30 Studienanfänger minus 4 Semester gleich 7 Physiker

Als im Wintersemester 2006 das Fach Physik mit dem Abschluss Bachelor startete, konnte keiner absehen, dass zwei Jahre später nur noch rund ein Sechstel der ersten Studenten an Praktika, Übungen und Vorlesungen teilnehmen würde. Beim Diplom blieben durchschnittlich nur rund ein bis zwei Drittel auf der Strecke. Ist der Übergang vom alten Diplom zum neuen Bachelor also danebengegangen?

Wie beim Quantensprung sollte man nach dem Bologna-Prozess von einem Wert, in Deutschland dem des Magisters oder Diploms, zu einem neuen übergehen – dem Bachelor und Master. Quantensprünge sind in der Physik immer sprunghaft und oft nicht mit einer qualitativen Veränderung des Systems verbunden. Allerdings sind echte Quantensprünge so winzig, dass man sie nur in der Summe wahrnimmt.

Zur Veranschaulichung stelle man sich die Physik als Teilchen des Systems Hochschule vor. Dann würden Veränderungen innerhalb des Studienaufbaus für den Bachelor Physik eventuell eine sprunghafte Verbesserung nach sich ziehen. Jedoch versuchten Adrian von Stechow vom Fachschaftsrat und der einzige Master-Student Dominik Dahl an dem Institut für Physik bereits einen neuen Stundenplan zu konzipieren, der den Studenten entgegenkommt und ihnen mehr Freizeit einräumt. Das Ergebnis war bis auf kleine Details der schon bestehende Musterstudienplan. Und selbst beim Vergleich der ersten beiden Semester von Bachelor und dem alten Diplom fallen kaum Veränderungen auf. Jeweils 22 Veranstaltungen mussten beide besuchen. Das oft heran zitierte Zeitargument für gestresste Bachelor-Studenten schwankt.

Ein anderes Teilchen, das man verändern könnte, wären Prüfungen. Klausuren seien, laut Adrian von Stechow, für Diplom-Studenten oft so ausgelegt gewesen, dass man sie bis zur Hälfte bewältigen konnte, da es letztendlich nur darum ging, sie zu bestehen. Beim Bachelor taucht hier das erste Problem auf. Wer hier einen guten Abschluss haben möchte, muss bei jeder Klausur nicht nur durchkommen, sondern sie auch gut abschließen. „Der Bachelor ist eine komplett neue Struktur, man kann nicht nur das System wechseln!”, meint Adrian von Stechow. Und da festigt sich plötzlich das Zeitargument wieder. Eine Klausur zu verschieben ist – wie bei geradezu jedem anderen Bachelor-Fach – wegen des festgelegteren Stundenplans fast unmöglich. Zudem werden gezielt mehr Klausuren in den ersten beiden Semestern geschrieben, um „zu zeigen, was Sache ist”, wie es der Vorsitzende der Prüfungskommission Andre Melzer ausdrückt. Und Dr. Berndt Bruhn fügt als Studienberater des Instituts noch hinzu: „Das erste Studienjahr ist das allerwichtigste. Die Gefahr besteht darin, dass die Studenten zu sehr ihr neues Leben genießen.” Eigentlich nichts neues, denn das könnte man wahrscheinlich für jeden Studiengang so unterschreiben. Warum jetzt aber die Physik so stark betroffen ist, bleibt rätselhaft.

„Vielleicht hatten wir auch einfach Pech”, meint Berndt Bruhn. „Es gibt immer mal einen schlechteren Jahrgang. Wenn ein Kern von zwei oder drei guten Leuten da ist, dann ziehen die die anderen mit und wenn die fehlen, dann funktioniert das nicht.” Eines der Hauptprobleme ist seiner Meinung nach vor allem, dass Übungsaufgaben nicht mehr Pflicht sind. Wer schon einmal an der Universität Physik hatte, der weiß, dass man ohne zuvor gelöste Übungsaufgaben eigentlich gar nicht zur Prüfung anzutreten braucht. Früher mussten beim Diplom-Studiengang mindestens 50 Prozent der Aufgaben bearbeitet worden sein, um überhaupt zur Prüfung zugelassen zu werden. Juristisch ist das jetzt beim Bachelor nicht mehr möglich.

Zum Schluss wäre eine andere Veränderung die Gesamtdauer.

„Meiner Meinung nach waren einige zu jung. Die hatten noch nicht dieses Lernstreben, das hier nötig ist. So war es auch bei mir.” Michael Beck, 5.Semester

Warum sollte man nicht von drei auf vier Jahre übergehen? Hätte dann seinen Bachelor in der Hand und könnte in einem ein- oder zweijährigen Aufbaustudiengang seinen Master dranhängen. Das entspräche der Dauer des Diploms. Bei der Entscheidung zu einem dreijährigen Bachelor-Programm spielten „eine Handvoll Universitäten, die den Physik-Bachelor schon mit drei Jahren eingeführt hatten, eine wichtige Rolle”, so Andre Melzer.

Mittlerweile findet man bei www.hochschulkompass.de 24 Universitäten in Deutschland, die den akkreditierten Bachelor-Abschluss in Physik anbieten – alle mit einer Regelstudienzeit von sechs Semestern.

Quantensprünge sind in der Physik eigentlich nicht zu erwarten. Denn es gibt keine plausible Erklärung für so viele Studienabbrecher, die im System begründet liegt. „Viele haben mit falschen Vorstellungen das Studium begonnen”, meint Christian Breitenfeldt. Der Student im fünften Semester betont: „Wer ohne Mathe Leistungskurs und Physik herkommt, ist hier einfach falsch am Platz.”

Es wurden bereits kleine Veränderungen im Bachelor-Studiengang durchgeführt. Die betreffen allerdings nicht mehr das jetzige fünfte Semester. Doch man sieht – im Detail sind kleine Quantensprünge möglich und das lässt für das Gesamtsystem hoffen.

Autor: Anke Harnisch, Foto: Michael Beck