„Ich fühle mich wie auf dem Abstellgleis.“ Claudia Müllerchen ist enttäuscht. Die Bachelor-Studentin begann mit großen Erwartungen ihr Studium. „Die inhaltlichen Schwerpunkte der Kommunikationswissenschaft in Greifswald haben mich sofort angesprochen. Andere Universitäten erschienen mir weniger attraktiv“, erklärt die 21-Jährige. Doch nach zwei Jahren bereut sie diese Entscheidung: „Ich habe mich wohl sehr geirrt.“
Franziska Hain sind solche Äußerungen nicht fremd. Die stellvertretende Vorsitzende des Fachschaftsrats Politik- und Kommunikationswissenschaften schätzt die Studiensituation ähnlich kritisch ein. „Die Bedingungen sind nicht tragbar, denn die Uni schafft es einfach nicht, das Lehrpersonal hier zu halten.“
Dozenten kommen und gehen. So verließen Professor Klaus Beck, Professor Stefan Wehmeier, Dörte Hein und Christiane Schubert in den letzten Semestern die Greifswalder Uni, auch andere stehen kurz vor dem Absprung. Die Lehre wird überwiegend durch Vertretungen, Lehraufträge und Personal mit knapp befristeten Verträgen übernommen. Studenten sehen sich dadurch oft mit neuen Unterrichtsmethoden und fachlichen Schwerpunkten konfrontiert. Hinzu kommt ein äußerst begrenztes Veranstaltungsangebot. „Schön ist das nicht“, sagt Müllerchen ernüchtert.
Professor Klaus Beck, der von April 2004 bis Oktober 2007 den Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft einnahm, findet hingegen lobende Worte. „Der stetige Zustrom der Studienbewerber und die Rückmeldungen, die ich von einigen Absolventen erhalten habe, sprechen doch sehr für das Greifswalder Angebot.“ Seit 2003 erfreut sich das Studienfach stetiger Beliebtheit. „Die Nachfrage ist ungebrochen groß“, sagt Professor Matthias Schneider. Der Dekan der Philosophischen Fakultät schätzt die Kommunikationswissenschaft als ein „Fach, das zwar klein ist, aber das vielfältige Angebot der Greifswalder Uni bereichert“.
Den Unmut vieler Studenten kann Schneider nachvollziehen. „Doch man darf das Ganze auch nicht immer nur schwarz malen. Das Lehrangebot ist abgesichert und wir sind intensiv mit der Besetzung der W3-Professur beschäftigt.“ Nach Becks Weggang an die Freie Universität Berlin ist der Greifswalder Lehrstuhl seit bereits einem Jahr verwaist. Zwei Semester ohne eine leitende Hand, die eine langfristige Planung und kontinuierliche Lehre ermöglichen würde.
„Diese langen Übergangszeiten sind an deutschen Universitäten leider normal. Das hängt mit den Schwächen akademischer Selbstverwaltung zusammen. Ich hoffe aber im Interesse der Studierenden, dass schon bald die Lehrstuhlbesetzung erfolgen wird“, erklärt Beck. Eine Berufungskommission arbeitet daran. Doch die bürokratischen Mühlen mahlen langsam. „Drei Kandidaten stehen aber inzwischen fest. Ich gehe davon aus, dass einer der Bewerber den Lehrstuhl im kommenden Sommersemester übernehmen wird“, sagt Christian Bäz, Mitglied des Fakultätsrats und der Berufungskommission.
Geplant ist auch die Besetzung der Juniorprofessur. Doch noch ist die Stelle nicht ausgeschrieben. „Das wird hoffentlich bald erfolgen“, erklärt Bäz. Eine personelle Verstärkung der Kommunikationswissenschaft und eine damit einhergehende Planungssicherheit wünscht sich auch Professor Jahn. „Ich wünsche mir Verbesserungen. Bisher empfinde ich den Zusammenschluss der Fachrichtungen als enttäuschend, da in der Kommunikationswissenschaft ein Gesprächspartner fehlt“, sagt der geschäftsführende Direktor des Instituts für Politik- und Kommunikationswissenschaft.
Seit Januar 2008 gehören das frühere Institut für Politikwissenschaft und der Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft zusammen. „Durch eine Neubesetzung des Lehrstuhls erhoffe ich mir positive Impulse für unser Institut“, erklärt Jahn. Geplant ist eine enge Zusammenarbeit. „Auch ein gemeinsamer Masterstudiengang wäre denkbar.“ Die momentane Situation für Studierende der Kommunikationswissenschaft schätzt Jahn als unglücklich ein. „So lange aber ein Professor fehlt, ist eine langfristige Planung und Verbesserung der Lehre nur schwer möglich. Wir können und wollen dem zukünftigen Lehrstuhlinhaber richtungsweisende Personalentscheidungen nicht vorwegnehmen.“ Bis dahin bleibt alles beim Status quo.
Dr. Steffen Kolb, der den Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft seit Oktober vertritt, schätzt die momentane Situation ähnlich angespannt ein. „Die Planung der Lehre ist schwierig. Auch grundlegende Personalentscheidungen fallen schwer.“ Für den Akademiker gibt es keine berufliche Zukunft in Greifswald. „Ich bin sozusagen eine Feuerwehrkraft. Trotz der schwierigen Bedingungen versuche ich aber mit allen mir zu Verfügung stehenden Mitteln Kontinuität für Studierende zu gewährleisten.“ Kolb bleibt optimistisch: „Die Situation ist problematisch, aber die Fakultät arbeitet an schnellen Lösungen, so dass die Studierenden nicht mit weiteren Einschränkungen zu rechnen haben.“
Auf Besserung hoffen viele, nicht zuletzt Professor Klaus Beck: „Die Entwicklung muss weiter gehen. Stillstand bedeutet Rückschritt. Um auf Dauer eine konkurrenzfähige und solide Ausbildung zu gewährleisten und Zukunftsfelder zu entwickeln, darf es nicht bei ein oder zwei Hochschullehrerstellen blieben. Dann würde eine riesige Chance verschenkt.“ Dekan Schneider spricht sich indes dagegen aus: „Die Einrichtung eines weiteren Lehrstuhls ist nicht vorgesehen.“
Die Diskussionen gehen weiter. Nicht nur bei den Verantwortlichen besteht Redebedarf. Auch Studenten wünschen sich schnelle Lösungen und Verbesserungen. „Ein unbesetzter Lehrstuhl ist einfach nicht tragbar“, sagt Hendryk Wörlitz. Nicht die Frage nach ein oder zwei Lehrstühlen beschäftigt den 24-Jährigen. „Hauptsache ist, dass wir bald wieder einen Professor haben.“ Seine Bachelorarbeit schreibt er bewusst nicht in der Kommunikationswissenschaft, sondern in der Musik.
Alle Hoffnungen ruhen auf der Neubesetzung des Lehrstuhls zum kommenden Sommersemester. Kommt ein Professor, sind Fortschritt und Besserung in Sicht. Bis dahin bleibt der Studiengang mit all seinen Problemen stehen.
Ein Artikel von Peter Schulz und Grit Preibisch