Mit der Lesung des Literaturnobelpreisträgers am gestrigen Samstagabend strebte die diesjährige Bachwoche ihrem Höhepunkt entgegen. Viele Greifswalder folgten der Einladung in den Dom, der sich auch bis zum letzten Sitzplatz füllte und harrten dem berühmten Gast.

Vorgetragen wurden abwechselnd Texte des Autors und Musikstücke verschiedener Komponisten. Gesungen wurden diese vom Vocalensembles „greifvocal” unter der Leitung von Prof. Modeß

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Trotz schlechter Akkustik ein Erlebnis - Nobelpreisträger Günther Grass

Die Textauswahl, die Grass selbst vornahm, bestand aus einem Gedicht des Buches „Die Rättin” (1989); den ersten drei Kapitel des 1979 erschienenen Buches „ Das Treffen in Telgte”, und drei abschließenden Werken aus seiner letzten Veröffentlichung; der Gedichtssammlung „Letzte Tänze”(2003).

Gesungen wurde erstaunlicherweise nur ein Stück von Johann Sebastian Bach, eine Motette nach der Kantate BWV (Bach-Werk-Verzeichnis) 131. Die anderen Stücke stammten größtenteils von Komponisten des 17. Jahrhunderts.

Die thematische Verbundenheit der Texte mit der Musik dürfte den meisten Zuhörern dabei verschlossen geblieben sein. Eine Erklärung wurde leider auch nicht im Programmheft geliefert, sodass die meisten Gäste rätseln mussten, ob die Zusammenstellung rein zufällig oder aber mit Hintergedanken erfolgte.

Hilfreich waren allenfalls die angegeben Lebensdaten der Komponisten, die den vorgetragenen Text- „Das Treffen in Telgte spielt während des 30 jährigen Krieges”, immerhin in einen gemeinsamen zeitlichen Kontext brachten. Mit etwas mehr Interpretationsmut hätte man hier vielleicht auch das Motto der Bachwoche; „Leidenschaf(f)t” unterbringen können, wobei das Leiden jedoch eine überproportionale Gewichtung erhält.

Ein anderes Problem das mehr Leiden als Glück schaffte, war die Akustik mit der sowohl Redner als auch Zuhörer zu kämpfen hatte, was eine Dame aus dem Publikum auch lauthals monierte.

guenther_grass2-260x170-siri_hummelDer Chor war hierbei klar in Vorteil, da die sakralen Stimmen und Lieder in der architektonischen Beschaffenheit des Doms gut ihren Ausdruck fanden. Mit Hall und Schall wurde hier Gänsehaut und Ergriffenheit erzeugt. Eine andere Sache ist es jedoch, einen Roman, also einem Fließtext, zu folgen ohne sich von dem Nachhall der Wörter irritieren zu lassen. Dies gelang wohl auch nicht allen im Publikum, weswegen sich zwischen dem 1. und 3. Kapitel eine deutliche Fluktuation unter dem am Rande sitzenden Publikum bemerkbar machte.

Der Stilmix von moderner Literatur in Predigtmanier hätte an anderer Stelle bestimmt interessant wirken können, führte hier jedoch nur zu weiterer Verwirrung.

Dennoch war es schöne Veranstaltung; da der Chor sehr gut war und man sich mit ein bisschen Textkenntnis von Charisma und Können des Literaturnabelpreisträgers überzeugen lassen konnte.

In Anschluss der Lesung signierte Günther Grass noch eifrig die ihm entgegen gestreckten, vorher im eigens aufgebauten Shop gekauften Bücher, sodass die meisten Gäste wohl zufrieden nach Hause gegangen sein dürften.