Der Freiversuch wird abgeschafft. So jedenfalls sieht es das „geheime“ Diskussionspapier aus dem Schweriner Bildungsministerium vor (moritz 69). Laut Paragraph 38, Absatz 3 wird die Freiversuchsregelung künftig nur noch optional geregelt. Damit werde einem vielfach geäußerten Wunsch der Hochschulen entsprochen.

Das geltende Landeshochschulgesetz gestattet sowohl Studenten der alten Studiengänge als auch Bachelor- und Masterstudenten Freiversuche in Prüfungen. So wird der erste Versuch nicht gewertet, wenn der Prüfling durchfällt. Im Falle eines unbefriedigenden Ergebnisses darf ein weiterer Anlauf unternommen werden. Lediglich die bessere Note zählt dann. Diese Regelung betrifft bei Studiengängen mit Diplom-, Magister- und Staatsexamensabschluss die Zwischenprüfungen sowie die Abschlussprüfungen. „Das Angebot soll die Studenten ermuntern, sich möglichst früh anzumelden“, sagt Rechtswissenschaftler Professor Jürgen Kohler. Denn nur wer in der Regelstudienzeit lebt, darf darauf zurückgreifen. „Zum alten Studiensystem passt der Freiversuch“, findet auch Heidrun Peters, die Leiterin des Fremdsprachen- und Medienzentrums.
„Denn dort wird noch auf eine große Abschlussprüfung hingearbeitet“, ergänzt die Russisch- und Englischlektorin. Den Einzelleistungen kommt in der Endnote keine Bedeutung mehr zu. Daher steht hier die Abschaffung des Freiversuches nicht zur Debatte. „Darüber bin ich sehr erleichtert“, äußert sich Kristina Kühn, ehemalige Referentin für Studium und Lehre beim Allgemeinen Studentenausschuss (AStA).

Nur bei Studenten populär

Wacklig sieht es mit dem Freischuss für die neuen Studiengänge aus. Hier fließt jede Einzelleistung in die Abschlussnote ein und wiegt dabei teilweise mehr, als die Endprüfungen und die Bachelor- oder Masterarbeit. Bisher darf der Student den Freiversuch zu jeder Prüfung in Anspruch nehmen. „Das kann natürlich dazu führen, dass die Studenten sich, gerade in den ersten beiden Semestern, zu sehr darauf verlassen und nach zwei Semestern nicht mehr mit den Prüfungen hinterherkommen“, sagt Professor Andre Melzer. Am Institut für Physik sei ihm lediglich aufgefallen, dass die Studenten den Freiversuch nicht so sehr annehmen. „Auf die Notenverbesserung könnte man sich vielleicht noch einlassen“, findet Melzer. Immerhin ist nicht zu leugnen, dass die Lernenden unter andauerndem Prüfstress stehen. Da kann schnell eine Prüfung daneben gehen. Größtes Problem für Dozenten und Prüfungsamt, ist der erheblich gestiegene bürokratische Aufwand. „Das geht zu Lasten der Qualität der Lehre sowie der konzeptionellen Arbeit“, schätzt Heidrun Peters die zusätzlich anfallenden Tätigkeiten ein. Außerdem wird die Durchführbarkeit in Prüfungen mit mehr als 100 Studenten schwierig und schnell überkomplex. „Natürlich fragen sich Dozenten auch, wozu sie sich ein zweites Mal die Mühe machen üssen, wenn der Student von vornherein auf den Freiversuch setzt“, sagt Professor Amei Koll-Stobbe, Studiendekanin der Philosophischen Fakultät. Eine generelle Abschaffung hält sie aber nicht für die beste Lösung. „Zunächst sollten wir den ganzen Prozess evaluieren, um ihn einschätzen zu können“, findet die Anglistin. Sinnvoller sei es, über eine Beschränkung des Freiversuches, beispielsweise auf die erste Leistung im Studium, nachzudenken.

Diskussionen noch nicht angekommen

Das Diskussions- oder Eckpunktepapier wird laut Bildungsministerium momentan „im politischen Raum diskutiert“. In den hochschulpolitischen Gremien scheint es noch nicht angekommen zu sein. Dabei dürfe dieses ab sofort informell behandelt werden, so Rektor Professor Rainer Westermann im moritz-Interview (Ausgabe 69). Im Ministerium wird davon ausgegangen, dass noch im Herbst ein Referentenentwurf vorgelegt werden kann. Ist das ein schon verlorenes Spiel?

Geschrieben von Maria Trixa