Seit 1998 verleiht die Universitäts- und Hansestadt Greifswald alle zwei Jahre den mit 5.000 Euro dotierten Wolfgang-Koeppen-Literaturpreis. Das besondere an dieser Auszeichnung ist, dass der letzte Preisträger seinen Nachfolger nominiert. Für dieses Jahr hat Bartholomäus Grill Sibylle Berg ausgewählt. Die 46-jährige Autorin reflektiert in ihren Romanen und Dramen auf eine oft zynische und erschreckend ehrliche Art unsere Gesellschaft beziehungsweise die der DDR. Eine Kostprobe ihrer Person gibt es schon mal im moritz-Interview und am 23. Juni live bei der Preisverleihung im Koeppenhaus.
Seit 1998 verleiht die Universitäts- und Hansestadt Greifswald alle zwei Jahre den mit 5.000 Euro dotierten Wolfgang-Koeppen-Literaturpreis. Das besondere an dieser Auszeichnung ist, dass der letzte Preisträger seinen Nachfolger nominiert. Für dieses Jahr hat Bartholomäus Grill Sibylle Berg ausgewählt. Die 46-jährige Autorin reflektiert in ihren Romanen und Dramen auf eine oft zynische und erschreckend ehrliche Art unsere Gesellschaft beziehungsweise die der DDR. Eine Kostprobe ihrer Person gibt es schon mal im moritz-Interview und am 23. Juni live bei der Preisverleihung im Koeppenhaus.
moritz: Bartholomäus Grill begründet seinen Vorschlag, Ihnen den Wolfgang-Koeppen-Preis zu verleihen, so: „Weil sie wie keine andere deutschsprachige Schriftstellerin die Seelenverwüstungen im veloziferischen Zeitalter der Globalisierung mit scharfer und zugleich selbstironischer Feder seziert.“ Sehen Sie sich auch so?
Sibylle Berg: Nein, ich sehe das, was ich mache, unter keiner Überschrift, außer unter: Ich mache meine Arbeit, eine andere kann ich nicht.
moritz: Welche Verbindung haben Sie zu Wolfgang Koeppen und seinem Werk? Hat Sie ein Buch von Koeppen besonders beeindruckt?
Berg: Ich bin ein ganz furchtbarer Mensch, und habe, bis ich von dem Wolfgang-Koeppen-Literatur-Preis erfuhr, noch nie etwas von ihm gelesen. Mache ich jetzt dann.
moritz: Waren Sie schon mal in Greifswald? Was verbinden Sie mit dieser Stadt?
Berg: Bestimmt war ich mal dort. Früher, als noch alles Osten war, da gab es ja nicht so viele Orte zum hingehen. Ich erinnere mich nicht, aber es wird sicher so eine Stadt sein, mit Häusern und wenn ich Glück habe, Menschen.
moritz: Was bedeutet für Sie Heimat?
Berg: Das ist für mich der Ort, den ich mit großer Freude verlassen habe. Heimat war für mich Osten, ein unangenehmes System, das seine Bürger mit Alkohol abgefüllt und ruhig gestellt hat. Eine andere Heimat kenne ich nicht, außer wenn ich ab und an mal einen Menschen meines Alters aus dem Osten treffe. Dann wird klar, dass wir alle keine Heimat mehr haben, weil die sich aus Erinnerungen zusammensetzt, aus Büchern, Gerüchen, Fernsehmoderatoren, Sängern, Kultur, Landschaften. Und die sind alle weg.
moritz: In Ihren Romanen herrschen meist Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit vor. Was bedeutet für Sie Glück?
Berg: Einen Menschen zu haben, der einen erträgt, und umgekehrt. Keine finanzielle Not zu haben und machen zu können, was ich machen möchte.
moritz: Wer ist Ihr Lieblingsautor bzw. wer ist Ihre Lieblingsautorin?
Berg: Agota Kristof, Will Self, Karen Duve, Primo Levi.
moritz: Was stört Sie an der Literatur von heute?
Berg: Zu viele Bücher von Fernsehmoderatoren, zu wenig Literatur, zu viel Marketingscheiß, zu wenig Experimente von Verlagen.
moritz: Was gefällt Ihnen daran?
Berg: In einem großen Müllhaufen immer mal wieder etwas zu finden, das einem einen neuen Gedanken schenkt.
Geschrieben von Alina Herbing