moritz-print-mm76-17-kommentar-aufwandsentschaedigungen-arik-platzek2Gut bezahlte Stellen findet man in Greifswald in der Regel nicht einfach so. Der nordöstlichste Zipfel der Bundesrepublik ist hinsichtlich der Einkommen genauer Gegensatz zu seinen diametral gegenüberliegenden Pendants im Südwesten. Vermutlich deshalb wird demnächst eine Stellenanzeige mit obigem Tenor veröffentlich werden. Ihr Aussteller könnte das Studierendenparlament (StuPa) sein, denn es hat wieder den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) zu besetzen.

Während sogar die wegen Stundenlöhnen unter vier Euro vielfach geschmähten Arbeitgeber Smiley’s Pizza und das Cinestar Greifswald Einsteigern bei dieser Arbeitszeit über 300 Euro und zusätzliche Vergünstigungen bieten, setzen die Fraktionen des Studierendenparlaments Greifswald immer noch ganz auf den Altruismus und die Leidenschaft der Studenten, sich für ihre Kommilitonen aufzuopfern. Und meinen mehrheitlich, dass es für diese Arbeit kein Geld geben soll (siehe moritz 74: „Stupisten rufen Leben!“). Ein gutes Gefühl und vielleicht noch ein kleines Sternchen im Lebenslauf sollen hier reichen müssen. Mehr bekommt man für ein StuPa-Mandat ja selber nicht, wenn überhaupt. Wer aber an der Uni eine Stelle als studentische Hilfskraft hat, bekommt beides. Und muss nur rund sechs Stunden pro Woche dafür arbeiten, ohne dass der Professor es als politische Profilschärfung versteht, kleinere Mängel mit Lohnkürzungen zu sanktionieren. Die studentische Selbstverwaltung ist aber nicht die Universitätsverwaltung, die häufige Gegnerin honoris causa.

„Ich kann nichts, ich bin nichts, wo bitte geht’s zum AStA?“

Diese Frage, welche als geflügeltes Wort immer wieder Kritik an der Erfahrung und dem Talent gewählter Referenten üben muss, kursiert schon seit geraumer Zeit. Während die früheren Studienordnungen von Magister, Diplom und Staatsexamen vielen Studenten noch die Luft zum intensiven Engagement ließen, wird diese nunmehr unter sich durchsetzenden Reformen zur Verschlankung und Beschleunigung des Studiums zunehmend dünner und die Bewerberlisten werden immer kürzer. Qualifizierte und hochengagierte Studenten ergattern die Jobs mit nennenswerten Stundenlöhnen, ob am Lehrstuhl oder in privaten Unternehmen, sogar in Greifswald. Und wer für viele Dutzend Arbeitsstunden monatlich ohne Bezahlung antritt, kann sich jeder selbst ausrechnen.

Auf dem wirtschaftlichen Auge stellt sich das StuPa blind gegenüber einer veränderten Wirklichkeit. Dreizehn von fünfzehn AStA-Referaten sind mittlerweile besetzt, nach ganzen siebzehn Wahlgängen im vergangenen Jahr. Aber der April 2009 macht auch hier alles neu und irgendeiner wird sich schon finden. Ein anderes geflügeltes Wort besagt schließlich: „Selbst ein blindes Huhn findet mal ein Korn.“ Denn man hatte bisher immer noch Glück gehabt, manchmal mehr und manchmal weniger. An das ständige Kommen und Gehen der AStA-Referenten könnte man sich ja gewöhnen, zumal sich die Bewerberbefragung und -wahl möglicherweise wie richtige politische Arbeit anfühlt.

Viele Beobachter der Hochschulpolitik zeigten sich im letzten Jahr auch schon erstaunt, wenn zur Kandidatenvorstellung im StuPa mehr als nur ein Interessent aufgelaufen war. Wobei dann jedoch das angesichts der breiten Auswahl stark gesteigerte Fragebedürfnis der StuPa-Mitglieder gern mal bemerkenswerte Blüten zeitigte: Von fast einer Handvoll Bewerbern für eine (stellvertretende) Stelle im Verwaltungsrat des Studentenwerkes bemühte beinah jeder eben dieser Interessenten unter anderem sogar schulische Chormitgliedschaften und weitere, für das Amt recht fachfremd erscheinende, Qualifikationen, um sich von seinen Mitbewerbern abzusetzen. Kopfschütteln, peinliches Grinsen und Äußerungen wie „entwürdigend“ waren da unter den anwesenden Gästen zu beobachten. Die damals zu besetzende Stelle steht aber immerhin nicht unter permanenter Aufsicht durch 27 studentische Mandatsträger im Studierendenparlament. Womit sich das Wetteifern um diese in der vita curriculum möglicherweise eindrucksvoll erscheinende, aber in der echten Gremienarbeit eher unspektakuläre, Stelle vielleicht teilweise erklären ließe.

