Das Institut für Psychologie der Universität Greifswald erhält 500.000€ für die Durchführung einer weiteren Studie zum Thema Panikattacken, die erste fand in den vergangenen 3 Jahren statt. Dazu sprach webMoritz.de mit Prof. Dr. Alfons Hamm, der Leiter des Projekts in Greifswald ist.

Angst kann eine sinnvolle Sache sein. Sie schützt uns davor, Situationen aufzusuchen, die eine Gefahr für Leib und Leben sein können. Manchmal ist Angst hinderlich, zum Beispiel wenn man vor einer großen Menschenmenge sprechen möchte und Lampenfieber bekommt. In seltenen Fällen ist Angst aber auch etwas, was das Leben stark beeinträchtigen kann.

Wenn Angst das Leben bestimmt

Panikattacken kommen häufig äußerst plötzlich.

Das ist dann der Fall, wenn ein Mensch an sogenannten Panikattacken leidet. Panikattacken sind plötzlich auftretende Angstanfälle, bei denen der Betroffene körperliche Symptome wahrnimmt. Zu den häufigsten zählen Herzrasen, Atemnot, Schwindel, Benommenheit, Hitzewallungen, sowie Schmerzen oder Engegefühle in der Brust. Begleitet werden diese körperlichen Symptome von schrecklichen Gedanken wie beispielsweise, dass man sterben müsse oder verrückt werden könne.

Viele Menschen erleben in ihrem Leben eine Panikattacke, doch nur bei einem kleinen Teil entwickelt sich eine Angststörung, die mitunter das Leben stark beeinträchtigen kann. Ein großes Problem ist, dass die Betroffenen oft erst nach mehreren Jahren in Behandlung kommen, da Ärzte vor allem den körperlichen Symptomen nachgehen und nicht deren Ursachen hinterfragen.

Besonders problematisch bei einer Angsterkrankung ist, dass Betroffene diese durch „Sicherheitsverhalten und Vermeidung“ noch zusätzlich unterstützen. So vermeiden Betroffene angstauslösende Situationen, da sie eine „Erwartungsangst“ bzw. Angst vor der Angst haben, dass in der vermiedenen Situation eine Angstattacke auftreten könnte. Auch versuchen Betroffene durch bestimmte Verhaltensweisen (Handy immer griffbereit etc.), sich Sicherheitsinseln zu bauen, die ihnen über die Angst hinweghelfen. Dies führt dazu, dass Betroffene sich immer mehr abkapseln und ihr Leben immer mehr nach den Bedürfnissen ihrer Ängste ausrichten. Dies ist für Betroffene und ihre Angehörige oft stark frustrierend.

Sich der Angst stellen

Über die letzten drei Jahre gab es bereits eine Studie, die in Zusammenarbeit mit anderen Instituten in Deutschland durchgeführt wurde. In Greifswald wurden dabei 47 der insgesamt 369 Betroffenen behandelt. Die Verhaltenstherapie versucht, Betroffenen aus ihrer Angst heraus zu helfen. Dazu werden zunächst Gespräche zum Thema Angst geführt. Der Betroffene wird darüber informiert, was in ihm abläuft, wenn er eine Angstattacke hat und welche Gründe dazu geführt haben könnten, dass eine Angsterkrankung bei ihm aufgetreten ist.

Mit gezielten Übungen stellen sich dann die Betroffenen ihrer Angst (Expositionstherapie). Das Ziel dabei ist es, die Angst auszuhalten und zu provozieren. Der Betroffene muss die Angst solange aushalten, bis sie vollkommen verschwunden ist. Situationen die dazu genutzt werden, sind unter anderem Busfahren, ein Spaziergang im Elisenhain und ein Kaufhausbesuch, sowie zwei individuelle Situationen. Die Betroffenen kostet es mitunter enorme Überwindung die Übungen durchzuführen.

Die Erfolgsquote der Behandlung ist sehr gut. So kann bei 80% der Betroffenen eine wesentliche Verbesserung festgestellt werden. Bei 10% tritt keine Verbesserung ein und 10% brechen die Therapie vor Abschluss ab.

Neue Studie erforscht Faktoren für Therapieerfolg

„Mit der neuen Studie wollen wir herausfinden welche Mechanismen dazu führen, dass die Therapie funktioniert. Damit wird es dann möglich, die Behandlung nochmals effizienter zu gestalten.“, erläutert Prof. Hamm. Wichtig ist es herauszufinden, was nach der ersten Panikattacke geschieht. Eine direkte Aufklärung und Intervention nach der ersten Attacke könnte vermutlich dazu beitragen, dass viele Menschen gar nicht erst in die Situation geraten, eine Angststörung auszubilden, so Prof. Hamm. „Leider finden die meisten Patienten aber erst nach durchschnittlich 7 Jahren zu uns.“, so Hamm weiter.

Problematisch ist zudem, dass ein Großteil der Patienten bereits Mitte 30 oder älter ist. Die Angststörung bildet sich jedoch bereits bei den meisten Betroffenen wesentlich früher aus. Der Prozentsatz an Studenten ist bei der Studie demzufolge sehr gering. Prof. Hamm fasst zusammen, dass jeder an der Studie teilnehmen sollte, der sich ernsthaft Sorgen macht, eine Angsterkrankung zu haben. Einen Selbsttest kann man auch online hier durchführen.

Neue Beratungsangebote auch für Studenten

Logo Studentenwerk

Das Studenentwerk arbeitet mit den Psychologen zusammen.

Das Thema Prüfungsangst beschäftigt eine Reihe von Studenten. Das Studentenwerk und das Institut für Psychologie arbeiten daran, ein Angebot für Studenten zu entwickeln, um etwas gegen starke Prüfungsängste zu unternehmen. „Das Problem ist, dass die Studenten oft erst kurz vor den Prüfungen Hilfe suchen“, so Prof. Hamm.

Das Angebot wird unter anderem Techniken zur besseren Organisation, Rollenspiele von Prüfungssituationen und Gespräche zu den eigenen inneren Leistungsstandards der Betroffenen enthalten. Auch Prokrastination („Aufschieberitis“) und Essstörungen werden für immer mehr Studenten zu einem Problem. Auch hier sollen in Zukunft Konzepte erarbeitet werden, um Betroffenen gezielt zu helfen.

Hilfe, wenn man sie braucht

Prokrastination kann sich zur ernsthaften Gefahr entwickeln.

Wer den Verdacht hat, eine psychische Erkrankung zu haben, sollte nicht lange warten sondern sich direkt Hilfe suchen. So bietet das Studentenwerk eine psychologische Beratung an. Aber auch an die Psychotherapieambulanz der Universität kann man sich jederzeit wenden. Der Vorteil bei ihr ist, dass man sehr schnell Hilfe bekommt. Nach ein bis drei Wochen kann oft das erste Diagnosegespräch geführt werden. Bei niedergelassenen Psychologen sind oft Wartelisten von bis zu einem dreiviertel Jahr üblich.

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Bilder: user “star5112” via flickr.com (CC-BY-SA, Motivbild Panic), moritz-Archiv/Katja Graf (Motivbild Prokrastination), webMoritz-Archiv