Man stelle sich mal vor: man geht in den Plattenladen um die Ecke, greift ins CD-Regal und kauft sich die Hörspielvertonung des eigenen Tagebuchs. Fiktiver Irrsinn? Nein. Gisbert zu Knyphausen vertont mit einfachem Instrument und allegorischen Worten ein Stück weit mein Leben und deines wahrscheinlich auch.

Gisbert zu Knyphausen

Kommt man nun zur Annahme der Liedermacher würde oberflächlichen Massenpop fabrizieren, ist man in die komplett falsche Gedankenstraße eingebogen. „Hurra! Hurra! So Nicht.“ ist so deutlich, tiefgründig, realistisch und zuweilen melancholisch wie ich es selten in der deutschen Musiklandschaft erleben durfte. Es ist das Salz in der Wunde („Morsches Holz“) und zugleich trostspendende Umarmung eines Freundes („Seltsames Licht“). Die Worte prügeln einem die Zähne aus der Visage oder mutieren zum Fallschirm kurz vorm Aufprall. Diese Ambivalenz der Gefühle drückt Knyphausen in dem Lied und Namensgeber „Hurra! Hurra! So Nicht.“ treffend aus.

Die Personifizierung der „Melancholie“ mit der einhergehenden Auseinandersetzung verarbeiten die Wut, die Verzweiflung oder den Schmerz mit den Worten „eigentlich mag ich dich ganz gern, wenn du nur ab und zu mal deine Fresse halten würdest“.

Soundtrack des Lebens

Es scheint als würde Knyphausen wie ein Schwamm fungieren – mit all seinen Sinnen steht er in der Welt, die ihn umgibt, und saugt sämtliche Eindrücke in sich auf. Er arbeitet mit diesen Sinneswahrnehmungen, beschreibt sie, interpretiert sie und presst sie schlussendlich auf einen Tonträger.

Das Wundersame an diesem Album ist, dass es nicht mal ein Zufallstreffer zu einem möglicherweise guten Zeitpunkt des allgegenwärtigen Krise-Begriffs ist. Diese Platte ist der Nachfolger des großartigen Debütalbums „Gisbert zu Knyphausen“ und steht dem in keiner Weise nach. Der unscheinbare Mann hinterm Mikrophon hat es einfach begriffen Lieder zu konzipieren, die einen nicht so schnell loslassen wollen wie seine kommerziellen, belanglosen Charts-Nachbarn.

Egal wie ungewohnt sein Name klingt, man sollte ihn besser im Hinterkopf behalten, denn ich habe das Gefühl durch ihn wird noch so mancher unserer Tagebucheinträge seine  Vertonung finden.

Foto: Dennis Williamson via wikimedia