Den Frisch- oder Altabiturienten stellen sich die zwei schwierigen „W-Fragen“: Was soll ich studieren und vor allem wo? Da das Bewerbungsnetz immer verstrickter wird, muss nun nach Lösungen gesucht werden. Wie das gesamte Bewerbungsverfahren abläuft und welche Probleme entstehen, soll vorab einmal geklärt werden. Doch was verbirgt sich überhaupt hinter dem nebulösen Begriff „Numerus Clausus“ (NC)?
Bei dem NC handelt es sich nicht, wie landläufig angenommen, um den Abiturnotendurchschnitt, der die Zulassungsgrenze für das jeweilige Fach bildet, sondern um die Anzahl der Studienplätze, die für ein Fach vergeben werden können. Für die zulassungsbeschränkten Fächer wird zunächst ein „Numerus Clausus“ ermittelt. Bewerben sich mehr Abiturienten, als Kapazitäten vorhanden sind, werden Zulassungen entsprechend dem NC verschickt. Allerdings kalkuliert die Universität hier bereits mit ein, dass viele Bewerber ihre Zulassung gar nicht annehmen werden und überbucht die Studienplätze regelmäßig.
Wie viele Personen dabei mehr zugelassen als Plätze angeboten werden, variiert von Fach zu Fach. Das Studierendensekretariat arbeitet hier mit einem sogenannten „Schwundfaktor“, der in Abstimmung mit den jeweiligen Fachbereichen für jeden Studiengang individuell berechnet wird. Würde der mit einkalkulierte „Schwundfaktor“ für ein Fach einmal nicht greifen, so müsste die Universität im Ernstfall auch alle überbuchten Studienplätze zulassen, selbst wenn das die vorhandenen Kapazitäten um ein Doppeltes überstiege, so Bernd Ebert vom Studierendensekretariat. Im Normalfall nimmt aber nur ein Teil der zugelassenen Bewerber den Studienplatz auch an, so dass in der Regel noch mehrere Nachrückverfahren eingeleitet werden müssen, bis ein Fach voll besetzt ist. Während die Plätze für gefragte und exotische Fächer wie beispielsweise Humanbiologie meist sehr schnell vergeben sind, können sich die Nachrückverfahren für andere Fächer unter Umständen bis zwei Wochen nach Vorlesungsbeginn hinstrecken.
Ein Beispiel: Für den Bachelor of Arts Studiengang Kommunikationswissenschaft werden für dieses Wintersemester 81 Studienplätze vergeben. Dank des einkalkulierten Schwundes konnten im Hauptverfahren weit über 100 Bewerber zugelassen werden, von denen jedoch bis Ende August gerade einmal 52 den Platz annahmen. Von diesen werden noch weitere Abiturienten ihre Bewerbung wieder zurückziehen, sodass erst nach mehreren Nachrückverfahren alle 81 Plätze besetzt sein werden.
Dies ist nicht nur ein Problem für die Universitäten, welche nur raten können, wie viele der Bewerber sich außerdem auf Plätze an anderen Hochschulen beworben haben und den ihnen angebotenen Platz gar nicht annehmen werden. Auch die zukünftigen Studierenden müssen sich, sofern sie mehrere parallele Bewerbungen verschickt haben, oft mit zahlreichen verschiedenen Bewerbungsprozeduren auseinandersetzen und nehmen zudem oft lange Wartezeiten in Kauf: Im Extremfall erfahren sie erst Ende Oktober von ihrer Zulassung im Nachrückverfahren an der Wunschuniversität, nachdem sie sich möglicherweise bereits an einem anderen Ort eingeschrieben haben!
Für die 21-jährige Laura war eins klar: Nach ihrer Ausbildung zur Medienkauffrau will auch sie, wie viel andere, ihren geistigen Horizont mit einem Studium erweitern. Doch wie soll man sich im dem ganzen verworrenen Bewerbungsnetz zurechtfinden? Kommunikationswissenschaft war ihr Ziel. Nach langem Suchen in den zum Teil verwirrenden Internetauftritten der Unis kamen neun Universitäten für Sie in die engere Auswahl. „Ich finde es allerdings ganz schön nervig, weil alle Unis was anderes verlangen und unterschiedliche Kriterien haben“, konstatiert die gebürtige Neuruppinerin. Eignungstests, Praktikumsnachweise und Motivationsschreiben zerren natürlich an den Nerven der Bewerber.
