Studenten aus ganz Deutschland sprechen über ihre Gründe, in Greifswald zu studieren und das Leben zwischen Audimax und Kiste

moritz David, du kommst aus Berchtesgaden in Bayern und lebst jetzt in Schönwalde II. Wie fühlt sich das an?
David Großartig! Ich fühle mich sehr wohl hier. Die Menschen in Greifswald sind viel freundlicher und offener als in Bayern.
Florian Das liegt daran, dass die Leute hier die Universität als Segen für die Stadt begreifen. Sie sind jeden Tag dankbar dafür, dass die Studenten hier sind.

moritz Florian, du bist ein echter Greifswalder. Warum hat es dich nicht in die weite Welt gezogen?
Florian Zum einen natürlich, weil hier meine Wurzeln liegen. Aber letztendlich war es eine finanzielle Entscheidung. Ich habe drei Brüder, einer davon studiert in Kiel. Ich bekomme kein Bafög und so hatte ich keine andere Alternative.

David Stoffel, 19, aus Berchtesgarden, studiert Politikwissenschaft und Geschichte im dritten Semester

moritz Bei David kann ja von Wurzeln keine Rede sein, oder?
David Mich hat es möglichst weit von zu Hause weggezogen. Ich wollte den kompletten Bruch. Das macht für mich den Reiz des Studierens aus, alles andere wäre ja langweilig.
Saskia Bei mir war es genau andersrum. Ich hätte mir nie träumen lassen, mal in Greifswald zu studieren. Mich hat die ZVS hergeschickt. Ich hatte keine Ahnung was mich erwartet.
Marco Für mich war Greifswald die absolute Notlösung. Woanders wollte mich keiner und so bin ich hier mehr oder weniger gestrandet.

moritz Was habt ihr euch von Greifswald erwartetet?
Marco Ich hatte das Bild einer verschlafenen ostdeutschen Kleinstadt. Ich freute mich riesig darauf, endlich zu studieren. Alles andere war zweitrangig.
Saskia Ich war zunächst sehr skeptisch. In erster Linie, weil ich Familie und Freunde erstmal hinter mich lassen musste. Außerdem hatte ich Bammel vor der 8er-WG, in die ich ziehen sollte. Acht Leute, davon fünf Jungs! Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das gut geht.

Saskia Fuhrmann, 19, aus Coswig, studiert Pharmazie im dritten Semester

moritz Hattet ihr mit Vorurteilen zu kämpfen, bevor ihr hergekommen seid?
Saskia Nein, ich war glücklich, überhaupt einen Studienplatz bekommen zu haben. Außerdem hat die Universität einen sehr guten Ruf.
David Ganz im Gegenteil. Mir wurde viel Respekt für meine Entscheidung entgegengebracht. Außerdem haben meine Eltern Greifswald als einen sehr schönen Urlaubsort beschrieben. Und wo man Urlaub macht, kann Studieren auch nicht so verkehrt sein.

moritz Ihr wohnt nun alle über ein Jahr in Greifswald. Fühlt ihr euch hier heimisch?
Florian Natürlich, ich bin schließlich hier geboren.
David Ja, ich bin Pommeraner!
Marco Heimisch… heimisch ja, aber nicht zu Hause. Zu Hause bin ich in Berlin.
Saskia Für mich war es am Anfang nicht einfach, mich hier wohlzufühlen. Ich bin ein sehr ruhiger Mensch, daher fiel es mir schwer, auf Leute zuzugehen. Aber das hat sich inzwischen geändert, ich fahre nur noch selten nach Hause. Ich hatte es satt, zwei Leben zu führen, eins in Dresden und eins in Greifswald! Ich studiere hier und nun lebe ich auch hier.
David Genau. Dazu ist das Studium doch da, um neue Erfahrungen zu machen. Nicht, um jedes Wochenende zurück an Muttis Rockzipfel zu kriechen.