Die AStA-Referenten jedoch stehen unter der Aufsicht des StuPa und bei Wahlen für Referate in der studentischen Selbstverwaltung musste man solche Szenen dann auch weniger oft wahrnehmen. Selten traten mehr als zwei Bewerber an. Und falls doch, befanden sich unter diesen häufig Wiederbewerber, die nach vielen Monaten in der studentischen Selbstverwaltung weder von der verinnerlichten Würde des Amtes noch – teils gezwungenermaßen – von der üblicherweise zu erwartenden Aufwandsentschädigung lassen konnten. Die trotz der geringen Höhe für einige immer noch ein fest verplanter Haushaltsposten ist. Der AStA war im Laufe des letzten Jahres trotzdem nicht ein einziges Mal voll besetzt, selbst nach der in der AStA-Reform beschlossenen Verringerung der zu besetzenden Referate.

Noch immer schien die Mehrheit der anwesenden Stupisten auch die Besetzung des AStA, der eigentlich vor allem verwaltende und ausführende Funktionen hat, als ein politisches Thema wahrzunehmen. Nicht selten galten den Bewerbern nicht nur Fragen nach fachorientierter Qualifikation und neuen Ideen für die studentischen Verwaltung, sondern vielmehr ebenso zahlreiche Fragen nach Parteimitgliedschaften oder politischen Positionen. Erst die regelmäßige Streichung des Tagesordnungspunktes „AStA-Bewerbungen“ führte zu größerer Nachsicht gegenüber den späteren Bewerbern. Und es soll hier die Arbeitsleistung der letztlich gewählten Referenten nicht schmälern, wenn man die Frage stellt, ob der erste denn auch stets der Beste sei. Oder ob es gut ist, wenn der AStA während der halben Legislatur nur halb besetzt gewesen ist?

Die Katze beißt sich in den Schwanz

Ein ganz bemerkenswertes Ereignis war hier die Besetzung des Queer- und Gleichstellungsreferates. Nachdem die Einrichtung des Referates unter starkem Widerstand des RCDS beschlossen wurde, konnte nach zahlreichen Bewerbern und Wahlgängen kein vom rechtsliberal dominierten StuPa wählbarer Kandidat gefunden werden. Erst als das schwäbische RCDS- und CDU-Mitglied Korbinian Geiger, der zuvor für das Ausländerreferat antrat und gegen Hussein Al-Haushaby verlor, für das Queer- und Gleichstellungsreferat kandidierte, fanden sich 15 von 27 Stimmen für den Anwärter. Eine politische Entscheidung? Man kann darüber spekulieren, ob der Respekt, welchen Korbinian Geiger schließlich insbesondere „in der Szene“ für seine Arbeit gefunden hat, für seine Parteikollegen erwartet oder vielmehr überraschend kam.
Brüsten wollte man sich im Wahlkampf dann lieber nicht damit. Denn „Unisono“, das Magazin des RCDS Greifswald, führte nur die Niederlage bei der Abschaffung des Referates als parteipolitisches Ereignis auf. Möglicherweise war der persönliche Erfolg des Referenten hier gänzlich konträr zu den gewohnten Denkmustern seiner Parteikollegen. Korbinian Geiger ist seit Januar das RCDS-Mitglied mit den meisten Wählerstimmen bei der Wahl zum Studierendenparlament im Januar 2009 und fand sich auf Plätzen des Wahlergebnisses wieder, die sonst eher verdiente Veteranen wie Thomas Schattschneider, Christian Bäz oder Alexander Schulz-Klingauf besiedelten. Die RCDS-Fraktion hat Geigers Erfolg zum Trotz ungefähr die Hälfte seiner personellen Stärke eingebüßt.