Doch die engen Fäden sollen sich ein wenig lockern, denn schon seit Jahren wird in mehreren Gremien an Alternativen gearbeitet, um diesen Problemen Herr zu werden. Ursprünglich sollte bereits in diesem Wintersemester ein neues, für alle Hochschulen einheitliches Bewerbungsverfahren starten, das sich nun aber doch noch nicht umsetzen ließ. Jetzt soll zum Wintersemester 2010/11 das sogenannte „Service-Verfahren“ eingeführt werden, das die Zentrale Vergabestelle den Hochschulen anbietet. Genau wie bei den bundesweit von der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) vergebenen Fächern, geben die Bewerber dabei eine Rangfolge ihrer gewünschten Studienangebote an. Unter Studienangebote wird der Studiengang und -ort verstanden. Die organisatorischen Schritte des Auswahlverfahrens, welches sich nach den Vorgaben der Hochschulen orientiert, werden somit der ZVS ganz oder teilweise übertragen. Nachdem die Zulassungsmöglichkeiten der Bewerber für die Studienangebote geprüft wurden, erfolgt die Versendung der Zulassungsbescheide im Auftrag und Namen der Hochschulen an die Bewerber.
Die Probleme können auf diese Weise jedoch nur gelöst werden, wenn tatsächlich alle Hochschulen an dem geplanten Verfahren teilnehmen.
Der Vorteil für die Bewerber liegt auf der Hand: Ihnen bleibt es erspart, sich mit Dutzenden von unterschiedlichen Bewerbungsverfahren und verschiedenartig strukturierten Studienangeboten auseinanderzusetzen und ebenso viele unterschiedliche Unterlagen für alle potentiellen zukünftigen Hochschulen anfertigen zu müssen. Stattdessen würde eine Bewerbung reichen, die an die ZVS geschickt wird und die Auswahl könnte auf zwölf Studienorte eingeschränkt werden. Allerdings müssten sich die Abiturienten bereits sehr frühzeitig über ihre Präferenzen auf der Rangliste informieren, zumal sich diese zwischen Abgabe der Bewerbung und endgültigem Angebot stets noch ändern können.
Für die Universität spart das Service-Verfahren in erster Linie Arbeit, da so die aufwändigen Nachrückverfahren wegfallen. Ein Grund dafür, warum die Hochschulen bisher das Auswahlverfahren lieber in Eigenregie durchgeführt haben, könnte in der Finanzierung liegen: Denn selbst wenn die ZVS den Hochschulen den Vorgang abnehmen würde, müssten diese die Kosten dafür selbst tragen.
Für das Studierendensekretariat bedeutet das Verfahren der ZVS dagegen den Wegfall von Arbeitsplätzen. Da zudem auch noch unsicher ist, welche Geburtsschwierigkeiten das Service-Verfahren möglicherweise mit sich bringt, wäre die beste Lösung für das Studierendensekretariat wahrscheinlich eine Art Pilotversuch mit einigen wenigen Fächern. Die Bedenken von Bernd Ebert liegen in der Ungewissheit, ob das Verfahren der ZVS tatsächlich funktioniert und im Aufwand bei der Umstellung, die jetzt noch nicht einzuschätzen ist.
Ein weiterer Vorschlag zur Verbesserung des Hochschulzugangs besteht darin, den Bund in die Problematik eingreifen zu lassen und mit den Ländern eine einheitliche Lösung zu verhandeln. Vorerst scheint ein solches Bundesgesetz zur Zulassung jedoch noch in weiter Ferne zu liegen. Stattdessen wird erwartet, dass die Hochschulrektorenkonferenz, die Landes-Ministerien und die ZVS bald eine gemeinsame Lösung finden, beispielsweise in Form des geschilderten Service- Verfahrens. Man darf also gespannt sein, inwiefern sich das Bewerbungsnetz auflöst und ob zukünftige Abiturienten es letztendlich leichter haben werden als Laura.
Ein Artikel von Christiane Müller und Maria Strache