Bundesbildungsministerin Anette Schavan

Am 17. Mai fand in Berlin der Bologna-Gipfel statt, der von der Bundesbildungsministerin Anette Schavan geleitet wurde. Zentrales Thema dieser Konferenz war die Reform der bereits seit langem umstrittenen Umstellung der Studiengänge auf das Bachelor/ Master-System (Bologna-Reform). In Folge der Studentenproteste im vorigen Jahr hatte Schavan ankündigt, ein Treffen zwischen Studenten und der Politik zu organisieren, um über notwendige Veränderungen an den Hochschulen zu diskutieren. Zu dem Gipfel war je ein Mitglied jeder politischen Hochschulgruppe aus jedem Bundesland eingeladen.

Kritisiert wurde vielerorts die Tatsache, dass die Allgemeinen Studierendenausschüsse der Universitäten nicht zu der Veranstaltung eingeladen wurden. Auch Schülerinnen und Schüler wurden nicht berücksichtigt. Dabei hatten nicht zuletzt diese Gruppen den Bildungsstreik und die Audimaxbesetzungen organisiert, die den Anstoß zur Debatte um den Bologna-Prozess gegeben hatten. In einem Interview mit dem Deutschlandradio kritisierte ein Masterstudent der Humboldt-Universität, dass mehr Vertreter aus der Wirtschaft  zu dem Treffen eingeladen wurden, als Studentinnen und Studenten. So sind unter anderem Vertreter von Siemens, Audi, VW, Telekom und der Hypo Vereinsbank vertreten gewesen. Der Forderung der Studierenden, dass sie zu 50 Prozent der Gesamtteilnehmerzahl vertreten sein sollen, um auf gleicher Augenhöhe debattieren zu können, kam Annette Schavan nicht nach.

Diese Kritik mündete in einem von Bildungsstreikenden organisierten Gegengipfel, der zur selben Zeit an der Humboldt-Universität stattfand. An dieser Gegenkonferenz nahmen etwa 400 Studentinnen und Studenten teil. Dort wurde unter anderem das weitere Vorgehen im Rahmen des Bildungsstreiks diskutiert. Peter Grottian, ehemaliger Professor der Freien Universität Berlin meldet sich bei dieser Veranstaltung ebenfalls zu Wort. In seiner Rede kritisiert er die Bologna-Konferenz, die bei weitem nicht ausreiche. Auch die bisherigen Aktionen des Bildungsstreiks gingen noch nicht weit genug.

Die Idee der Durchführung einer Bologna-Konferenz war eine Reaktion des Bundesbildungsministeriums auf die Studierendenproteste im vorigen Jahr.

Insgesamt zwei Milliarden Euro zusätzlich für Studium und Lehre

Die Bundesbildungsministerin ließ es sich auf der eigentlichen Konferenz nicht nehmen, auf dem Gipfel für ihre bisher umgesetzten Ideen zu werben. So pries sie beispielsweise das nationale Stipendienprogramm als elternunabhängige Studienfinanzierung an. Kritiker werfen dem zuständigen Ministerium vor, mit einem solchen Vorhaben überwiegend Studentinnen und Studenten aus wohlhabenden Familien zu fördern, wohingegen Studierende aus ärmeren Verhältnissen weiterhin schlechter gestellt blieben. 

Außerdem werden Hochschulen im Rahmen des Hochschulpaktes über einen Zeitraum von zehn Jahren zwei Milliarden Euro für neue Professuren und eine „Akademie der Lehre“ zur Verfügung gestellt. Das entspricht etwa einer halben Million Euro pro Jahr und Hochschule. Diese Akademie soll innovative Konzepte für Studium und Lehre entwickeln. Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, war angesichts der Höhe der Finanzierung wenig zufrieden. Nach Angaben des Wissenschaftsrates seien zusätzlich mindestens 1,1 Milliarden Euro pro Jahr notwendig, um eine angemessene Qualität der Lehre zu ermöglichen. Derweil fordert Hessens Ministerpräsident Roland Koch angesichts der derzeitigen Haushaltslage drastische Einsparungen im Bildungswesen. Er kündigte an, bis 2011 in seinem Bundesland den Etat für Hochschullehre um 54 Millionen Euro zu kürzen.

