Rastlos läuft die junge Studentin im Badezimmer auf und ab. Ihr stehen qualvolle Minuten bevor. Tausend Gedanken kreisen in ihrem Kopf herum. Nie hatte sie geglaubt, in solch eine Situation zu kommen. Doch nicht sie. Ihr konnte sowas doch nicht passieren! Endlich wagt sie einen Blick auf den Schwangerschaftstest. Der Schock ist groß. Unmöglich konnte das Ergebnis stimmen, unmöglich konnte ausgerechnet sie schwanger sein. Erst vor ein paar Jahren hat sie ihr Abitur gemacht und steckt mitten in ihrem Studium. Das Geld reicht gerade mal für sie selbst, wie soll sie da noch ein Kind ernähren?

Eine fiktive Szene, die trotzdem einigen Studentinnen bekannt geworden ist. Auch Maria Nehmzow (Name von der Redaktion geändert), Studentin der Uni Greifswald, ist Mutter und kümmert sich allein um ihren kleinen Sohn. Geplant war der Nachwuchs allerdings nicht. „Zuerst habe ich noch gehofft, dass der Test nicht richtig funktioniert hat. Doch dann hat mir meine Frauenärztin das Ergebnis bestätigt“, berichtet die Studentin. Ein Schock war es für sie schon. Dennoch kam eine Abtreibung für sie nicht in Frage. „Ich habe mich zwar daüber informiert, aber als ich das erste Ultraschallbild gesehen habe, kam es für mich gar nicht mehr in Frage und meine Wahl für das Baby stand fest“, schildert die junge Mutter ihre Entscheidung. Während die Eltern die Schwangerschaft ihrer Tochter akzeptiert haben, war ihr Freund weitaus weniger begeistert. Umstimmen ließ sich die Studentin jedoch nicht. „Auch gegen den Wunsch meines Freundes entschied ich mich für das Kind. Meine beste Freundin war auch ziemlich geschockt, aber irgendwann konnte ich auch sie vom Gegenteil überzeugen“, erinnert sich Maria.

So wie ihr erging es auch Nicole, die ein Kind während ihres Studiums ebenfalls nicht geplant hatte. Sie studiert Medizin und ist im Januar dieses Jahres Mutter geworden. „Meine Familie hat die Neuigkeit sehr gut
aufgenommen. Vielleicht auch, weil meine Tochter das erste Enkelkind in der Familie ist“, erklärt Nicole. Doch ihre Freunde waren geteilter Meinung. „Es wurde ziemlich schnell klar, dass ich mein Kind allein aufziehen werde und meine Freunde glaubten, dass das im Studium nicht so recht klappen würde. Vor allem, wenn man allein ist“, gibt
die Medizinstudentin zu.

Die Zeit ist reif

Die wenigsten Studentinnen wollen während ihres Studiums schwanger werden. Maria und Nicole entschieden sich letztendlich bewusst für den Nachwuchs während der Ausbildung und sehen es ganz und gar nicht als Problemsituation, sondern vielmehr als kluge Entscheidung. Die 31-jährige Wencke Hallaschk (moritz 70), fand nach einem Studienwechsel, dass es Zeit wäre, zusammen mit ihrem Freund eine Familie aufzubauen. „Ich habe ein Jahr versucht, schwanger zu werden, da ich unbedingt ein Kind haben wollte, trotzdes Studiums. Schließlich bin ich jetzt noch jung und möchte auf jeden Fall noch mehr Kinder. Da kann ich nicht erst mit 40 anfangen“, begründet die Diplomstudentin ihren Wunsch nach einem Kind.
Ein Einzelfall ist Wencke nicht. Während ihres ersten Semesters als Studentin der Rechtswissenschaft wurde Christin Müller schwanger. Auch ihre Tochter Alessandra war ein Wunschkind und länger geplant. Für den Kinderwunsch entschied sich die Studentin sogar für ihren jetzigen Studiengang. „Mein Freund und ich haben uns damals auch ein Kind gewünscht und waren sehr glücklich als es dann geklappt hat“, sagt sie. Familienplanung findet also nicht nur nach der Ausbildung statt, sondern gerade auch währenddessen. Bundesweite Umfragen ergeben einen Anteil von circa acht Prozent Studenten mit Kind(ern). In einer eigenen Umfrage zum Kinderbetreuungsbedarf erfasste
das Studentenwerk im Jahr 2005 circa 60 Studenten mit Kind(ern). „Das werden aber nicht alle tatsächlichen Mütter und Väter gewesen sein“, so Jana Kolbe, Sozialberaterin des Studentenwerks Greifswald.

