Die Fraktion der Linken in der Greifswalder Bürgerschaft hat eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Oberbürgermeister König eingereicht. Die Beschwerde sei am 13. Februar an das Innenministerium als zuständige Aufsichtsbehörde versandt worden, teilte die Linke mit.

konig1Grund für die Beschwerde ist die Vergabe eines Auftrags über ein Rechtsgutachten an die hiesige Sozietät “Hardtke, Svensson und Partner”, den der Bürgermeister eigenhändig erteilt hat. Professor Frank Hardtke ist nicht nur Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter an der Universität Greifswald, sondern zeitgleich auch sachkundiger Bürger für die CDU im Finanzausschuss der Bürgerschaft.

Die Linke beruft sich auf die Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern und die städtische Hauptsatzung, in denen die freie Vergabe von Aufträgen an Bürgerschaftsmitglieder ausgeschlossen werden, ohne dass vorher eine Beratung in der Bürgerschaft darüber stattgefunden hat.

Der Fraktionsvorsitzende Dr. Jörn Kasbohm sagte gegenüber dem webMoritz: “Für uns ist dieser offensichtliche Rechtsverstoß ein gefundenes Fressen. Jetzt können wir denen da oben mal schwarz auf weiß zeigen: Ihr habt gegen geltendes Recht verstoßen.” Nicht nur in diesem Fall, auch beim gesamten WVG-Verkauf und darüber hinaus sei “alles im Stillen kämmerlein gelaufen und nichts öffentlich.” Kasbohm: “Es ist unsere Aufgabe, Transparenz einzufordern.”

Ulrich Rose: Beschwerden kann es nie genug geben

Auch Dr. Ulrich Rose von den Grünen begrüßt das Prinzip der Aufsichtsbeschwerde: “Dienstaufsichtsbeschwerden kann es gar nicht genug geben, weil es eines der wesentlichen Mittel der Bürgerschaft ist, sich gegen Maßnahmen zu verweigern.”  Er selbst habe auch schon zwei Beschwerden gegen den OB geführt, die beide zum Ergebnis gehabt hätten, dass der Fall aus Schwerin zurück an den Bürgerschafts-Präsidenten als Dienstherrn delegiert worden sei. Das sei immer dann der Fall, wenn kein eklatanter Rechtsverstoß vorliege.

Rose erinnert sich: “Präsident Egbert Liskow hat sich dann immer im Nichtstun erschöpft. Ich freue mich, wenn andere Parteien jetzt auch mal merken, wie das ist.” Inhaltlich äußern wollte er sich zu der Beschwerde nicht.

Grüne: Stadtverwaltung betreibt Mauschelei bei Aufträgen

Die Grünen hatten allerdings vor Kürze in einem Blog-Eintrag im Internet über die Vergabe-Praxis bei der Stadt beschwert:

“Wohin überstürztes Handeln führt, zeigt der überteuerte und nutzlose Gästefanblock im Volksstadion. Maßgeblich verantwortlich für die Fehlinvestion von fast 70.000 Euro – die von Hochschild angeführte CDU-Fraktion lockere Vergabe”

Auch der webMoritz berichtete über die Geldverschwendung hier und hier. Die Debatte ist nicht neu: Immer wieder soll die Grenze, oberhalb der öffentliche Aufträge ausgeschrieben werden müssen, erhöht werden. Dass diene zur Förderung der lokalen Wirtschaft und zur Beschleunigung der Arbeit, sagen die Befürworter.

Die Gegner – also auch die Grünen – sehen insbesondere die Vetternwirtschaft gefördert. Ulrich Rose: “Tatsächlich profitiert nicht die örtliche Wirtschaft, sondern ein ganz bestimmter Ausschnitt daraus.”

Seitens der CDU ist man über die Dienstaufsichtsbeschwerde derzeit noch nicht hinreichend informiert. Der CDU-Kreisgeschäftsführer Dirk Bauer wusste auf Nachfrage des webMoritz nichts über die Beschwerde. Zum von Vorwurf der Grünen und der Linken, bei der Auftragsvergabe werde “Mauschelei” betrieben, setzte er entgegen: “Die CDU kann sich das nicht vorstellen.”

CDU: Erstmal abwarten!

Zur Dienstaufsichtsbeschwerde wollte sich Bauer auch deshalb nicht äußern, weil es sich bei einer solchen Beschwerde zunächst um einen ganz normalen Vorgang handele: “Das ist ja nichts anderes, als Widerspruch gegen einen Verwaltungsbescheid einzulegen.” Nun gelte es abzuwarten, wie das Innenministerium mit der Beschwerde umgehe.

Desweiteren stellte Bauer fest, dass im Juni Wahlen seien und setzte die Beschwerde in Bezug: “Natürlich entwickelt jede Partei ihre eigenen Wahlkampfstrategien.”

* UPDATE 18.2., 16:20 : Stadt nimmt Stellung

In einer Pressemeldung, die um 16:05 Uhr versendet wurde, äußert sich die Pressesprecherin des Bürgermeisters, Andrea Reimann, zu der Dienstaufsichtsbeschwerde. Sie verweist auf eine Stellungnahme des Oberbürgermeisters zu der Auftragsvergabe vom 18. Dezember 2008. Dort hieß es:

“Die Auftragserteilung erfolgte zur Umsetzung des Bürgerschaftsbeschlusses vom 8.7.2008. Zu  erforderlichen Handlungen hatte mich die Bürgerschaft in diesem ausdrücklich ermächtigt. Die freihändige Vergabe erfolgte in Abstimmung mit meinen beiden Stellvertretern. Den Schriftverkehr zur Auftragserteilung habe ich Ihnen am 25. November 2008 übersandt.

Im Hauptausschuss am 20. Oktober und in der Bürgerschaft am 3. November 2008 hatte ich über diese Auftragsvergabe informiert. Herr Prof. Dr. Hardtke hatte zudem über die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Prüfungsergebnisse und Handlungsoptionen berichtet.

Einwände zu dieser Vorgehensweise sind in den Gremien nicht vorgetragen worden.”

Außerdem verweist die Stadt auf einen Auszug aus §6 der Kommunalverfassung. Dort heißt es: “Verträge der Gemeinde mit Mitgliedern der Gemeindevertretung und der Ausschüsse … bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung durch die Gemeindevertretung.”

Seitens der Stadt wird nun argumentiert, der Hauptauschuss sei in seiner Sitzung Ende Dezember mit großer Mehrheit dem Vergleichsvorschlag der Anwaltskanzlei Prof. Hardtke und Partner gefolgt. Damit habe er auch die Beauftragung genehmigt. Desweiteren gibt die Stadt zu bedenken, dass man “aufgrund des Vorschlags” der Kanzlei 1,5 Millionen Euro eingenommen habe (wir berichteten).

Am kommenden Montag wird sich die Bürgerschaft in ihrer Sitzung erneut mit dem Beschluss befassen. Der Bürgermeister will ihn sich von den Bürgerschaftsmitgliedern bestätigen lassen.

Weitere Infos:

Fotos: Arthur König: Presse-Foto; Kugelschreiber auf Startseite: Peter Multhauf (Die Linke)