Und während der Landtag Mecklenburg-Vorpommerns die Einführung eines pauschalisierten Verwaltungskostenbeitrages in Höhe von 50 Euro ohne die hohe Aktivität der Mitglieder in den ASten und Landeskonferenzen der Studierendenschaften hätte im Handstreich durchsetzen können, machte man sich im Studierendenparlament durch alle Fraktionen hinweg darüber Gedanken, was man mit den angeschwollenen finanziellen Rücklagen der Studierendenschaft Greifswalds anstellen könne. Der RCDS beantragte vor den Wahlen im Januar sogar eine Senkung des Studentenbeitrags um fünfzig Cent, um die Studenten zu entlasten.

Ein StuPa dagegen, welches zehn Referenten monatlich mit 400 Euro versorgen würde, um sicherzustellen, dass diese neben ihrem Studium nur für ihr Amt – und nicht für einen weiteren Nebenjob – da sein müssten, würde bei 11.500 Studenten pro Semester knapp 2,50 Euro Studierendenschaftsbeitrag kosten. Also etwa einen Euro mehr als bisher. Das erscheint nicht nur, sondern ist angesichts der Beträge in den Gebührenplänen des Landes ein winziger Betrag. Dass AStA-Referate so zu begehrten Ämtern gerieren könnten, deren zukünftige Bewerber heute lieber noch am Lehrstuhl für 7,35 Euro pro Stunde arbeiten und dabei gute Kontakte zu zukünftigen Prüfern aufbauen, wäre da wohl nur der begrüßenswerteste Effekt. Und dass die StuPa-Mitglieder behaupten könnten, engagierten Studenten nun eine faire Gegenleistung zukommen zu lassen, anstatt sich weiter mit der Bezeichnung „Ehrenamt“ um Gedanken nach dem finanziellen Auskommen der durch sie kontrollierten AStA-Referenten drücken zu können, letztlich nur das i-Tüpfelchen.

Nicht nur christdemokratische Katzen tun es

Konservatismus gegenüber den gewohnten Strukturen fand sich bisher aber im gesamten politischen Spektrum des Studierendenparlamentes. Ganz gleich die Meinung unter alten AStA-Mitgliedern, Liberaler oder Grüner Hochschulgruppe, bei den Jusos oder eben im RCDS: Auf breiter Front fand der Gedanke Ablehnung, dass die Studenten ihre Vertreter gerecht bezahlen sollten.

Man will weiter auf ehrenamtliches Engagement und eine per Begriffsdefinition eigentlich leistungsunabhängige, in der Praxis hingegen leistungsabhängige, Aufwandsentschädigung setzen. Für mehr müsste ohnehin die Finanzordnung geändert werden und vor so einem handfesten politischen Problem scheute man bisher an jeder Seite der rechteckigen Tafel im Universitätshauptgebäude zurück.

An einer anderen – nämlich landes- und bundespolitischer – Front rechnen derweil vor allem liberale und christdemokratische Politiker vor, welchen volkswirtschaftlichen Nutzen und wie wenig Probleme gestraffte und vereinheitlichte Studiengänge und direkte Gebühren für das Erststudium hätten.

Auch die „linken“ hochschulpolitischen Gruppen wollen dagegen fest an den Errungenschaften der Vergangenheit festhalten: Im Falle der unter den Belastungen des (kurzen) Bachelorstudiums stöhnenden Studenten hinsichtlich neuer Beschäftigungsmodelle für den AStA vielleicht zu Unrecht. Und gerade auch seitens ehemaliger Referenten gilt es leider immer noch als schlüssiges Argument, dass AStA-Arbeit bisher nicht bezahlt worden sei. Die diese sich vermeintlich selbst erklärende Schlussfolgerung kundtuenden Münder gehören jedoch meistens zu solchen Köpfen, die sich mit Lehramtsstudiengängen oder Magisterabschlüssen beschäftigen. Und zweistellige Semesterzahlen stehen auf jedem der entsprechenden Studienausweise. Wenn auch der Altruismus sehr stark im Menschenbild der sich als politisch sehr sozial verstehenden Fraktionen verwurzelt ist, führt ein Klammern an die alten Strukturen möglicherweise zu einem Phyrrussieg. Nämlich dann, wenn schwach besetzte Hochschulgremien die nächste Gebührenerhöhung oder die Schließung der letzten Lehramtsstudiengänge verschlafen haben.

Autor: Arik Platzek, Alexander Müller