Gäbe es ein Wartezimmer für das „Oval Office“, dann wäre es derzeit sicher gut gefüllt. Barack Obama wartet auf seine Amtseinführung und die Welt wartet mit. Die großzügig bemessene Zeitspanne zwischen der Wahl und der Amtserhebung eines US-Präsidenten, geht zurück auf Zeiten, in denen die Wahlmänner noch mit Pferden nach Washington anreisen mussten. Diese Zeiten sind längst vorbei, so wie am 20. Januar 2009 auch die Wartezeit ein Ende haben wird. An diesem Wintertag wird Barack Obama offiziell als 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt. Er wird der erste Afroamerikaner in diesem Amt sein. Die bis dahin noch verbleibenden Tage, bieten uns die Möglichkeit einen Rückblick auf die Wahl und einen Ausblick auf seine Amtszeit zu geben.
Vor knapp zwei Jahren, am 10. Februar 2007, verkündete der Senator von Illinois seine Bewerbung um die demokratische Präsidentschaftskandidatur. Außerhalb des Bundesstaates Illinois kannten ihn damals noch nicht viele und außerhalb der USA wohl nahezu niemand. Sein Name, Barack Obama. Er ging in den Vorwahlkampf als Außenseiter und kam aus diesem als der demokratische Präsidentschaftskandidat. Nach einem halbjährigen Duell gegen die Ex-First-Lady, Hillary Clinton, konnte sich Obama im Juni durchsetzen.
Was war geschehen? Der promovierte Jurist gewann schnell an Popularität, nachdem er überraschend die ersten beiden Vorwahlen in Iowa und Wyoming im Januar für sich entschied. Erst einmal im Fokus der Öffentlichkeit, gelang es ihm geschickt durch seine charismatische Ausstrahlung und Eloquenz, eine Dynamik in Gang zu setzen, die ihn letztlich bis zur Präsidentschaft tragen sollte. Es entstand eine breite Basis von Anhängern, die für Obama in den Wahlkampf zog oder für diesen spendete.
Einer von ihnen war Björn Morgenroth. Seit zwei Jahren studiert Björn Englisch und Geographie auf Lehramt, hier in Greifswald. An seiner Mütze stecken zwei große Obama-Buttons. In der heißen Phase des Wahlkampfs, von August bis Ende Oktober, verbrachte Björn ein Auslandssemester an der Widener Universität in Pennsylvania, 20 Kilometer südlich von Philadelphia.
„Have you made up your mind yet?“, fragte er an seinem Stand vorbeiziehende Passanten. Ob sie sich schon entschieden hätten, wollte Björn also wissen. Manche blieben stehen und redeten mit ihm über Obama. Diskutiert wurde wenig, denn in Pennsylvania stand die Wahl fest. Obama siegte dort relativ eindeutig mit 55 Prozent der Stimmen. „Der Wahlkampf in Amerika war eine riesige Show! Von allen Titelseiten lächelten dir Obama oder Mc Cain entgegen, man konnte sich dem nicht entziehen“, schildert Björn. Seine amerikanischen Kommilitonen an der Widener haben sich regelrecht auf die Wahl gefreut.
Auch hier in Deutschland war das Interesse an der Wahl enorm hoch. Bereits seit knapp einem Jahr war die US-Präsidentschaftswahl immer wieder Top-Thema in den Medien. An der Siegessäule in Berlin versammelten sich im Juli sogar über 200.000 Menschen, um die Rede von Obama zu verfolgen. Anne Klatt, Vorstandsmitglied der Grünen in Greifswald, erklärt sich die Begeisterung für Obama und die Gespanntheit auf die Wahl „durch die große Unzufriedenheit mit Bush“. Die Menschen wollten unbedingt einen Wandel, „change“, den Obama versprach. Außerdem war es eine stark polarisierende Wahl durch die Gegensätzen beider Kandidaten. Alt oder jung, weiß oder schwarz, konservativ oder für amerikanische Verhältnisse liberal?
Am Abend des 4. November bildete sich am Seiteneingang des Greifswalder Mensaclubs eine wartende Menschentraube. Die darin stattfindende Wahlparty war so gut besucht, dass aus Sicherheitsgründen nur schleppend neue Besucher hinein gelassen wurden. Zuerst hielten Professor Hubertus Buchstein und Doktor Susanne Pickel von der Politikwissenschaft Vorträge. Im Anschluss daran lief der Film „Nixon“ von Oliver Stone. Ab dem späten Abend flimmerte dann CNN auf der Leinwand und die Anwesenden fieberten dem Wahlausgang entgegen.
„Die Stimmung in der Mensa war eindeutig für Obama“, berichtet Korbinian Geiger, der AStA Co-Referent für Queer und Gleichstellung. Nur er selber hob sich auffällig aus der Masse hervor mit seinem dunkelblauen McCain T-Shirt. „Ich finde, dass, was Obama macht, ziemlich populistisch und halte seine gezeigten Gefühle für im Voraus geplant“, führt Korbinian aus. Um vier Uhr morgens mitteleuropäischer Zeit stand dann das Ergebnis fest. „Ich habe es mir knapper vorgestellt und der Falsche hat gewonnen“, resümiert Korbinian für sich. Die überwiegende Mehrheit in der Mensa sah das natürlich anders.
