Obwohl die Ostsee-Zeitung mit ihrem Artikel vom 7. April 2010 nichts anderes tat, als ein altes Thema faktisch ohne Neuigkeiten noch einmal aufzukochen, hat sie damit doch bewirkt, eine alte Debatte wieder neu aufleben zu lassen: Dass es Planungen gibt, die Lehramtsstudiengänge an der Universität größtenteils abzuschaffen, ist schon lange bekannt. Dass sich aber inzwischen sogar Offizielle trauen, konkrete Pläne für den Abzug zu nennen, ist neu.

So sollen für die Studiengänge Kunstgeschichte und Geographie Sonderregelungen getroffen werden, da diese nur in Greifswald angeboten werden. Das hatte Dr. Thomas Behrens, einst Kanzler der Uni und nun Referatsleiter im Bildungsministerium auch schon im Interview mit dem moritz-Magazin gesagt. Auch die Theologie macht sich wohl berechtigte Hoffnungen, so ein Sonderfall zu sein. Inwiefern diese Planungen jedoch völlig realitätsfern sind, sei dahingestellt: So ganz kann man sich nicht vorstellen, wie Lehrer, die ja in der Regel zwei bis drei Fächer parallel belegen, einzelne in Greifswald und andere in Rostock studieren sollen. Der Zeitplan für die Umstrukturierungen ist eng gestrickt: Über die Bühne gehen soll die Konzentrierung in den nächsten Jahren, begonnen 2011. Nun werden auch Protestveranstaltungen plant.

Hochschulgruppen und Bürgerschaft üben einmütig Kritik

Wird das Lehramt geschlossen, setzt sich das Ausbluten der philosophischen Fakultät (hier das Dekanatsgebäude) vermutlich fort.

Inzwischen gibt es eine Reihe von Wortmeldungen zu den Planungen. Genau wie der AStA sind die studentischen Hochschulgruppen ganz besonders einhellig der Meinung, das Lehramt müsse erhalten bleiben. Die Jusos und der RCDS reagierten noch am 7. April mit Pressemitteilungen. Der RCDS schrieb plakativ: “Vielfalt statt Einfalt: Lehrämter müssen in Greifswald bleiben!”, bei den Jusos hieß es, Minister Henry Tesch (CDU) verkenne “die Zeichen der Zeit”. Auch die Grünen (hier allerdings der Stadtveraband und nicht die Hochschulgruppe) machten sich für den Erhalt des Lehramts stark und forderten den Ausbau statt der Abschaffung des Lehramts. Auch der SDS.Linke äußerte sich entsprechend. Nur von der LHG und den Hochschulpiraten gab es keine Stellungnahme.
In der Bürgerschaft war dieselbe Gleichförmigkeit zu beobachten: Alle Fraktionen verabschiedeten eine Tischvorlage von Dr. Gerahrd Bartels (Linke), die sich für den Erhalt der Lehrerausbildung in der Stadt stark macht. Der Oberbürgermeister, Dr. Arthur König, soll die Landesregierung schnellstens darüber unterichten, dass die Bürgerschaft der Meinung ist, die Lehrerausbildung solle erhalten bleiben. König merkte in diesem Zusammenhang an, es habe auch wirtschaftliche Nachteile für die Stadt, wenn diese Studierendengruppe abhanden komme.

Auch Dekan und Prorektor für Erhalt

Prorektor Prof. Michael Herbst

Auch vonseiten des Lehrkörpers wurden entsprechende Lautmeldungen bekannt: Der neue Dekan der philosophischen Fakultät, Professor Alexander Wöll, sagte in einem Interview mit der Ostsee-Zeitung, das Lehramt müsse bleiben. Studiendekan Professor Michael Herbst bekräftigte, man wolle als zweiter kleiner Standort für die Lehrerausbildung erhalten bleiben. Einen besonders interessantes Augenmerk warf Professor Franz Prüß, Direktor des Instituts für Bildungswissenschaften, auf die Debatte: Er wies in der Ostsee-Zeitung nachdrücklich darauf hin, dass die Bereiche Fachdidaktik und Lehrerbildung an der Universität heute schon viel zu schwach ausgestattet seien.

