Ein Stück unberührte Natur ist in unserer heutigen Zeit schwer zu finden. Ziviles Engagement ist ein bedeutender Faktor, der auch bei unserer Rycklandschaft gefordert ist.
Lebendige Flüsse – so lautet das Motto, unter dem die Arbeit von Roberto Epple steht. Der Schweizer Aktivist hat das European River Network ins Leben gerufen, ein Netzwerk von lokalen und nationalen Initiativen, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Flüsse in ganz Europa vor Zerstörung und Degenerierung zu schützen. Um auch auf die Qualitäten unseres heimischen Flusses, des Rycks, aufmerksam zu machen, steht nun ein symbolischer Sprung ins kalte Nass an. Die enorme Bedeutung der Flüsse ist vielen Menschen heute kaum noch bewusst und soll durch den Sprung ins Wasser zurück ins Gedächtnis gerufen werden.
„Im 20. Jahrhundert begannen die Menschen ihre Flüsse zu vergessen, sie waren zu Abwasserkanälen verkommen, stinkend und gefährlich und oft exklusiv genutzt zur Schifffahrt, Energienutzung oder zur Bewässerung von intensiv genutzten Landwirtschaftsflächen und für industrielle Zwecke“, sagt Roberto Epple. Die Folgen dieser Entwicklung sind bereits heute am Verlust von Arten oder an verheerenden Hochwässern bemerkbar. Seit den 80er und 90er Jahren ist jedoch eine Trendwende eingetreten, die Menschen entlang der Flüsse beginnen sich wieder für diese zu interessieren und ihre Funktion als Lebensraum wahrzunehmen. Überall in Europa bildeten sich Gruppen und Initiativen, die aus unterschiedlichster Motivation heraus Flüsse und Flusslandschaften vor ihrer Haustür schützen wollen.
Ausgangspunkt für Roberto Epple war seine Arbeit Anfang der 90er Jahre in einer Initiative an der Loire, die gegen den Bau von Staudämmen und die Eindeichung des Flusses gerichtet war. 1994 wurde dann das European River Network gegründet. Die Vernetzung lokaler Aktivisten, die an unterschiedlichen Orten für ähnliche Ziele kämpfen, war das Ziel. Heute bringt die Organisation 50 Initiativen in ganz Europa zusammen. Das Netzwerk fördert durch den grenzüberschreitenden Austausch innovative Ansätze zur Lösung gemeinsamer Probleme.
Flussgebietsmanagement heißt dabei ein Stichwort: „Es geht darum, das Flussgebiet als Ganzes zu betrachten – unabhängig von bestehenden nationalen oder anderen verwaltungstechnischen Grenzen“, sagt Dr. Lena Partzsch von der Forschungsgruppe GETIDOS, die sich an der Universität Greifswald mit Wasser und nachhaltiger Entwicklung beschäftigt. „Dazu ist es wichtig die Interessen der verschiedenen Nutzer, einschließlich Flora und Fauna zusammenzubringen. Zwischen Gruppen am Oberlauf und am Unterlauf von Flüssen, wie zwischen allen seinen Nutzern, muss etwas wie Solidarität herrschen“.
Neben der Vernetzung von lokalen Initiativen ist auch der Dialog mit der Öffentlichkeit Teil des Programms der Organisation. Der so genannte „Big Jump“ zählt zu den Strategien des European River Network, um Presse und Öffentlichkeit auf die Umweltzerstörung an Europas Flüssen aufmerksam zu machen. Im Jahr 2002 sprangen Menschen entlang des gesamten Stromes in die Elbe. Der erste europaweite Flussbadetag, der so genannte „Big Jump“, fand 2005 statt und hatte fast 250 000 Teilnehmer in insgesamt 22 Ländern. In diesem Jahr findet am 11. Juli der zweite „Big Jump“ statt.
„Die Versöhnung der Bürger mit ihren Flüssen und Seen“ so Roberto Epple, sei das Ziel dieser Aktion. Er erklärt weiterhin: „Am Rhein, der Elbe, der Rhone und anderswo erreicht die Wassergüte inzwischen wieder hier und dort und immer öfter Badewasserstandards oder man ist auf dem besten Wege dazu. Parallel dazu steigt vielerorts die Artenvielfalt, Lachse kehren zurück und man kann nicht nur wieder Fische fangen, sondern auch welche gefahrlos verzehren. Manchmal hört man wieder Kinderlachen an den Ufern, und wer gut hinschaut findet an ausgewählten Plätzen erneut Strandleben, Badende oder etwa Kanuten.“
Den Menschen zu zeigen, dass Flüsse mehr sind als Transportwege, sie als Teil unseres Lebensraumes erlebbar zu machen, dazu springen der Schweizer Aktivist, und mit ihm Menschen in ganz Europa, in die Flüsse. „Der Fluss, der große Teile des Greifswalder Stadtgebietes durchquert, und die angrenzenden Salzwiesen bilden artenreiche Biotope und sind Erholungsgebiet für viele Greifswalder“, konstatiert Dr. Lena Partzsch. Seit Jahren müssen sie jedoch immer wieder gegen Eingriffe und Bebauungen verteidigt werden. Investorendruck durch die Lage in der Nähe des Stadtzentrums und ein ungeklärter Schutzstatus der Rycklandschaft, die durch ihre Ursprünglichkeit bereits Caspar David Friedrich inspirierte, bereiten den Umweltschützern Probleme und machen es nötig, die Schutzwürdigkeit des Gebietes einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen. Ein themen-übergreifendes Bündnis für den Schutz des Ryck hat sich in Greifswald jedoch noch nicht etabliert.
Ziviles Engagement ist heute ein wichtiger Weg um auf ökologische Probleme, auch an Flüssen und Flusslandschaften, Einfluss zu nehmen. Dazu ist es wichtig, ein Bewusstsein in der Bevölkerung zu bilden. Ein Sprung in den Ryck, so die Philosophie von Roberto Epple, kann durch das unmittelbare Erleben des Elements Wasser zu einer Steigerung dieses Bewusstseins führen. Daher werden alle Greifswalder, die ihren Fluss mal von einer anderen Seite kennen lernen möchten, dazu aufgerufen, sich mit in die Fluten zu stürzen.
Ein Bericht von Markus Kather mit einem Bild von Robert Eppler.