Seit heute Morgen, 9 Uhr, steht der Science Express auf dem Greifswalder Bahnhof und wird dort bis Samstag 17 Uhr bleiben, um anschließend nach Stralsund weiterzufahren. In zwölf Waggons mit verschiedenen Themenschwerpunkten wird Wissenschaft vermittelt und Zukunftstechnologien vorgestellt (siehe Ankündigung).
Die Expedition Zukunft wurde von einem Team der Max-Planck-Gesellschaft in München und der Agentur ArchiMeDes in Berlin konzipiert und umgesetzt. Neben öffentlicher Förderung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und Forschungskonsortien wie der Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sind auch kommerzielle Förderer dabei wie Bayer, Siemens und Volkswagen. Die Partner nutzen die Gelegenheit, sich in bestem Licht zu präsentieren, weit in die Zukunft reichende Ideen vorzustellen und vor allem Neugier und Wissensdurst bei den Besuchern zu wecken. Im Wissenschaftsjahr 2009 wird so in 62 deutschen Städten Wissenschaft kostenlos und zum Anfassen präsentiert.
Bei der Eröffnungsveranstaltung betonten alle Redner, darunter Prorektor Professor Michael Herbst und Oberbürgermeister Dr. Arthur König, wie wichtig Wissenschaft für unsere Zukunft und Greifswald als Wissenschaftsstandort sei.
Der Kreisverband Greifswald-Uecker-Peene von Bündnis 90/Die Grünen stellte sich dem Projekt heute sehr kritisch gegenüber. Im Beitrag „Zug verpaßt“ wird der Ausstellung ein falsches und anachronistisches Verständnis von Wissenschaft als Fortschrittsgläubigkeit und Festigung industrieller Vorherrschaft vorgeworfen. Vorwürfe, die ebenso von anderer Seite erhoben werden, wie z.B. von Biologe Tobias Maier in einem Scienceblogs-Beitrag vor einigen Monaten, als es um die Zulassung von Genmais ging:
Landwirtschaft ist eine Industrie mit allem was dazu gehört. Bauernhöfe sind landwirtschaftliche Unternehmen, die Geld verdienen müssen. Im konventionellen Anbau genauso wie in der ökologischen Landwirtschaft. Wer das nicht begreift und verinnerlicht hat, hängt einem heillos romantischen Bild nach, das so wohl seit der Erfindung des Mineraldüngers nicht mehr existiert. Landwirte kaufen ihr Saatgut. Sie wollen möglichst viel Geld für das, was sie mit möglichst wenig Aufwand und möglichst wenig Ernteausfall anbauen. Subventionen mit eingerechnet. Wenn der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen sich finanziell nicht lohnen würde, würden sie nicht angebaut.
Wer also den Zug besucht, möge im Hinterkopf behalten, dass er kräftig gesponsert wurde. Andererseits sollte man sich davon nicht abhalten lassen, die ausführlichen und informativen Texte zu lesen und seinen Wissensdurst zu stillen.
Update 16.10.2009, 12:30 Uhr
Die Grüne Bürgerschaftsabgeordnete und Stupistin Anne Klatt beschäftigt sich auf dem Blog der Grünen Hochschulgruppe ebenfalls äußerst kritisch mit dem Zug.
Bilder: Textautorin
Ob dieser Wissenschaftszug auch so enorme Standgebühren (mehrere zehntausend Euro) in den Bahnhöfen zahlen mußte wie vor kurzem der Zug der Einnerung, der an die Kinder erinnerte, die von der Reichsbahn in die Gaskammern transportiert wurden?
Jedenfalls scheint es der Deutschen Bahn wichtiger zu sein, solch einen Wissenschaftszug (wohl eher Technologie-Werbezug) als offizieller Partner zu unterstützen als den damaligen Zug der Erinnerung, siehe http://www.expedition-zukunft.org/alias/Partner/9…
Das Verhalten ist nachvollziehbar. Während der Zug der Erinnerung ein schlechtes Licht auf die Bahn wirft, kann man sich mit dem Wissenschaftszug positiv darstellen. Welches Aktienunternehmen würde das nicht so sehen? Und vor die Wahl zwischen Moral und Geld gestellt zu werden, da fällt den meisten die Entscheidung leicht.
Oh man – waren die Grünen nicht mal dem Selbstverständniss nach eine "progressive" Partei? Wenn ich diesen Unsinn im Blog lese, habe ich das Gegenteil als Eindruck. Natürlich ist die Industrie vorherrschend in der Landwirtschaft. Anders könnten die moderne Zivilisation gar nicht überleben. Wenn Claudia Roth jeden Tag ihr Feld beackern müsste, hätte sie leider keine Zeit mehr, sich um MInderheiten oder Atomkraft zu kümmern.
Manchmal frage ich mich echt, in welcher Traumwelt die leben…
Wenigstens denken die Grünen manchmal nochmal nach. Im Gegensatz zur FDP, die dort wo Gold blitzt immer eine Party vermutet und ansonsten mit Pseudobeiträgen, wie diesem, in der Debatte glänzt.