Björn war zum Zeitpunkt der Wahl gerade erst seit wenigen Tagen wieder zurück aus den USA. „Ich habe mich die ganze Nacht lang zu Hause mit Kaffee und Cola wach gehalten und als Obamas Sieg feststand, habe ich einfach nur gefeiert“, erzählt Björn lächelnd. „Ich war wirklich erleichtert, als ich mich am Morgen über den Ausgang der Wahl informierte“, beschreibt Anne Klatt das Wahlergebnis. So ähnlich fühlten sich hier zu Lande sicherlich die meisten am Morgen nach der Wahlnacht.
Ein langer und beschwerlicher Weg liegt nun hinter Barack Obama, doch ein wohl noch steinigerer Weg liegt vor ihm. Bereits vor seinen ersten Amtshandlungen als Präsident wird er mit John F. Kennedy und Martin Luther King verglichen. Ein großes Lob für Obama, das gleichzeitig die immensen Erwartungen an ihn verdeutlicht. Während sich sein Regierungsstil erst in Zukunft zeigen wird, stehen große Herausforderungen seiner Amtszeit jetzt schon fest.
Bei diesen Bürden lassen sich ebenfalls Vergleiche zu bekannten Persönlichkeiten der amerikanischen Geschichte finden. Er wird gegen die Weltwirtschaftskrise vorgehen müssen, wie Franklin D. Roosevelt dazu gezwungen war. Er will einen Krieg beenden, wie Richard Nixon es musste. Er plant eine Krankenversicherung für alle Amerikaner einzuführen, wie Bill Clinton es sich vornahm. Drei auf einen Streich. Der ehemalige Außenminister, Joschka Fischer, fasst die Ausgangslage von Barack Obama treffend zusammen: „Die Erwartungen und Hoffnungen, die nun weltweit auf dem zukünftigen Präsidenten Obama ruhen, sind gewaltig; übertroffen werden sie vermutlich nur noch von dem Gebirge an ungelösten Problemen, Krisen und Konflikten, die ihm sein Amtsvorgänger George W. Bush hinterlässt.“
Am 1. Dezember verkündete Obama, dass Hillary Clinton Außenministerin wird und Robert Gates weiterhin Verteidigungsminister bleibt. Möglicherweise hat er geschickt taktiert, in dem er Gräben zu politischen Konkurrenten schließt. Doch genauso möglich ist es, dass er mit diesem Zug ein Stück „Change“ über Bord geworfen hat. Antworten auf die vielen offenen Fragen kann in naher Zukunft nur die Politik von Obama selber geben. Ganz sicher ist nur, die Wartezeit neigt sich dem Ende.
Verdienter Jubel um Obama?
Ein Kommentar
Die US-Wahl ist vorbei und die Würfel sind gefallen. Barack Obama erwies sich nicht nur als Favorit der Amerikaner. Auch Deutschland hat den zukünftigen Mr. President schon jetzt ins Herz geschlossen.
Monatelang haben wir mitgefiebert und gerätselt. Wer tritt zur Wahl an? Wer wird von den Amerikanern zum Präsidenten gekürt?
Wir haben über eine geplante Rede vor dem Brandenburger Tor in Berlin diskutiert. Darf er das oder darf er das nicht?
Manche von uns klebten Obama-Wahlsticker auf ihr Auto. Andere sind zu später Stunde bei Wind und Wetter zur Wahlparty in der Mensa geradelt. Und dort wurde es auch dem Allerletzten klar: Der Obama-Hype hat Deutschland erfasst.
Die Stimmung im Mensaraum stieg und fiel mit Obamas Siegen und Niederlagen in den einzelnen Wahlbezirken.
Nur ein McCain-Anhänger gab sich unter den Studenten zu erkennen und wurde von den Umstehenden müde belächelt. „Nimmt sich der Typ eigentlich ernst“, fragte sich so mancher Obama-Anhänger mit Blick auf den Andersdenkenden kopfschüttelnd.
Doch eigentlich müsste die Frage, die wir uns stellen sollten, anders lauten: Sind WIR eigentlich noch ernst zu nehmen?
Denn halten wir die Amerikaner nicht in unseren kühnsten Vorurteilen für politische Einfaltspinsel, die sich nur allzu gern von den Medien manipulieren lassen? Beurteilen wir uns demgegenüber nicht als besonders kritisch und aufgeklärt?
Warum, müssen wir uns dann fragen, gründen wir dann regelrecht Fanclubs für einen Mann, den schon unsere Ami-Freunde als charismatisch, aber politisch inhaltsleer beschreiben?
Vielleicht, weil wir bei „McCain“ an Tiefkühlpommes denken. Vielleicht auch, weil Will.I.Am einfach ein guter Musiker ist. Oder vielleicht nur, weil wir uns bei diesem Wetter gerne zurücklehnen und zusammen mit Obama den amerikanischen Traum träumen wollen. Wer weiß?
Unter all den möglichen Argumenten, die den Hype um den US-amerikanischen Politiker begründen können, fällt ein augenscheinlich stichhaltiges ins Auge. Dieses Argument ist wohl das Einzige, das der politisch interessierte Mensch momentan sehen will: Obama ist kein zweiter George W. Bush.
Aber mal ehrlich: Ist es nicht ein wenig armselig, einen Politiker derart zu feiern, nur weil er im Moment die einzige Alternative darstellt?
Ein Artikel von Micha Gutknecht mit einem Kommentar von Anna Seifert, das Foto wurde vom FSR Politikwissenschaft zur Verfügung gestellt.