„Die Universität hat die Pflicht, jedem Studierenden einen reibungslosen Studienverlauf zu gewährleisten“, so Solvejg Jenssen, AStA-Referentin für Studium und Lehre. Sie beruft sich dabei auch auf den Bericht einer Expertenkommission des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Mecklenburg-Vorpommern. Doch leider sieht die Realität oft anders aus.
Besonders schlimm wurde es im letzen Semester für Lehramtsstudenten des Fachs Deutsch. „Die Grenze des Tragbaren war erreicht“, bestätigt die AStA-Referentin. Aber auch in anderen Fachbereichen wie Geschichte, Philosophie oder Englisch ist die Situation alles andere als optimal.
Die Studienordnung für Lehramtsstudierende sieht vor, dass ab dem fünften Semester sogenannte „Schulpraktische Übungen“ (SPÜs) absolviert werden müssen, in denen es um das Sammeln erster praktischer Erfahrungen als Lehrer direkt in den Schulen geht. Die erfolgreiche Durchführung der SPÜ ist Zulassungsbedingung für das zu absolvierende Hauptpraktikum. Doch für die SPÜs gibt es inzwischen lange Wartelisten. So kommt es, dass viele Studenten ihr Studium nicht in der Regelstudienzeit beenden können, nur weil sie auf einen der heiß begehrten Plätze warten. „Es hat sich über die letzten Jahre ein regelrechter Stau entwickelt, der erst einmal abgebaut werden muss“, bemerkt Anne-Dorothea Klopf, die Vorsitzende des Fachschaftsrates Germanistik/DaF: „Das Problem war ja abzusehen. Es wird schon lange diskutiert, aber es hätte eigentlich frühzeitig dieser Tendenz entgegen gewirkt werden müssen.“
Im Durchschnitt werden in der Germanistik fünf Übungen pro Semester angeboten, ungeachtet der Tatsache, dass gerade die letzten Jahrgänge zahlenmäßig sehr viel stärker waren als die früheren. Offenbar spielt die Situation in der Fachdidaktik bei der Berechnung des zur Verfügung gestellten Kontingents an Studienplätzen kaum eine Rolle. Was sehr zu bedauern ist, ist ja gerade der zu geringe Praxisanteil immer wieder Kritikpunkt der Lehramtsausbildung.
Aber warum können nicht einfach mehr SPÜs angeboten werden? Solvejg Jenssen erklärt: „Das Problem besteht eigentlich auf zwei Ebenen, zum einen auf der Ebene des Landes bzw. der Schulen, zum anderen ist es ein hochschulinternes Problem.“ Denn die Schulen in Greifswald sind gesättigt. Es gibt einfach keine Möglichkeiten mehr, weitere SPÜs an den Schulen anzubieten. Besonders an den Gymnasien ist die Situation heikel. Aber selbst wenn sich weitere Kooperationsmöglichkeiten ergäben, so würde es dennoch an der zu geringen Zahl möglicher Betreuer für die Seminare scheitern. „Die Stellenlage der Fachdidaktiker in der Germanistik ist einfach unbefriedigend“, bestätigt auch Anne-Dorothea Klopf.
Im Oktober fand der Fachschaftsrat Germanistik keine Ruhe. Immer mehr Studenten kamen und klagten ihr Leid über die langen Wartezeiten für die SPÜs. Der Fachschaftsrat wendete sich an den AStA, suchte das Gespräch mit den Fachdidaktikern selber, beriet sich mit der geschäftsführenden Direktorin, Dr. Silke Jahr. Anne-Dorothea Klopf schildert: „Alle waren gesprächsbereit und freundlich, trotzdem hieß es leider nur, dass das Problem zwar bekannt sei, man aber auch keine Lösung wisse“. Auch das darauf folgende Zusammentreffen mit der Studiendekanin Professor Amei Koll-Stobbe verlief ähnlich ernüchternd.
Erst als der Fachschaftsrat die Angelegenheit auf Anraten von Solvejg Jenssen in die Vollversammlung der Germanistik einbrachte, kam der ganze Prozess langsam ins Rollen. Anne-Dorothea Klopf ist begeistert: „Es waren 150 Studierende anwesend, das sind 7,5 Prozent aller Stimmberechtigten. Und davon waren die meisten Lehramtsstudenten. Fast alle Anträge wurden von den Studenten selber eingereicht und teilweise sogar einstimmig angenommen!“.
Anfang Dezember folgte eine gesonderte Sitzung der Fachdidaktiker der Fächer, der studentischen Vertretungen und Vertretern des IFB – das übergeordnete, Greifswalder Institut für Bildungswissenschaften. „Eigentlich ist die Problematik ureigenste Angelegenheit des IFB, doch da dieses noch keine Satzung hat, ist es nicht handlungsfähig“, bedauert Solvejg Jenssen.
Einen der Höhepunkte der bisherigen Bemühungen bildete der StuPa-Beschluss vom 16. Dezember 2008, in dem die Studierendenschaft der Universität Greifswald die Hochschulleitung aufforderte, mehr Stellen aus Hochschulpaktmitteln für die Fachdidaktiken zur Verfügung zu stellen.
Erste Erfolge konnten schon erzielt werden. So wurden noch im Wintersemester in der Germanistik insgesamt 72 SPÜ-Plätze angeboten, also über 30 zusätzliche. Möglich ist dies durch die Ausweitung der Kooperation mit den Schulen im Greifswalder Umland, namentlich Grimmen und Gützkow. Ein Anfang ist gemacht, aber reicht das?
Die AStA-Referentin nimmt Stellung: „Natürlich ist es gut, dass das alles irgendwie läuft. Aber was fehlt, sind immer noch die klaren Regelungen. Es kann nicht sein, dass vieles über persönliche Kontakte, durch überdurchschnittliches Engagement einzelner Lehrkräfte läuft. Den Schulen muss deutlich gemacht werden, von welcher Dringlichkeit es ist, Möglichkeiten zur Durchführung von SPÜs zu schaffen.“
Eine Arbeitsgemeinschaft „Praktika und SPÜs“ soll jetzt dafür sorgen, dass unter der Leitung von Wolfgang Pospischil ein konkreter Kooperationsvertrag ausgearbeitet wird, der explizit regelt, wie viele Studierende zu welchen Bedingungen an den Schulen aufgenommen werden. Dabei ist noch unklar, in welcher Form die Schulen Gegenleistungen für die Kooperation erhalten werden.
Die Leiter des IfB, Professor Franz Prüß und Professor Roland Rosenstock, die studentische Vertretung des IfB, Ina Hartmann, und Solvejg Jenssen bemühten sich schließlich Ende Januar um erneute Gespräche mit den Fachdidaktiken, um sich einen genauen Überblick zu verschaffen. Die Gespräche verliefen überwiegend gut und das IfB konnte viele Anregungen mitnehmen, was zu verbessern ist und wie die Probleme eventuell zu lösen sind. „Jetzt sind erst einmal die betroffenen Fachdidaktiken dran, den genauen Bedarf aufzuschlüsseln. Und dann sehen wir weiter“, schließt die AStA-Referentin und Anne-Dorothea Klopf hofft, dass die Studenten „das bereits zusätzlich geschaffenen Angebot auch wirklich annehmen.“
Dank der Bemühungen des Fachschaftsrates und des AStAs sollte es im jetzigen Semester zu einer deutlichen Entspannung der Lage kommen. Die studentischen Vertretungen haben ihre Möglichkeiten ausgeschöpft, jetzt ist erst einmal die Politik an der Reihe alles zu tun, um einen reibungslosen Studienablauf zu gewährleisten.
Autorin: Mareike Wieland