Gaben vom Vater Staat

Doch was genau macht das Kinderkriegen während des zeitraubenden Studiums so attraktiv? „Wenn man ein Kind hat und nebenbei noch studiert, muss man ein gutes Zeitmanagement haben, um beides zu schaffen. Für mich ist meine Tochter nicht hinderlich, sondern vielmehr förderlich für mein Studium“, erläutert Müller, die über sich selbst sagt, Regelmäßigkeit in ihrem Alltag zu brauchen. Daneben spielt bei der endgültigen Entscheidung für das Elternsein noch ein anderer Aspekt eine große Rolle – das liebe Geld. „Die finanziellen Unterstützungen sind vielfältig. Sie reichen von Hilfen während der Schwangerschaft bis zu Geldern, wenn das Kind geboren wurde. Zu nennen sind für die Zeit vor der Geburt der Mehrbedarf ab der 13. Schwangerschaftswoche sowie finanzielle Hilfen zur Erstausstattung.

Beides beantragt man bei der Arbeitsagentur. Hat man einen Nebenjob, so besteht während des Mutterschutzes Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Nach der Geburt stehen einem auf jeden Fall das Kindergeld und das Elterngeld zu. Zusätzlich, wenn das Geld nicht reichen sollte, kann man Sozialgeld für das Kind, Wohngeld oder einen Kinderzuschlag beantragen. Besucht das Kind eine Kinderbetreuungseinrichtung, übernimmt das Jugendamt bei geringem Einkommen die Kinderbetreuungskosten“, so Kolbe. Auch das BAföG-Amt unterstützt studentische Eltern. So gewährt es zusätzliche Fördersemester, die nicht zurückgezahlt werden müssen und die Studentin darf mehr
Geld nebenbei verdienen.

Wo ist das Geld nur geblieben?

So gesehen, scheint der Rubel nur so zu rollen und die Kleinfamilie oder die Alleinerziehenden sind vollends abgesichert. Von der Theorie zur Praxis ist es jedoch ein weiter Weg und oft sieht die Realität leider doch wieder ganz anders aus. „An sich reicht das Geld schon aus. Aber wenn ich zum Beispiel zu meinen Eltern fahre oder andere große finanzielle Ausgaben habe, dann wird es schon schwierig, klagt Nicole. Problematisch ist auch, dass bei einem genommenen Urlaubssemester der BAföG-Satz wegfällt, obwohl Arbeitslosengeld II beantragt werden kann. Jedoch bekommt man dieses nur unter bestimmten Bedingungen. „Meine Tochter könnte Hartz IV bekommen, allerdings hat sie durch den Unterhalt ein zu hohes Einkommen und keinen Anspruch darauf“, bemängelt Wencke die Situation. „Zum Teil gibt es bei der Zahlung staatlicher Zuschüsse noch Ungereimtheiten, was die Anrechnung der finanziellen Leistungen untereinander betrifft. Hier wird leider oft zum Nachteil für die Studenten entschieden“, bestätigt Jana
Kolbe die Probleme.

Luxusgut Entspannung

Zusätzlich müssen also Nebenjobs her, welche die Existenz von Mutter und Kind gewähren können. Wencke Hallaschk geht zugunsten ihrer Tochter Lina-Sophie nachts in einem Hotel arbeiten, weil die staatliche Unterstützung nicht ausreicht. Maria dagegen muss sogar zwei Nebenjobs bewältigen. Mit Job und Kind bleibt nicht viel Zeit für das Studium. Eine wichtige Entlastung ist da vor allem die Kinderbetreuung. Doch auch hier gibt es Schwierigkeiten, denn zum einen gibt es zu wenig Plätze und zum anderen werden die Kinder, bis auf eine Ausnahme, nur bis zum Nachmittag betreut, was mit den Vorlesungszeiten nicht immer zu vereinbaren ist. „Vorlesungen nach 16 Uhr kann ich leider nicht besuchen, weil Alessandra dann wieder aus dem Kindergarten nach Hause muss und ich sie nicht allein lassen kann“, erklärt Müller. Dabei kann man froh sein, sein Kind überhaupt untergebracht bekommen zu haben. „Kurz nach der Geburt von Emma Johanna im Januar 2008 habe ich einen Antrag auf einen Kindergartenplatz direkt bei den Kindergärten für Januar 2009 gestellt. Bisher ist kein Platz in Aussicht und einen Babysitter, der mir schon ausreichen würde, bezahlt das Jugendamt nicht“, beschreibt Nicole ihre Lage. Der Kindergartenplatz oder auch eine Tagesmutter
werden vom Jugendamt zwar bei einem zu geringen Einkommen gezahlt, aber eben leider keine Alternativen, die den
Alleinerziehenden weiterhelfen würden. „Es werden nur Leistungen bezahlt, die über das Jugendamt vermittelt werden.
Die Tagesmütter haben ja auch besondere Schulungen geleistet, was ein normaler Babysitter nicht hat“, erklärt Dirk Scheer, Leiter des Jugendamtes.