Bildungsminister halten konsequent an der „Master-Hürde“ fest

Im Rahmen der Bologna-Reform wurde der Forderung von Studierenden nach der Aufhebung der Anwesenheitspflicht eine klare Absage erteilt. Die vor allem von Bildungsstreikaktivisten geforderte Aufhebung der „Master-Hürde“ fand genau so wenig Beachtung. Auch in Greifswald wurde im vorigen Jahr mit entsprechenden Aktionen auf die Zulassungsbeschränkungen zu Masterstudiengängen hingewiesen. Auf der Wintervollversammlung vom vorigen Jahr wurde die Forderung an den Senat eingereicht, die Zulassungsbeschränkungen für Masterstudiengänge aufzuheben. Der Verband der Ingeniure (VDI) forderte den Erhalt des Titels „Diplom-Ingeniur“. Diese Forderung fand bei den 16 Landesingenieurkammern genau so Zustimmung wie bei Dr. Ernst Schmachtenberg, dem Rektor der RTWH Aachen.

Themen des Gipfeltreffens waren überwiegend „alter Kaffee“.

Thomas Schattschneider: Themen waren "kalter Kaffee"

Aus Sicht Thomas Schattschneiders, des Vertreters der Landeskonferenz für Studierende (LKS) der Universität Greifswald, waren die auf dem Gipfeltreffen besprochenen Themen überwiegend „alter Kaffee“.  Die Veranstaltung habe mehr der „Sozialhygiene“, als einer ernsthaften Erörterung und Suche nach Problemlösungen gedient. Des weiteren kritisierte er die zu geringe Anzahl von studentischen Vertretern. Positiv hob er die vorgesehene Honoration guter Lehre und die Idee der Einrichtung eines Zentrums für Hochschuldidaktik hervor. Allerdings sind auch diese Vorschläge nicht neu. Negativ bewertete Schattschneider den von Bildungsstreikenden herbei geführten Eklat. Während der Sitzung hatten einige studentische Vertreter, die zur Konferenz geladen waren, diese unter der Verteilung von Flugblättern verlassen. Sie begründeten diesen Eklat damit, dass sie nur dann zu Diskussionen bereit seien, wenn sie mit dem Bildungsministerium auf „gleicher Augenhöhe“ diskutieren könnten.

Bildungsstreikende ebenfalls enttäuscht

Auch von Seiten der Bildungsstreikenden und Audimaxbesetzer war man angesichts der Ergebnisse der Konferenz enttäuscht. „Mein persönliches Fazit ist, dass auf dem „Nationalen Bologna Gipfel“ von Frau Schavan eine entscheidende Chance, über Probleme im Bildungssystem zu sprechen, insgesamt vertan wurde“, meint Christopher Denda (Jusos), Bildungsstreiker und ehemaliger Audimaxbesetzer, dazu. Entscheidende kritische Themen wie Studiengebühren oder die Selektivität des deutschen Bildungssystems seien erst gar nicht angeschnitten worden. „Dagegen bekamen Vertreter der Wirtschaft die Chance, sich noch weiter in die Bildungspolitik einzumischen“, kritisiert Denda weiter.

Christopher Denda (Jusos) hält die konkreten Ergebnisse der Konferenz für "eher dürftig".

Darüber hinaus beanstandet er die Aussage des Sprechers der Liberalen Hochschulgruppen (LHG), dass Universitäten anfangen müssten, wie Unternehmen zu denken. Damit würde das Humboldtsche Bildungsideal vollkommen beiseite gewischt und die Universitäten würden zu bloßen Lernfabriken verkommen. Trotz der „eher dürftigen“ Ergebnisse des Gipfels hält er diese nicht für überflüssig. „Es war ein kleiner Erfolg, dass Schavan überhaupt dazu bereit war, sich mit TeilnehmerInnen des Bildungsstreiks an einen Tisch zu setzen und zu diskutieren“, meint der Juso. Des weiteren könne man über einen gleichzeitig stattfindenden Gegengipfel Druck auf die Politik ausüben.

Bilder:

Anette Schavan – Andreas Schepers via Wikipedia

Thomas Schattschneider – privat

Christopher Denda – Luisa Wetzel

Transparente Audimax – Carsten Schönebeck

Startseite Bildungsstreik – Joris Sprengeler via jugendfotos.de