In der Tat haben Lehramtsstudenten in dieser Hinsicht einen schweren Stand: Zahlreiche Kommilitonen berichten von überfüllten Seminaren, viele haben zudem schon Studiensemester verloren, weil sie keinen Platz in einer Pflichtveranstaltung bekamen. Ganz zu schweigen vom nach Meinung der meisten Studierenden (und Lehrenden) allgemein viel zu geringen Stellenwert, den die Didaktik einnimmt.

Der emeritierte Professor Manfred Matschke, ehemals Senatsvorsitzender und selbst für einen Professor ein streitbarer Geist, wirft dem Senat eine Mitschuld an den Planungen vor. Er erklärte: „Die Ausrichtung der Universität als Medizin-Universität mit Hilfseinrichtungen verlangt weder eine Philosophische noch eine Theologische Fakultät, für die die Lehrerausbildung hingegen existentiell ist. Der alte Senat hat die Ausrichtung der Universität auf eine Medizin-Universität ausdrücklich unterstützt, wenngleich er in vielerlei Hinsicht nicht wusste, was er tat.“

Proteste geplant: Mahnwache am Donnerstag, Demo im Mai

Der AStA hat inzwischen eine Unterschriftenaktion zum Erhalt des Lehramts gesammelt. An den von Studenten stark frequentieren Stellen in der Stadt konnte man bereits Aktivisten sehen, die bei den Kommilitonen für eine Unterschrift warben. Beim AStA kann man sich zu den üblichen Büroöffnungszeiten in die Liste eintragen. Wer selbst aktiv werden möchte, kann die Formulare beim AStA im Büro abholen oder herunterladen.  Im Mai soll es eine große Demo für den Erhalt der Studiengänge geben. Laut AStA-Referentin Paula Zill ist zudem die Einrichtung eines Blogs geplant. Zwischenzeitlich hatte es Kritik daran gegeben, dass der AStA vor den Ereignissen der letzten Tage keine Maßnahmen für den Erhalt des Lehramts ergriffen hat, obwohl die Abschaffung schon seit Jahren zur Debatte steht.

Wie Christopher Denda gegenüber dem webMoritz bestätigte, wird der AStA bei einem Besuch von Bildungsminister Henry Tesch am kommenden Donnerstagmorgen (22.4.) eine Mahnwache für das Lehramt abhalten.

Henri Tesch könnte am Donnerstag ungebetenen Besuch bekommen.

Ebenfalls aktiv in dieser Sache wurde das Bildungsbündnis Greifswald. Bei einer Sitzung, an der auch Vertreter des RCDS und der LHG teilnahmen, beschloss man verschiedene Aktionen. Tesch wird sich anlässlich des “Girls Day” in Greifswald aufhalten. Außerdem sei für den nächsten großen Bildungsstreik-Aktionstag am 9. Juni geplant, in Greifswald besonders auf die Lehramts-Problematik hinzuweisen. Das ist insofern auffällig, da es beim Bildungsstreik in erster Linie um Kritik an den Bologna-Reformen geht.

Weitreichende Folgen

Einig ist man sich auch darin, dass ein Fortgang der meisten Lehramts-Studiengänge ehrebliche Auswirkungen auf die Strukturen der Universität hätte. Die philosophische Fakultät könnte ihre Größe dem Dekan zufolge um etwa 1.800 Studenten verringern. Sie wäre dann nicht mehr die größte Fakultät der Universität, gleichzeitig stände über den Umzugs-Plänen in die Loefflerstraße ein Fragezeichen.

Die Angelegenheit könnte jedoch auch den Sprung zum Politikum auf Landesebene schaffen: Im nächsten Jahr steht die Landtagswahl bevor und innerhalb der großen Koalition sorgt das Thema für Ungemach. Der bildungspolitische Sprecher der SPD, Matthias Brodkorb, kritisierte die Pläne und rechnet der SPD die Tatsache zu, dass das Lehramt nicht längst aus Greifswald abgezogen wurde. So könnte die Angelegenheit auch im lokalen Landtagswahlkampf noch aktuell sein.

Foto: Bildungsministerium (Tesch, keine CC-Lizenz), IEEG (Herbst, keine CC-Lizenz) Gabriel Kords (Phil.Fak.)

Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es fälschlich, das Bildungsbündnis organisiere die Mahnwache beim Ministerbesuch am Donnersag. Das war falsch, tatsächlich oranisiert es der AStA. Der Artikeltext wurde entsprechend korrigiert.