Neue Horizonte

Allerdings werden Studenten mit ihren Kindern keinesfalls allein gelassen und können neben der begrenzten pekuniären Unterstützung vor allem auf soziale Hilfen hoffen. Seit dem ersten September 2007 bietet die Kindertagesstätte (KiTa) A.S. Makarenko zusätzlich zu den normalen Öffnungszeiten von sechs bis 17 Uhr auch die Möglichkeit, das Kind von 5.45 bis 21 Uhr in der Betreuungsstätte unterzubringen. Entstanden ist diese Idee durch das Jugendamt, die Universität sowie dem Allgemeinen Studentenausschuss (AStA), welche das Projekt nach einjähriger Planung realisieren konnten. „Die Nachfrage bei uns ist sehr hoch“, berichtet Frau Thomas, Leiterin der KiTa A.S.
Makarenko. „205 Kinder sind insgesamt bei uns untergebracht und 40 davon nutzen die verlängerten Öffnungszeiten.“ Neben diesen bietet der Kindergarten außerdem für Studenten die Gelegenheit, ihr Kind ab dem zweiten Lebensmonat dort zu stillen.
Sogar in anderen Regionen Deutschlands hat sich die KiTa herumgesprochen. „Wir hatten auch schon Anfragen aus Stuttgart. Allerdings muss man sich wirklich so schnell wie möglich anmelden“, rät Thomas. „Besonderen Anspruch auf einen Kindergartenplatz haben Kinder von Studenten und Berufstätigen ab dem dritten Lebensjahr und auch Kinder, die sozialpädagogisch gesehen, eine Betreuung nötig haben“, erläutert Scheer.

Helfende Hände

Abgesehen von der notwendigen Kinderbetreuung ist jedoch auch eine Betreuung der Eltern wichtig. Dazu setzten sich der AStA und das Studentenwerk zusammen und gründeten 2004 die Gruppe „Studenten mit Kind“.
„Derzeit ist es so, dass die Gruppe nicht mehr besteht. Sie hat sich vor einiger Zeit aufgelöst, da viele der festen Gruppenmitglieder mit dem Studium fertig waren“, bedauert Scarlett Faisst, AStA-Referentin für Soziales
und Wohnen. Bei den monatlichen Treffen war es den Studenten vor allem möglich, andere studentische Eltern kennen zu lernen und über Probleme zu sprechen, die sie schlecht mit Nicht-Betroffenen bereden können. „Ich habe aber mit Frau Kolbe bereits mehrfach darüber gesprochen, diese Gruppe wieder einzuführen. Wir planen dafür eine Auftaktveranstaltung. Diese soll voraussichtlich im nächsten Semester realisiert werden“, kündigt AStA-Referentin
Faisst an. Wo die Universität an ihre Grenzen stößt, bringt sich die Stadt Greifswald ein. Ein einmaliges Projekt in Mecklenburg-Vorpommern stellt zwei Koordinatorinnen bereit, die sich um Probleme der Alleinerziehenden
kümmern und sogar an deren Stelle Behördenbesuche erledigen oder die Kinder betreuen, beispielsweise im Krankheitsfall oder in Prüfungszeiten. „Auch der Verein Baltic betreut nach Bedarf Kinder in Randzeiten, wenn die Eltern krank sind oder Prüfungstermine haben“, fügt Scheer hinzu. Um den Eltern dazu noch finanziell unter die Arme zu greifen, bietet die Caritas eine Tauschbörse an und an der Mensa findet ab und zu ein Babyflohmarkt statt.

Land in Sicht

Für studentische Eltern oder Alleinerziehende wurde schon einiges getan. Nachteilig ist ein Kind im Studium nicht unbedingt, sondern vielmehr eine Frage der Organisation und Eigeninitiative. Zudem kann es positiv sein, sich für ein Kind während der Ausbildung zu entscheiden. Gerade bei den heutigen Jobbedingungen. „Ich glaube, dass es für den Beruf nicht förderlich ist, wenn man nach kurzer Zeit gleich in die Babypause geht. So aber hat man sein Kind schon aus dem Gröbsten raus und vielleicht bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“, findet Nicole. Sich später eine „Auszeit“ zu gönnen ist aus Berufsgründen schwieriger. Studenten können sich bis zu zwei Urlaubssemester nehmen und danach wieder ohne Probleme in den Studienalltag zurückkehren. Die Universität dürfte das wenig stören. Ganz anders als den Arbeitgeber. „Ob man sich für oder gegen ein Kind im Studium entscheidet, hängt von einem selbst ab. Das ist nicht für jeden etwas und hängt auch mit dem Alter zusammen. Vor allem ändern sich die Prioritäten und der Tagesablauf. Viel Freizeit bleibt auch nicht übrig“, räumt Wencke Hallaschk ein.
Doch auch wenn es viele Schwierigkeiten zu bewältigen gibt, wie ein Jugendamt, welches nicht immer zugunsten der Mütter berät, oder wie die Studienberatung, die studentische Mütter nicht ernst zu nehmen scheint und Ratschläge erteilt wie „Geben Sie das Kind doch ihren Eltern“, so hat das Elternsein auch seine schönen Momente. Denn auf Sätze wie „Mama, ich hab dich so lieb“, möchte sicher keine der jungen Mütter mehr verzichten.

Geschrieben von Katja Graf