moritz Seht ihr Greifswald als Durchgangsort für euch oder könnt ihr euch vorstellen, hier zu bleiben?
Saskia Ich hatte eigentlich vor, nur bis zum ersten Staatsexamen zu bleiben und dann wieder nach Dresden oder Leipzig abzuzischen. Aber in meinem ersten Jahr habe ich die kleine Stadt liebgewonnen und möchte auch hier zu Ende studieren. Aber einmal hier zu arbeiten, kann ich mir nicht vorstellen, dazu sind mir die Berufschancen zu gering.
Florian Ich kann ja verstehen, dass vielen die Jobaussichten zu gering sind. Aber mich nerven alle an, die meinen, herzukommen, um von den Strukturen zu profitieren, ohne sich auch nur umzumelden und dann gleich wieder abhauen. Ich finde das undankbar!
David Ich kann mir sehr gut vorstellen, zu bleiben und hier zu arbeiten. Nach dem Studium möchte ich an der Universität forschen und mir etwas aufbauen.
Marco Nein, langfristig wäre das Leben in Greifswald nichts für mich. Ich bin ein Großstadtmensch. Das Leben hier ist eine tolle Abwechslung, aber ich brauche die pulsierende Metropole.

Marco Friedrich, 21, aus Berlin, studiert Germanistik und Wirtschaft im dritten Semester

Marco Friedrich, 21, aus Berlin, studiert Germanistik und Wirtschaft im dritten Semester

moritz Warum bist du dann nicht in Berlin geblieben?
Marco Mich nerven die Anonymität und die weiten Wege. In Berlin sitzt man 40 Minuten in der S-Bahn, hört sich dann 90 Minuten seine Vorlesung an und fährt anschließend wieder zurück. In Greifwald dagegen ist alles so schön komprimiert! Ständig triffst du jemanden, dann gehst du mal zwischen den Vorlesungen ein Käffchen trinken oder entspannst bei schönem Wetter unten am Hafen.
David Die Leute kennen einen! Die Atmosphäre ist viel persönlicher als in den großen Städten. Ich habe in Greifswald das Gefühl, dazuzugehören und nicht nur eine Nummer in der Studentenstatistik zu sein.
Saskia Letztens hat mich zum Beispiel eine Professorin in der Fußgängerzone angehalten, um sich mit mir zu unterhalten. Das hast du doch woanders nicht.

moritz Gibt es in Greifswald zwei Welten? Die der Studenten und die der „normalen” Greifswalder?
Florian Ja, auf jeden Fall. Man braucht doch nur mal durch die Fußgängerzone gehen. Da gibt es immer zwei Gruppen: Studenten auf Fahrrädern und die älteren Greifswalder, die auf dem Weg irgendwohin sind.
David Das fällt besonders in den Semesterferien auf. Da ist die Stadt wie leer gefegt.

moritz Woran liegt das?
Florian Ich glaube, die Studenten wollen den Kontakt nicht wirklich. Sie haben sich ihre geschlossene Welt aufgebaut, in der sie unter sich sind und auch sein wollen.

moritz Was stört euch an Greifswald?
Alle Der Wind!
David Die Ampelschaltungen an der Europakreuzung. Das kenne ich aus Bayern nicht, dass jedes Auto einzeln grün bekommt.
Marco Ach was, du bist nur noch nicht durchgestiegen, wie die Dinger funktionieren!
David Außerdem stört mich der völlig unzureichende Busverkehr. Es kann nicht sein, das höchstens zweimal in der Stunde ein Bus fährt und das zu überzogenen Preisen. Da besteht dringend Nachholbedarf.
Saskia Mich stört das überhaupt nicht, man kann doch prima alles mit dem Fahrrad erreichen.
David Und wenn es schneit?
Saskia Die drei Tage im Jahr, in denen hier mal Schnee liegt.

Florian Stahlkopf, 20, aus Greifswald, studiert Geographie im dritten Semester

moritz Habt ihr in Greifswald einen Lieblingsort?
Florian Ich bin gerne an den Ryckterrassen. Das ist der ideale Platz, um zu grillen, ein paar Bier zu trinken und einfach eine schöne Zeit mit seinen Freunden zu haben.
Marco Am liebsten bin ich im Strandbad Eldena. Da gibt’s einfach die schicksten Mädels. Die sind in Greifswald übrigens generell sehr hübsch.

moritz Habt ihr es jemals bereut in Greifswald zu sein?
Alle Nie! Keine Sekunde!
Marco An meinem Erstitag hat jemand zu mir gesagt, man weint immer zweimal in Greifswald: Wenn man kommt und wenn man geht.

moritz Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Alexander Müller