Landesbildungsminister Henry Tesch möchte Jugendoffiziere zur politischen Bildung in die Schulen schicken.
„Tesch muss weg“. Der Spruch, der in den vergangenen Wochen noch Banner zierte und Gemüter in Debatten erhitzte, drängt sich als Forderung immer weiter auf. Nicht nur was das Vorhaben zur Lehramtsausbildung in Greifswald angeht. Vorbei an dem Koalitionspartner im Landesparlament – der SPD – setzte sich Kultusminister Henry Tesch (CDU) besonders dafür ein, die Bundeswehr zur politischen Bildung in Schulen in Mecklenburg-Vorpommern einzusetzen. Der Ursprungspunkt dieser landesweiten Debatte liegt allerdings auf bundesweiter Ebene.
Denn Mitte Mai äußerte sich Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg in der Bild am Sonntag zu Informationsveranstaltungen an Schulen, die unter anderem auch von Afghanistan-Soldatinnen und Soldaten abgehalten werden sollen: „Ich kann Schulen und öffentliche Einrichtungen nur ermuntern, ihre Türen für unsere Soldaten und die Realität zu öffnen, beispielsweise auch für kritische Debatten über Afghanistan-Einsätze“, äußerte er sich. Über diese Veranstaltungen könnten die Schülerinnen und Schüler doch oftmals mehr über die Wirklichkeit vor Ort erfahren. Und darüber, was es bedeute, Bundeswehrsoldat zu sein. Schade eigentlich, dass man das heute als Schülerin oder Schüler erfahren muss. Und schade vor allem, dass unser Bundesverteidigungsminister im weiteren Verlauf des Interviews noch meint, dass es seine „verdammte Pflicht“ sei, die Wahrheit über die Einsätze „offen und ungeschminkt“ zu kommunizieren, damit die Gesellschaft weiß, was es bedeutet, wenn Papa aus dem Krieg nicht mehr heim kommt.
Um nun weitere Schülerinnen und Schüler für die Militär-Thematik zu sensibilisieren oder doch eher zu mobilisieren, möchte Bildungsminister Tesch einen Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr abschließen. In diesem soll der uneingeschränkte Zugang der Bundeswehr – insbesondere der von Jugendoffizieren – an Schulen möglich sein. Insbesondere die Forderung von zu Guttenberg, Afghanistan-Veteranen berichten zu lassen, fand auch hierzulande bei den Christdemokraten großen Anklang. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) war diese Möglichkeit der politischen Bildung allerdings zuwider. Die SPD in Mecklenburg-Vorpommern lehnte diese Option ab. Die gute Nachricht sei, stellte Kultusminister Tesch trotz der Ablehnung des Koalitionspartners zufrieden fest, dass die Verträge mit der Bundeswehr trotzdem zustande kämen. Herzlichen Glückwunsch.
Die Bundeswehr kommt nicht zu schulischen Informationsveranstaltungen, um sich kritische Fragen stellen zu lassen. Denn diese können Schülerinnen und Schüler noch nicht stellen – das liegt zum einen daran, dass sie sich in diesem Gebiet nicht ausreichen auskennen und vor allem die persönlichen Erfahrungen noch nicht genügen. Ausgehend von diesem Aspekt würde die Informationsveranstaltung zu einer indirekten PR-Veranstaltung verkommen. Auch Werbebusse der Bundeswehr oder Veranstaltungen in Kooperation mit anderen Firmen stellen PR-Maßnahmen dar, bei denen Jugendlichen beispielsweise ein Journalismus-Workshop versprochen wird, allerdings nur Jugend-offiziere da sind, um die Teilnehmenden von der Bundeswehr zu überzeugen. Wozu sonst sind die Werbenden gut ausgebildete Soldatinnen und Soldaten mit Hochschulstudium – kombiniert mit Erfahrung auf Führungsebenen und einem freundlichen Auftreten. Nicht zu vergessen die guten sicherheitspolitischen Kenntnisse.
Auch die hierarchische Struktur der Bundeswehr klingt in Ohren von Schülerinnen und Schülern sicherlich verlockender als sie ist. Ist es doch einfacher, sich unterzuordnen als etwa zu Denkanstößen angeregt zu werden. Man gilt zwar als Mitglied der Masse – ist aber trotzdem wichtig. Wie der Aspekt „wichtig“ gerade beim Grundwehrdienst wahrgenommen wird, beschreibt ein Beitrag im Spiegel Nr. 25 mit der Überschrift „Die große Leere“. Komischerweise wurde vor kurzem der Grundwehrdienst von neun auf sechs Monate verkürzt, zu Guttenberg sprach sogar davon, dass er innerhalb von zehn Jahren nicht mehr existieren würde.
Nicht zu vergessen: Das alte Klischee vom Soldaten als „Held“, das sicherlich heutzutage noch bei Pubertierenden große Erwartungen weckt, aber nicht erfüllt. Der Traum vom starken Mann, der sich viel Respekt verdient, indem er dem Vaterland seinen Eid schwört und sich gegebenenfalls in ein anderes Land versetzen lässt, um dort mit Anweisungen und Knarre Krieg zu führen. Da braucht es mehr als Gegenvorträge von Organisationen, die sich kritisch gegenüber dem Wehrdienst äußern. Hier braucht es Menschen in den Klassen, die nicht nur kritisch reflektieren, sondern sich auch ihrer Mündigkeit sicher sind. Und das sind Schülerinnen und Schüler gewiss (noch) nicht.
Andererseits stellen die Schulen eine leichte Beute für die Vorträge der Jugendoffiziere dar. Mecklenburg-Vorpommern als strukturschwache Region ohne ein breites und besonders ausgeprägtes Angebot an Arbeitsplätzen. In einer derartigen Situation befinden sich tatsächlich viele Schülerinnen und Schüler, die es Tag für Tag durch ihre Eltern erfahren. Aufgrund dieser Bedingungen erscheint es vielen wahrscheinlich als gute Alternative, zur Bundeswehr zu gehen – ein guter Verdienst, am Wochenende frei, im optimalen Falle etwas Disziplin erlernen. Ein derart autoritäres System, das von sich überzeugen will, hat in einer Schule nichts zu suchen. Die Bildungseinrichtung soll vielmehr dazu da sein, um ein fundiertes Wissen zu vermitteln, damit ein erster Schritt Richtung Mündigkeit erreicht wird. Wie Heinrich Heine schon meinte „So ein wenig Bildung ziert den Menschen.“ Gut, dass es den Schulen noch frei steht, ob sie die Bundeswehr für Informationsveranstaltungen zu sich einladen.
Ein Kommentar von Luisa Pischtschan mit einem Bild von Martina Gäde