist, helfen. Sie sollen sich aufraffen und Hilfe suchen, denn so wie es jetzt ist, muss es nicht sein.“
Zu den letzten Fragen der Behandlung und ob Depressionen vererbbar sind, sagt der psychologische Psychotherapeut Josef Löbke: „Die Dauer der Behandlung von Depressionen kann sehr unterschiedlich sein und ist unter anderem abhängig vom Schweregrad des Störungsbildes und vom Verlauf. Bei der genetischen Disposition geht man heute davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit, irgendwann im Laufe des Lebens an Depressionen zu erkranken, nachweislich höher ist, wenn andere Familienangehörige bereits an Depressionen leiden beziehungsweise gelitten haben.“
Abschließend lässt sich noch sagen, ob jemand sich helfen lassen möchte oder nicht, ist allein seine Entscheidung, die kann ihm niemand abnehmen. Doch allein sie ist der erste große Schritt…
Ein Bericht von Ella Jahn mit einer Illustration von wikipedia (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/13/Depressed.svg)