Und letztlich auch eine Frage der Übung Gremien- und StuPawahl 2009

Jura-Student Phillip Martens meinte am 12. November 2008, dass „Ursache für die geringe Teilnehmerzahl die fehlende bindende Wirkung der Vollversammlung“ ist. Was damals als Begründung für die geringe Beteiligung gelten mochte, galt diesmal nicht als Argument. Die Beschlüsse von Senat und Studierendenparlament sind bindend – und enthalten die zentralen Entscheidungen an unserer Hochschule. Ebenso wie die Fakultätsratsentscheidungen für die Fakultäten bestimmend sind.

Senat und Studierendenparlament sind jeweils die aus akademischer bzw. studentischer Perspektive höchsten Gremien an unserer Universität – und bewegten auch 2009 trotzdem nur einen von neun Studenten zur Stimmabgabe. Mancher fragt sich mittlerweile ernsthaft, ob Hochschulreife in dieser Hinsicht ein völlig entleerter Terminus ist.

Keine Gesundung trotz recht lebhaften Urnengangs

Eine gute Nachricht vorweg: Es ging etwas aufwärts. Nachdem die StuPa-Wahlbeteiligung 2007 bei 8,5 Prozent lag, stieg sie im Folgejahr auf 10,10 Prozent. Um sich nach der vergangenen Wahlwoche auf einen seit über fünf Jahren nicht erreichten Wert emporzuschwingen, wobei das Adjektiv „stolze“ trotzdem nicht zwingend Anwendung finden muss: 12,7 Prozent der Studenten gingen wählen.

Aber hier hat sich jemand Glückwünsche verdient. Mit dieser Entwicklung werden wir nach nur 25 weiteren Jahren den Wert der niedrigsten Bundestagswahlbeteiligung aller Zeiten erreichen. Besonders wenig Wähler konnte man derweil bei den Senats- und den Fakultätsratswahlen der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät wahrnehmen, trotz nicht geringerer Bedeutung dieser Gremien.

Therapiefehler

Die Glückwünsche dieser Wahl gebühren vermutlich weniger dem StuPa-Wahlleiter Daniel Focke. Die trotz Verbesserung gestalterisch immer noch schlichte, ehemals „Wahlmoritz“ genannte, Broschüre hätte in diesem Jahr durch ein aufwändiges und illustrativ gekonntes Cover punkten können. Der attraktive Effekt des Covers ging vollkommen verloren, denn die Broschüre wurde in einer „Nacht und Nebel“-Aktion auf dem farblich monochromen AStA-Kopierer reproduziert, um dann am ersten Tag der Wahlwoche endlich „hier und da“ zu erscheinen. Das bedeutet wenig Zeit für eine ausgereifte Meinungsbildung zu den 41 Senats, Fakultätsrats- und StuPa-Kandidaten.

Der ehemalige stellvertretende AStA-Vorsitzende, Sebastian Nickel, kritisierte bereits im moritz 74, dass ein „SMS-langer Text und ein Bild den Wähler überzeugen sollen, dass hier geballte studentische Kompetenz nur darauf wartet, im Parlament die großen Wahlziele zu verwirklichen.“ Und wenn diese „Vorstellung der Kandidatinnen und Kandidaten“ dann erst während der Wahlwoche erscheint, kann man sich ihren Wert für eine wohldurchdachte Wahlentscheidung selber ausrechnen.

Mancher mag nun dafür plädieren, Daniel Focke die Wahlleitung im kommenden Jahr wieder zu übertragen. Denn unterstellt man ihm Lernfähigkeit, dürfte das Ergebnis seiner Arbeit im kommenden Jahr wesentlich überzeugender ausfallen und damit zu einer erhöhten Wahllust der Studenten beitragen. Andere äußerten allerdings auch, dass über die ihm versprochene Aufwandsentschädigung noch einmal im Studierendenparlament gesprochen werden müsse.

Die vom AStA-Referenten für Hochschulpolitik Fabian Freiberger am 7. Januar 2009 veranstaltete Podiumsdiskussion der KandidatInnen konnte als richtiger Schritt zu einer Verbesserung des hochschulpolitischen Wahlkampfes begrüßt werden. Allerdings nur von sehr Wenigen, denn diese Veranstaltung litt unter noch vollkommenerer Unbekanntheit in der Studierendenschaft als die Wahl selber. Und wohl auch unter den Kandidaten, denn lediglich ein knappes Dutzend der am hochschulpolitischen Mandat Interessierten war schließlich dort zur konkreten Befragung aufgelaufen.

Zählte man die aus AStA, StuPa und/oder Medien bekannten Gesichter mit den neuen Kandidaten (die begriffliche Trennung fällt schwer, da Sebastian Jabbusch als Senator, Stupist, Medienvertreter und neuerlicher Kandidat in schier unglaublich wirkender Personalunion vertreten war) zusammen, stellte diese Gruppe mehr Teilnehmer als die vermutlich erhoffte Zielgruppe aus Gästen ohne jeglichen hochschulpolitischen Hintergrund.

Aber auch jene wenigen Mitglieder der Zielgruppe, die trotz der spärlichen Flyerkampagne für diese Veranstaltung den Weg zum Konferenzsaal fanden, zeigten sich enttäuscht. Mehrere Pharmazie-Erstsemester äußerten nach der Veranstaltung gegenüber moritz: „Das war eine unverständliche Schlammschlacht, keine Vorstellung politischer Programme!“

Den verantwortlichen AStA-Mitgliedern wurde klar, dass ein fester Fahrplan für solche Veranstaltungen, dem das Pronomen „Pflicht“ hinzugefügt werden sollte, in kommenden Jahren erforderlich sein wird. Vorausgesetzt, man will sich nicht mit der diesjährigen Wahlbeteiligung zufrieden geben. Und über die Voraussetzungen entscheiden auch Senat, Fakultätsräte und StuPa. Denn Studienordnungen und Studienkosten bilden unter anderem zentrale Themen dieser Gremien.

Vorläufige Diagnose

Die für Wohlstandsgesellschaften spezifische Krankheit „Politikverdrossenheit“ konnte auch diesmal wegen diverser Behandlungsfehler der sie behandelnden Spezialisten nicht überwunden werden. Das Team aus Hochschulpolitikern, AStA-Referenten und Medienvertretern wird die Ursachen notwendigerweise intensiv analysieren und gleiche Fehler in Zukunft vermeiden. Die Köpfe der therapierenden Fachgruppe werden das hoffentlich unter angemessenen Arbeitsbedingungen tun können.

Unterbezahlung und fehlende Würdigung der geschafften Arbeit sind stete Kritikpunkte. Vielleicht können irgendwann sogar neue Behandlungsmethoden entwickelt werden. Voraussetzung für eine echte Genesung ist allerdings, dass der Patient – die demokratische Studierendenschaft – wirklich leben will. Die Glückwünsche gehen nun an alle lebensmutigen Bestandteile dieser Körperschaft. Denn der Patient ist noch nicht tot. Aber auch vom Krankenbett aus lässt sich nicht viel bewegen.

Autor Arik Platzek

Kommentar von Arik Platzek

Aus dem Studenten als sich frei entfaltendem Jäger nach Erkenntnis wird durch Bachelorstudienordnung, Studienfinanzierungskalkulationen und stetig neuen Hochschulreformbestrebungen ein gejagter und geplagter Sammler und Anwender kapitalwirtschaftlich verwertbaren Wissens. Die demokratische Hochschule bleibt dabei auf der Strecke.