Schöner Artikel übrigens.
Die armen getroffenen Hunde 😉
Naja, der Einwand der Grünen ist sicherlich irgendwo gerechtfertigt. Nichtsdestotrotz stört mich sowohl das Dauer-Genörgel auf dem Grünen-Blog im Allgemeinen (und das nicht erst seit gestern) als auch dieses auf voller Breite Negative des verlinkten Beitrags im Besonderen.
Ist das nicht die natürliche Aufgabe einer Oppositionspartei? ich denke die grünen müssen sich nicht dafür entschuldigen, wenn sie Denkanstöße und Kritik veröffentlichen.
Im Gegenteil, ich habe ja auch in meinem Kommentar aus dem Juni (http://www.webmoritz.de/2009/06/12/von-bettvorleg… ) geschrieben, dass ich die Arbeit des Grünen-Blogs ausgesprochen begrüße. Es ist nur so, dass es auch ganz erfrischend wäre, wenn man dort gelegentlich mal etwas anderes täte, als rumzumeckern. Mich stört die Konzentration aufs Negative und der Tonfall.
Du hast allerdings zweifelsfrei recht: Rumzumeckern ist natürlich der berechtigte Kern oppositioneller Arbeit.
Im Gegenteil, ich habe ja auch in meinem Kommentar aus dem Juni (http://www.webmoritz.de/2009/06/12/von-bettvorleg… ) geschrieben, dass ich die Arbeit des Grünen-Blogs ausgesprochen begrüße. Es ist nur so, dass es auch ganz erfrischend wäre, wenn man dort gelegentlich mal etwas anderes täte, als rumzumeckern. Mich stört die Konzentration aufs Negative und der Tonfall.
Du hast allerdings zweifelsfrei recht: Rumzumeckern ist natürlich der berechtigte Kern oppositioneller Arbeit.
Der Tonfall auf unserem Blog ist mir streckenweise auch zu bissig, aber einige Gemüter sind halt etwas "leidenschaftlicher" als andere – auch bei den Grünen. Bitte lass(t) diese Vielfalt nicht durch Pauschalkritiken hinten runterfallen!
"Bitte lass(t) diese Vielfalt nicht durch Pauschalkritiken hinten runterfallen!"
Machen wir auf keinen Fall! Erstens sind viele der kritischen Artikel sehr berechtigt und außerdem freut sich jeder, der lokaljournalistisch arbeiten will, über lokalen Konfliktstoff…
"Bitte lass(t) diese Vielfalt nicht durch Pauschalkritiken hinten runterfallen!"
Machen wir auf keinen Fall! Erstens sind viele der kritischen Artikel sehr berechtigt und außerdem freut sich jeder, der lokaljournalistisch arbeiten will, über lokalen Konfliktstoff…
PS: Schön, dass du dich jetzt wirklich als intense-debateBenutzerin registriert hast!
"Wissenschaft von ihrer unwissenschaftlichsten Seite" im Blog der GHG:
http://www.wildwuchs-mv.de/?p=294
oder einfach auf meinen Namen klicken
Tenor: diese Ausstellung widerspricht dem wissenschaftlichem Grundprinzipien
EDIT Moderation: Bitte keine sinnfreien Polemiken und schon gar keine Nazi-Anspielungen
Hey OliverT: Ich, eine Grüne, kritisiere, dass der Fortschritt so naiv unkritisch dargestellt wird. Wenn man über Wissenschaft informieren will, darf man nicht die Ambivalenz wissenschaftlicher "Errungenschaften" verschweigen und ausblenden. Die Forderung, auch die schädlichen Nebenwirkungen zu berücksichtigen, wird schnell als "fortschrittsfeindlich" bis "rückwärtsgewandt" abgestempelt. Das ist doch quatsch! Ich erkenne dagegen in der blinden Naivität gegenüber Wissenschaft als Allheilmittel gegen alle Probleme dieser Welt die von der Moderne überwunden geglaubte Aberbläubigkeit wieder.
Hier noch einmal mehr dazu: http://www.wildwuchs-mv.de/?p=294
Hey Anne: Hole Dir doch bitte mal einen Account unter http://www.intensedebate.com.
Vorteil: Wir wissen, dass die Beiträge von Dir sind (ok – hier eindeutig, aber trotzdem) und außerdem kannst Du ebenfalls Bewertungen abgeben und Deine kommentare kommen mit geringerer Wahrscheinlichkeit in irgendwelche Spam-Filter.
Grundsätzlich gilt die Einladung sich einen Account anzulegen natürlich für alle..
Auf http://www.wildwuchs-mv.de gibt es einen Nachschlag: Konkretisierung der Kritik am Bsp. der Agro-Gentechnik-Darstellung.
Vielen Dank für diesen tollen Beitrag, ich finde ihn sehr interessant und sehr gut durchdacht und zusammengestellt. Ich freue mich darauf, Ihre Arbeit in Zukunft zu lesen