Nach den Fusionsplänen der Landesregierung bangt nicht nur das Theater Vorpommern um seine Zukunft.
Schon seit Jahren drückt die finanzielle Schieflage in den Theaterhäusern des Landes. Kunst und Kultur müssten der Tatsache Rechnung tragen, dass das Land immer weniger Einwohner und daher immer weniger Steuereinnahmen habe, so die Forderung von Innenminister Lorenz Caffier (CDU). Zudem würden Fördermöglichkeiten immer geringer werden. Durch einen Zusammenschluss sollen Kosten in Millionenhöhe eingespart und die künstlerischen Sparten auf die verschiedenen Standorte verteilt werden. Die geplanten Fusionen könnten jedoch verheerenden Folgen haben…
Finanzierung bis 2013 gesichert
Noch bis 2013 ist die Finanzierung der Theater und Orchester durch das Land gesichert, 35,8 Millionen Euro sollen jährlich fließen. Damit wären die Grundlagen geschaffen, um eine Neustrukturierung der Kulturlandschaft, wie sie in den Eckpunkten zur „Weiterentwicklung der Theater- und Orchesterstrukturen 2010 – 2020“ von der Landesregierung 2008 beschlossen wurde, voran bringen zu können. Nach diesem sollen zwei Kulturkooperationsräume errichtet werden. Im „Kulturkooperationsraum I“ sollen die westlichen Kulturhäuser des Landes, darunter das Staatstheater Schwerin und das Volkstheater Rostock, miteinander fusionieren, im „Kulturkooperationsraum II“ würden die östlichen Theater, wie das Theater und Orchester Neubrandenburg/Neustrelitz sowie das Theater Vorpommern, zusammengelegt werden.
Fusion der östlichen Theater möglicherweise schon 2011
Im „Kulturkooperationsraum II“ werden zurzeit die Grundlagen geschaffen. Ein Gutachten sieht vor, in Stralsund Oper und Musiktheater, in Greifswald das Schauspiel, in Neustrelitz Operette sowie Musical und in Neubrandenburg das Orchester anzusiedeln. Geht es nach dem Land, so sollen die Pläne bereits 2011 umgesetzt werden. Dies obliegt jedoch den Bürgerschaften, die derzeit eigenständig über die künftige Entwicklung entscheiden und damit kein fertiges Konzept absegnen sollen. Die Greifswalder Bürgerschaft hat auf einer Sondersitzung am 22. Juni die Verwaltungen beauftragt, verschiedene Modelle zu prüfen.
Die Gesellschafter führten dafür Vorgespräche innerhalb der Theater Vorpommern und Neubrandenburg/Neustrelitz, um Möglichkeiten der künftigen Zusammenarbeit auszuloten. Die Fusion zu einem gemeinsamen Theater sei nur eine Option. Daneben soll eine mögliche Zusammenarbeit der verschiedenen Häuser geprüft und eine dritte, noch offene Variante erarbeitet werden. Wichtig bei der Entscheidung sei letztendlich, welches Konzept sich sowohl künstlerisch als auch wirtschaftlich umsetzen lässt. Das dies nicht ohne Zuschüsse des Landes auskommen kann, wurde auf der Sondersitzung der Bürgerschaft betont. Nach Aussage der Gesellschafter sei das Land aber bereit, in Verhandlungen zu treten. Die Vorschläge müssten jedoch von den Bürgerschaften kommen. Greifswald wird seine Entscheidung im Oktober treffen.
Haustarifvertrag soll vorerst Entlassungen verhindern
Nach Aussage der Gesellschafter soll es vorerst zu keinem Abbau im Personalbereich kommen. Bis 2011 seien aufgrund des Haustarifvertrages Entlassungen bei der Theater Vorpommern GmbH ausgeschlossen, danach müsste ein neuer erarbeitet werden. Die Sparpolitik des Landes könnte dem Theater aber vor allem künstlerisch an die Substanz gehen. „Es ist nicht sinnvoll zwei Haufen zusammen zu werfen. Was bisher gewachsen ist, muss in eine Struktur gebracht werden“, so Stefan Malzew, Chefdirigent des Orchesters Neustrelitz und Gast auf der Sondersitzung der Greifswalder Bürgerschaft.
Schwere Zeiten für das Theater Vorpommern
Neben der Sparpolitik des Landes hat das Theater Vorpommern noch weitere Sorgen. So wurden am 28. Mai der Intendant des Theaters Vorpommern, Professor Anton Nekovar, und dessen kaufmännischer Geschäftsführer, Hans Peter Ickrath, fristlos entlassen. Es sei die Konsequenz für die ständigen Streitigkeiten zwischen den beiden Geschäftsführern und die angebliche Nicht-Umsetzung von Beschlüssen der Gesellschafter und des Aufsichtsrates, so die Mitteilung der Gesellschafter. Die Juristen Hans-Walter Westphal und Rainer Steffens werden bis zum Jahresende die Geschäftsleitung übernehmen. Diese sehen ihre Hauptaufgabe darin, dass Unternehmen aus der derzeitigen wirtschaftlichen Problemlage herauszuführen. „Unser Ziel ist es, eine solide wirtschaftliche Basis für einen weiterhin erfolgreichen Kulturbetrieb des Theaters Vorpommern zu schaffen und die Arbeitsplätze aller Mitarbeiter zu sichern“, so Westphal und Steffens.
Förderverein Hebebühne: „Heimlichtuende Hinterzimmerpolitik“
Die Hebebühne, Förderverein des Theaters, fordert die Gesellschafter und Bürgerschaften auf, die Fusionspläne des Landes zu stoppen und beruft sich dabei auf 16.000 gesammelte Unterschriften. Sorgen macht sich der Förderverein vor allem wegen des Schweigens der Gesellschafter. „Kündigungen der Geschäftsführer, Fusionsplanungen – alles hinter verschlossenen Türen, im dunkeln Kämmerchen, mit einem Wort: heimlichtuende Hinterzimmerpolitik unter Ausschluss der Öffentlichkeit.“ Dass derzeit Juristen das Haus führen, legt ihrer Meinung nach den Verdacht nahe, dass nicht künstlerische, sondern juristische Themenfragen den Schwerpunkt der künftigen Theaterzeit dominieren werden.
Das Philharmonische Orchester Vorpommern ist der am stärksten gefährdete Bereich des Theaters, so die Befürchtungen der Hebebühne. Mit seinen knapp 60 Musikern ist es jedoch das Kernensemble des Theaters. Es zu beschneiden, hätte verheerende Folgen. Neben seinen eigenen Konzerten, leben viele Eigenproduktionen des Theaters, wie Opern, Ballettproduktionen und Konzertliteratur, von einer Orchesterbeteiligung. Dafür bedarf es einer Mindestgröße. Werde dort gekürzt, wird das Herz des Theaters enorm geschwächt. Und dies könnte der Anfang eines langsamen Ausblutens der Theaterhäuser sein.
Ein Bericht von Annegret Adam mit einem Foto von Vincent Leifert